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 Film - Medium - Diskurs, Band 14: Der Vampirfilm

Klassiker des Genres in Einzelinterpretationen


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Seit nun mehr als hundert Jahren schon geistert Bram Stokers "Dracula" durch die Köpfe der Menschen; der mit historischem Hintergrund ausstaffierte Antagonist einer viktorianischen gothic novel hat sich mittlerweile zu einer intermedialen Kunstfigur mit globalem Publikum gemausert. Auch der Film hat sich der sinistren Figur des Vampirs angenommen und über Jahrzehnte hinweg immer wieder nicht nur Klassiker dieses Genres hervorgebracht, sondern auch die gesamte Entwicklung der Filmproduktion und kinematographischen Ästhetik maßgeblich mitgestaltet. Mit "Der Vampirfilm" zollen die Herausgeber Stefan Keppler und Michael Will sieben "Klassikern des Genres in Einzelinterpretationen", so der Untertitel, ihren Respekt.

Die Auswahl der sieben Klassiker des Vampirfilms, welche die Herausgeber und Autoren getroffen haben, mag eigentlich nicht überraschen und zeigt, warum selbst im Zeitalter von CGI-Kreaturen und überbordenden Massenschlachten die im Folgenden behandelten Filme auch heute noch ohne den geringsten Zweifel als Klassiker gesehen und respektiert werden müssen: Neben Friedrich Wilhelm Murnaus "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1922) und dessen Hommage durch Werner Herzog von 1979 kommen auch Tod Brownings "Dracula" (1931) mit Bela Lugosi in der Titelrolle, Christopher Lees Paraderolle als "Dracula" (1958), Roman Polanskis "Tanz der Vampire" (1967) und "Bram Stoker’s Dracula" (1992) von Francis Ford Coppola zum Handkuss. Ebenfalls behandelt wird ein weiterer Klassiker des Vampirfilms, welcher zwar keinem großen Publikum bekannt ist, aufgrund seiner außergewöhnlichen stilistischen Mitteln aber nicht vergessen werden darf: "Vampyr - Der Traum des Allan Gray" (1932) des dänischen Filmregisseurs Carl Theodor Dreyer. Einen gelungenen Rahmen um diese sieben Aufsätze bilden die beiden Beiträge der Herausgeber: Stefan Keppler widmet sich explizit dem Vampir als Filmfigur sowie Wesen und Merkmalen des Vampirfilms, während Michael Will auf diverse Tendenzen des Vampirfilms der Jahrtausendwende eingeht, wobei auch Filme wie "Interview mit einem Vampir", die "Blade"-Trilogie, "Van Helsing" und die "Underworld"-Filme nicht zu kurz kommen. Manche der Autoren, welche die Herausgeber für dieses Projekt gewinnen konnten, sind dem an der Phantastik interessierten Leser nicht unbekannt, etwa Norbert Borrmann und Hans Richard Brittnacher.

Mancher mag nun die Frage aufwerfen, wie sich der eine oder andere Autor anmaßen kann, Kultfilme wie etwa "Nosferatu" auf rund 25 Seiten interpretieren zu wollen, wo doch selbst mehrere hundert Seiten Murnaus Glanzstück nicht angemessen behandeln könnten. Dennoch wissen die Beiträge, welche "Der Vampirfilm" in sich vereint, über weite Strecken zu überzeugen, da sie wenige, aber dafür die richtigen Fragestellungen an den Tag legen. Einerseits wird explizit nach den Merkmalen des Vampirfilms und des Vampirs als Filmfigur, mit welchen der Leser in Kepplers Beitrag zu Beginn des Buches vertraut gemacht wird, im jeweils behandelten Klassiker gefahndet sowie nach intermedialen und intertextuellen Querverweisen gesucht; gleichzeitig finden die Autoren auch noch Zeit - und Platz -, sich mit jenen Stilmitteln und Motiven auseinanderzusetzen, welche den jeweiligen Film auf den Thron eines Klassikers emporgehoben haben. Egal, ob es sich hierbei um das Spiel mit den Schatten in Murnaus "Nosferatu", die Rolle des (Alb-)Traums in Dreyers "Vampyr" oder um autobiografische Einflüsse in Polanskis "Tanz der Vampire" handelt. Dass aufgrund der eingeschränkten Seitenanzahl nur auf gewisse Merkmale eingegangen werden kann und die Entscheidung, welche ihren Weg in den jeweiligen Beitrag finden sollen, jeder Autor mit sich selbst vereinbaren muss, liegt auf der Hand, doch findet der Leser in den meisten Aufsätzen eine gelungene Balance zwischen qualitativer und quantitativer Selektion vor. Nicht in diese Kategorie fällt vor allem Norbert Borrmanns Kniefall vor Coppolas "Bram Stoker’s Dracula", der zu sehr auf den Inhalt und die Hintergründe eingeht und die Analyse allzu oft links liegen lässt.

Im heterogenen Fundus an analysierten Vampirfilmen spiegelt sich auch die Vielfältigkeit der Beiträge wider. Es beginnt mit der schon erwähnten Bürde des Autors, für seine Interpretation die ihm am wichtigsten erscheinenden Motive und Elemente herauszufiltern und in die Analyse miteinfließen zu lassen. Damit ist kein Beitrag wie der vorhergehende, der Fokus wird stets mit einer anderen Gewichtung gesetzt, was auch für eine gewisse - plakativ ausgedrückt - Abwechslung sorgt. Auch hinsichtlich der Sprache und der Formulierungen unterscheiden sich die Interpretationen. Während etwa Kepplers Auseinandersetzung mit dem Vampirfilm im Allgemeinen die grauen Zellen doch zu fordern weiß, liest sich Borrmanns Verbeugung vor Coppolas Meisterwerk äußerst flüssig. Einig sind sich die Beiträge vor allem in ihrer Zielgruppe: Literatur- und/oder Filmwissenschafter sowie an der Thematik Interessierte mit ausreichend vorhandenem Basiswissen, welches sich nicht mit einmal Nachschlagen bei Wikipedia erwerben lässt. Ebenso gleicher Gesinnung sind sich die in den Beiträgen verwendeten Bilder: In der Regel stellen sie Filmszenen in dürftiger Schwarzweiß-Qualität dar, die zumeist überhaupt nicht mit den jeweiligen Interpretationsschritten auf derselben oder nächsten Seite in Einklang stehen und einfach "auf gut Glück" platziert erscheinen.

Mit "Der Vampirfilm" legen die Herausgeber eine brillante Sammlung an Beiträgen zu sieben Klassikern des Vampirfilms ab, von denen der größte Teil durch detaillierte Interpretationen, fundierte Recherche, den Blick für das Wesentliche und ein gutes Lektorat zu brillieren weiß. Vor allem für Studenten und freie Autoren, welche sich ausgiebiger mit der Materie beschäftigen wollen, bietet das Buch einen hervorragenden Ausgangspunkt, nicht nur durch das umfassende Literaturverzeichnis.

Michael Höfel



Taschenbuch | Erschienen: 01. September 2005 | ISBN: 9783826031571 | Preis: 19,80 Euro | 206 Seiten | Sprache: Deutsch

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