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 Festival obscure

Jahrmärkte und Fahrendes Volk


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Ein Abenteuer- und Quellenband zu Jahrmärkten und Fahrendem Volk klingt ja erst einmal interessant. Andererseits fragte ich mich im Vorfeld, was an Beschreibungen des Oktoberfestes, der Cranger Kirmes oder des Kölner Karnevals lesenswert sein soll. Wer die heute üblichen Sauf- und Fress-Kirmes kennt, mag eventuell auch wenig Lust verspüren, dort Rollenspiel-Abenteuer zu erleben. Doch die Lektüre der restlichen und glücklicherweise überwiegenden Inhalte konnte vollständig überzeugen.

Die Aufmachung ist, wie von der Cthulhu-Linie gewohnt, gelungen. Das Cover ist passend, ebenso die Innenillustrationen und Bilder. Lektorat und Satz sind natürlich auch anständig am Werke gewesen.

Der Inhalt besteht aus verschiedenen Teilen: Eine Historie der Feste und Feiern in deutschen Landen allgemein und einiger einzelner im Besonderen, eine Beschreibung des Fahrenden Volkes, ein exemplarischer Jahrmarkt und drei Abenteuer im Jahrmarktsmilieu. Da ist natürlich einiges Aufregendes und Gruseliges möglich: Kuriositätenkabinette, "Monstrositäten", Geisterbahnen und Magier.

Den Anfang macht der historische Teil. Dieser mag für Freunde solcher Themen interessant sein, dürfte aber für die Mehrheit der Leser inhaltlich zu trocken sein. Cthuloide Bezüge fehlen, bis auf Hinweise auf schon erschienene Abenteuer und Szenarien im Jahrmarktsmilleu, völlig. Die Spielrelevanz ist gering, die Lektüre ist nicht unbedingt notwendig, nur weil man ein Abenteuer auf einen Jahrmarkt in den 1920er Jahren leiten will.

Doch es geht unterhaltsamer weiter, denn nun wird ein Einblick in das Alltagsleben der Schausteller und des Fahrenden Volkes gegeben. Immer noch nur bedingt cthuloid, aber sicherlich interessanter und einsetzbarer als der Anfang.

Die nun folgende Beschreibung eines typischen Jahrmarktes mit vielen Attraktion und spielfertigen Nichtspielercharakteren ist nicht nur für Cthulhu verwendbar, sondern recht einfach auch universell. Die Cthulhu-Bezüge sind gering, nur ein paar besondere Fertigkeiten, die leicht auf andere Systeme umgemodelt werden können. Trotzdem kann man den Jahrmarkt leicht für Cthulhu-Abenteuer verwenden.

Meine besondere Liebe hängt an den drei Abenteuern (die Inhaltsangabe ist frei von Spoilern):

Eine Frage der Perspektive stellt sich den Charakteren während eines Aufenthalts in Danzig. Eine Leiche wird gefunden und die Spuren führen zum hiesigen Jahrmarkt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Charaktere persönlicher als gewünscht in die schrecklichen Geschehnisse verwickelt werden …
Das Abenteuer ist anfänglich ein Detektivabenteuer, zum Schluss wird es aber hauptsächlich "irreal". Die Charaktere geraten in eine andere Welt, deren Beschreibung schon beim Lesen einen Wurf auf geistige Stabilität nötig macht. Ein Abenteuer, das auch, aber nicht nur von der Stimmung und der "entrückten" Beschreibung in der "anderen Welt" lebt. Ein insgesamt interessantes Abenteuer von Jakob Schmidt und Nathanael Busch, bei dem der Einstieg für die Charaktere recht einfach sein sollte.

Das doppelte Lottchen beschert den Charakteren nicht nur einen kostenlosen Zirkusbesuch, sondern auch einigen Schrecken. Artisten fallen in eine todesähnliche Starre, es scheint sich um eine Art Vergiftung zu handeln, die jedoch unerklärlich ist. Wirklich verrückt wird es, als lebendige Puppen die Täter zu sein scheinen. Welches Grauen geht in London um?
Dieses Abenteuer von Momo Evers macht schon beim Lesen Vorfreude darauf es zu leiten. Eine wirklich gute Detektiv-Geschichte mit einem Horror-Hintergrund, sicherlich auch leicht für andere Systeme adaptierbar.

Der Lachende Mann von Ingo Ahrens spielt in Parchim, einer Kleinstadt in Deutschland. Kaum ist der Jahrmarkt in der Stadt, geschehen des Nachts schreckliche Morde. Die Täter scheinen unter Drogen oder Hypnose zu handeln. Bei den Ermittlungen kommen die Charaktere hinter ein schreckliches Geheimnis. Am Ende steht ein Albtraum, der zum Tode aller Einwohner führen könnte …
Dieses Abenteuer verfügt über einen Detektivteil wie auch über einen irrealen Teil, der aber nicht so umfangreich ist wie im ersten Abenteuer ist. Man könnte es fast als "Mittelweg" zwischen dem sehr abgedrehten ersten Abenteuer und dem noch recht konventionellen zweiten Abenteuer sehen. Sieht ebenfalls sehr gut aus.

Alle drei Abenteuer scheinen, auf ihre eigene Art, gut zu sein. Durch die Unterschiedlichkeit kann man den für die eigene Gruppe Grad an "Abgedrehtheit" auswählen. Hintereinander gespielt würden sie aber sicherlich an Reiz verlieren, auf jeden Fall sind sie gelungen mit dem vom Quellenteil beschriebenen Milieu verbunden. Löblich sind die Berichte der Spieltest und die Tipps. Direkt mit dem Cthulhu-Mythos verbunden sind sie nicht, aber das muss ja nicht immer sein und dient auch der Abwechslung.

Das Fazit zum Produkt lautet: Nach einem etwas trockenen Einstieg steigert sich der Quellenteil und ist vielseitig einsetzbar, vor allen auch für eigene Abenteuer. Die Enthaltenen sind vielseitig und machen Lust aufs Spielen. Wer Rätsel und Mördersuche mag, wird hier seinen Spaß haben, aber auch Freunde von Horror und auch von Welten, die zu wirr sind für den menschlichen Geist. Also: Hereinspaziert, hereinspaziert …

Bernd Wachsmann



Hardcover | Erschienen: 01. Dezember 2005 | ISBN: 3937826459 | Preis: 24,95 Euro | 176 Seiten | Sprache: deutsch

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