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Hong Ying über Frauen in China und ihr Buch "Die Konkubine von Shanghai"
Interview mit Hong Ying
Media-Mania.de: Frau Ying, Ihr neues Buch „Die Konkubine von Shanghai“ handelt von einer Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzt. Wie sind Sie auf die Idee für die Geschichte gekommen und wie sah die Recherche aus?

Hong Ying: Im Grunde gibt es diese Situation überall auf der Welt. Aber in China gibt es sehr wenige Bücher über Frauen, die Macht ergreifen oder die ihren eigenen Weg gehen und die versuchen, sich durchzusetzen. Das ist ein sehr wichtiges Thema. Kurz nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens habe ich an der Fudan-Universität in Shanghai studiert. Damals war ich sehr bedrückt und habe in der Bibliothek viel über Prostitution, über Bordelle und über die Triaden gelesen. Das hat mich sehr interessiert. Und dann bin ich auf das Thema gestoßen, dass sich eine Frau in einer Männerwelt durchsetzt, wie die Hauptperson in dem Buch, und dort ihren eigenen Weg geht und selbstständig wird. Das hat mich sehr gepackt, sehr gefesselt.

Media-Mania.de: Die Hauptperson ist also von einer realen Person inspiriert?

Hong Ying: Ja, genau.

Media-Mania.de: Ist Ihr Buch auch eines über die Emanzipation der Frau?

Hong Ying: Die meisten Männer in China mögen dieses Buch sehr. Sie finden, dass es wichtig ist, dass eine Frau auch Verantwortung übernimmt und ihren Teil beiträgt. Aber es gibt auch einige andere Männer. Die einen sagen: Es ist gut, wenn zwei aus einer Schüssel löffeln und die Frau ihren eigenen Löffel hat und sich ihren Teil nimmt. Die anderen sagen: Dann haben wir nichts mehr zu essen.

Media-Mania.de: Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Frauenbild in China seit der Protagonistin Cassia verändert?

Hong Ying: Früher waren die Frauen in China viel passiver als heute. Heute können die Frauen sexuell sehr aktiv sein oder die Initiative ergreifen. Früher mussten die Frauen sehr schüchtern sein, sie hatten gebundene Füße, sie mussten ganz flache Körperformen haben. Heute ist das Ideal, dass Frauen große Brüste oder Körperlinien haben und ein bisschen fülliger sind. Früher mussten die Frauen den Männern auch dienen. Das ist heute nicht mehr so. Insofern hat sich die Sexualität oder die Position der Frau sehr geändert.

Media-Mania.de: Was, denken Sie, haben Mao und der Kommunismus, der ja auch eine emanzipatorische Idee vertritt, für eine Rolle dabei gespielt?

Hong Ying: In der frühesten Periode des Kommunismus, in der Yan'an-Periode, gab es eine Schriftstellerin namens Ding Ling, die die Gleichberechtigung der Geschlechter gefordert hat. Aber sie wurde deswegen sehr kritisiert und ich bin nicht der Meinung, dass der Kommunismus die Gleichberechtigung wirklich durchsetzen konnte. In den Großstädten ist die Gleichberechtigung schon viel fortgeschrittener. Dort bekommen Frauen meist den gleichen Lohn, haben eine ähnliche Position. Aber wenn man beispielsweise in die Politik schaut, gibt es nur eine Ministerin in China. Auf dem Land ist es schlimmer. Dort wollen die Familien nur Söhne und keine Töchter haben. Deswegen ist die Gleichberechtigung in China noch immer ein Problem.

Media-Mania.de: Ihre Protagonistin Cassia hat die Macht, die sie schließlich erreicht, trotz ihrer Intelligenz vor allem durch ihre Schönheit und ihren Körper gewonnen. War das zu der damaligen Zeit die einzige Möglichkeit, etwas zu erreichen?

Hong Ying: Der Körper allein, der hat damals nicht genügt. Cassia brauchte auch viel Weisheit, Großherzigkeit, Einfühlungsvermögen und auch Toleranz oder Duldungskraft, um nach oben zu kommen.

Media-Mania.de: Sie sind ja nach England übergesiedelt. Warum?

Hong Ying: Kurz nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens sind viele Künstler ins Exil gegangen und haben im Ausland gelebt. Inzwischen sind aber viele Künstler auch wieder nach China zurückgekehrt (wie auch Hong Ying selbst; Anm. d. Red.), weil sich China sehr verändert hat. Man kann zum Beispiel im Restaurant frei seine Meinung äußern oder auch auf Dichterversammlungen, ohne dass man von der Polizei aufgegriffen wird. Früher ging das nicht, da hätte man das nicht gekonnt. Insofern hat sich China sehr verändert und ist freier geworden.

Media-Mania.de: Was denken und was hoffen Sie, wohin die weitere Entwicklung Chinas führen wird?

Hong Ying: Auch wenn China sich verändert, ist die Entwicklung doch zu langsam in vielen Bereichen. Zum Beispiel sagt die Regierung nicht immer die Wahrheit. Normalerweise ist der Himmel in Peking grau vom Smog. Zum 60. Jahrestag der Volksrepublik war der Himmel plötzlich blau. Die Regierung sagte, das sei Glück, dabei hatte das andere Gründe, wie das Abschalten von Fabriken.

Media-Mania.de: Frau Ying, vielen Dank für das Interview.
Geführt von Katja Maria Weinl am 13.10.2009