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H.P. Lovecraft - Der Einsiedler von Providence

Als "Der Einsiedler von Providence" bezeichnet der Titel einer Art Lovecraft-Biographie des Suhrkamp-Verlages den amerikanischen Horrorschriftsteller Howard Phillips Lovecraft. Dies geschieht nicht ganz zu unrecht, ist Lovecraft doch neben der Schöpfung zahlreicher ungewöhnlicher Horrorgeschichten und der Begründung des so genannten Cthulhu-Mythos vor allem durch sein ungewöhnliches Leben bekannt geworden. Aufgrund seines umfangreichen Schriftverkehrs mit Freunden und Bekannten - oftmals seine einzige Verbindung zur Außenwelt - und einer kurzen Autobiographie, die er vier Jahre vor seinem Tod schreib, lässt sich Lovecrafts Leben relativ gut rekonstruieren.

Lovecrafts Eltern

Howard Philipps Lovecraft wurde am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island, geboren. Sein Vater Winfield Scott Lovecraft war wahrscheinlich reisender Handelsvertreter, der für eine Firma von Silberschmieden in Providence arbeitete. Im Jahr 1893 wurde er aufgrund eines Nervenzusammenbruchs in das Butler-Hospital, ein Heim für Geistes- und Nervenkranke, eingeliefert, wo er fünf Jahre später starb. Auf seinem Totenschein ist als Ursache "allgemeine Parese" angegeben. Tatsächlich existierten in der Lovecraftschen Familiengeschichte auf der väterlichen Seite mehrere Fälle von geistiger Umnachtung. Doch hält sich ebenso die These, dass Winfield Scott Lovecrafts Leiden und Tod eigentlich von der Syphilis herrührten. Seine Mutter Sarah Susan Phillips Lovecraft wurde von Krankheit und Tod ihres Mannes derart mitgenommen, dass sie im Jahr 1919 ebenfalls ins Butler-Hospital eingewiesen wurde und dort zwei Jahre später nach einer Gallenoperation verstarb.

Ein Faible für das Phantastische

Der junge Howard Phillips Lovecraft wurde nach dem Tod seines Vaters von seiner Mutter, zwei Tanten und seinem Großvater aufgezogen. Dort faszinierte ihn schon bald die Bibliothek seines Großvaters, wo er begierig Märchen, alte Sagen und Mythen verschlang. Vor der Kulisse des neuenglischen Providence, mit all seinen Charme des 18. Jahrhunderts, entwickelte der junge Howard ein Faible für das Mystische und Phantastische. Aufgrund seiner Begeisterung für die Märchen aus 1001 Nacht verkleidete er sich beispielsweise als Araber und nannte sich Abdul Alhazred, ein Name, der sich später in seinen Geschichten als Autor des Necronomicons wiederfindet.

Das Leben eines Einzelgängers

Doch H.P. Lovecraft war auch ein einsames Kind. Man kann annehmen, dass er aufgrund seiner häufigen Krankheiten und der ungewöhnlichen Interessen für einen Jungen seines Alters nur schwer Freunde fand. Hinzu kam, dass ihm seine angeschlagene Gesundheit oft den Besuch der Schule unmöglich machte. Ob sein Gesundheitszustand von Natur aus so schlecht war, oder ob dies auf den überstarken Beschützerinstinkt seiner Mutter zurückzuführen ist, kann heute nicht mehr nachgeprüft werden.

Erste Schritte als Schriftsteller

Neben der Phantastik erwachte in dem jungen Howard schon sehr früh das Interesse an den Naturwissenschaften wie Chemie, Geographie und auch Astronomie. Letzteres führte zu seinen ersten Veröffentlichungen, als Lovecraft im Alter von 16 Jahren eine wahre Flut astronomischer Artikel für diverse Lokalzeitungen verfasste. Ebenso begann er auf der High School, die er einigermaßen regelmäßig besuchen konnte, unheimliche Geschichten zu verfassen. Die meisten davon vernichtete er jedoch wieder. Der wichtigste Schritt zu einer ernsthaften Tätigkeit als Schriftsteller war jedoch sein Beitritt zur United Amateur Press Association im Jahre 1914. Dabei handelte es sich um Gemeinschaft aufstrebender Jungschriftsteller, die gegenseitig ihre Werke lasen und kritisierten. Lovecraft selbst schätzte den Einfluss, den seine Mitgliedschaft auf seine eigene schriftstellerische Entwicklung hatte, als sehr hoch ein. Scheinbar war es auch die Gemeinschaft, die ihn dazu ermutigte, mit dem Verfassen unheimlicher Geschichten fortzufahren. So schrieb er im Jahre 1917 die beiden Geschichten "Das Grab" und "Dagon", seine erste Veröffentlichung war im Jahre 1922 "Herbert West - Reanimator". Zudem machte er über die Association die Bekanntschaft mit solch illustren Leuten wie dem heute immer noch bekannten Clark Ashton Smith.

Die Geburt des Mythos

1919 entdeckte H.P. Lovecraft die Fantasy-Geschichten Lord Dunsanys (1878-1957). Seine Ideen einer künstlichen Mythologie inspirierten Lovecraft zu dem, was wir heute als Cthulhu-Mythos kennen: die Vorstellung uralter Wesenheiten, die vor Jahrmillionen über die Erde herrschten, deren Macht sich in heutigen Tagen aber nur noch in Gestalt finsterer Kulte und unheimlicher Rituale zeigt. Zu jener Zeit erschien Lovecraft die Chance einer Veröffentlichung solcher Gruselgeschichten noch abwegig, doch mit der Gründung des Pulpmagazins "Weird Tales" im Jahr 1923 existierte auf einmal ein Medium für seine Phantasien.

Reisen und Inspiration

Mit der Einweisung seiner Mutter in das Butler-Hospital im Jahr 1919 begann sich auch Lovecrafts Gesundheitszustand wesentlich zu verbessern, sodass er zum ersten Mal in seinem Leben in der Lage war, ausgedehnte Reisen zu unternehmen. Neben den alten Kolonialstädten Neuenglands und Kanadas war es vor allem auch Städte wie New Orleans, die es ihm angetan hatten. So verwundert es nicht, dass viele Inspirationen, die er dort mitgenommen hatte, in seine Geschichten einflossen.

Sonia Green

1921, im selben Jahr, als seine Mutter starb, lernte er auf einer Tagung für Amateurjournalisten in Boston die Geschäftsfrau Sonia G. Greene kennen. Diese fühlte sich von Lovecrafts Persönlichkeit äußerst angezogen und begann schon bald ihn zu umwerben. Obwohl sämtliche äußeren Umstände dagegen zu sprechen schienen - Greene war sieben Jahre älter, eine Frau mit Lebenserfahrung und von sowohl russischer als auch jüdischer Abstammung - heirateten die beiden am 3. März 1924 in New York. Das Ehepaar bezog eine Wohnung in der Parkside Avenue, doch schon bald zeigte sich, dass Lovecraft dem Leben in der Großstadt nicht gewachsen war. Als seine Frau 1925 einen lukrativen Job im Mittelwesten der Staaten annahm, lebte Lovecraft noch für eine kurze Zeit in New York, bevor er wieder zurück nach Providence zog. Der Großteil ihrer Beziehung spielte sich die nächsten Jahre über Briefe ab. Nach ein paar weiteren freundschaftlichen Treffen reichte Lovecraft 1929 die Scheidung ein.

Zurück in Providence

Die Ereignisse dieser fünf Jahre mögen einen falschen Eindruck erwecken. Aus den Aufzeichnungen von Lovecraft und Greene lässt sich jedoch herauslesen, dass er sie wohl wirklich geliebt hatte, soweit er das auszudrücken imstande war. Jedoch musste er sehr bald feststellen, dass er für das Leben in der Großstadt und für eine Ehe nicht geschaffen war. Zurück in Providence, lebte Lovecraft wieder auf. Es schien, als habe ihn sein Aufenthalt in New York reifen lassen, und seine wenigen guten Freunde bestätigten in ihren Aufzeichnungen, dass ihn erst sein "Ausflug in die Welt" zu demjenigen gemacht hatte, an den sie sich gerne erinnerten.

Seine letzten Jahre und sein Tod

Nach dem Tod seiner Tante Mrs. Clark 1932 zog Lovecraft zu seiner letzten noch lebenden Tate Mrs. Gamwell. Die Zeit nach seiner Rückkehr war wohl seine produktivste, was seine Geschichten anging. So verfasste er in dieser Zeit unter anderem "Der Fall Charles Dexter Ward" und "Berge des Wahnsinns". Durch Korrekturen und Überarbeitungen der Werke anderer Autoren verdiente er zusätzlich etwas Geld, dennoch waren die Finanzen äußerst knapp und reichten gerade für das Nötigste. Seine Freundschaften pflegte er mittlerweile fast ausschließlich über den Briefverkehr. Mitte 1936 begann sich Lovecrafts Gesundheitszustand zu verschlechtern, er weigerte sich jedoch, zu einem Arzt zu gehen. Er war an Darmkrebs erkrankt, dessen Symptome sich über die nächsten Monate verschlimmerten. Am 10. März wurde der sterbende Howard Phillips Lovecraft in das Jane Brown Memorial Hospital eingeliefert, wo er fünf Tage später verstarb. Noch als todkranker Mann ist er jedoch dem Krankenhauspersonal als höflicher und zuvorkommender Gentleman in Erinnerung geblieben.

Markus Goedecke