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 Kleine Geschichte des Kolonialismus


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Bis heute prägt die Epoche des Kolonialismus unsere Gegenwart, und zwar sowohl jene der ehemaligen (oder bestehenden) Kolonialmächte als auch der ehemaligen (oder bestehenden) Kolonien.

Die Rohstoffkriege in Afrika, die aktuellen Konflikte zwischen den südamerikanischen Staaten und den USA oder die immer wieder von deutschen Gerichten abgelehnten Schadensersatzforderungen der Herero, die nach der Schlacht am Waterberg 1904 von den deutschen Kolonialtruppen nahezu ausgerottet wurden: Immer wieder holt uns die Geschichte ein, und neo- und postkoloniale Konflikte belasten den Weltfrieden nach wie vor.
Der Historiker Wolfgang Reinhard versucht in einem gut 400-seitigen Werk die vielschichtige Geschichte des Kolonialismus in geraffter Form nachzuerzählen - eine "Kleine Geschichte des Kolonialismus" eben. Dass es bei einem solch weit gesteckten Thema zu Auslassungen und Verknappungen führen muss, ist verständlich. So springt Reinhard munter vom ausgehenden Mittelalter in die frühe Neuzeit, vom portugiesischen Kronkapitalismus zur Erschließung des amerikanischen Kontinents, von der Unterwerfung und Ausbeutung Afrikas zur französischen Besiedlung Kanadas. Es sind rasch erzählte und mitunter gut zusammengefasste Kurzessays, die Reinhard dabei vorlegt, und die immer wieder von Kartenmaterial begleitet sind.

Der Blütezeit des Kolonialismus - dem imperialistischen Zeitalter - widmet Reinhard freilich die größte Aufmerksamkeit und berichtet von Kolonialpolitik, Kolonialhandel, Kolonialverbrechen und Kolonialkriegen. Leider fällt hier bereits die Neigung des Autors auf, Fakten als bekannt vorauszusetzen und sich lieber zu allumfassenden Aussagen zu versteigern, die nicht immer durch Beispiele untermauert werden und mitunter zu Plattitüden missraten. Dies wird um so augenscheinlicher, je weiter des Buch voranschreitet; denn trotz Reinhards Anspruch, den neusten Stand der Forschung wiederzugeben, vernachlässigt er die Ära des Postkolonialismus auf sträfliche Weise. Der gesamte postkoloniale Diskurs seit den 1970er Jahren wird ausgespart beziehungsweise im Schlusswort in einem Absatz abgefrühstückt. Postkoloniale Einflüsse auf heutige Konflikte und auf die Weltwirtschaft werden bestenfalls angerissen, und manche Abschnitte zum Spätkolonialismus können nicht überzeugen, etwa jener zur jüdischen Besiedlung Palästinas, deren Einbettung in eine allgemeine Kolonialismusdebatte den vielschichtigen Konflikt zwischen Juden und Palästinensern in unverhältnismäßiger Weise verkürzt.

Vielleicht ist das Thema Kolonialismus eben doch zu groß für eine "kleine Geschichte". Vielleicht wäre auch Wolfgang Reinhard, Jahrgang 1937, gut beraten gewesen, sich einen jüngeren Co-Autor mit ins Boot zu holen. Insgesamt vermag die "Kleine Geschichte des Kolonialismus" auf jeden Fall nicht zu überzeugen.

Hagen Hoffmann



Hardcover | Erschienen: 01. April 2008 | ISBN: 9783520475022 | Preis: 19,90 Euro | 421 Seiten | Sprache: Deutsch

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