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 Tikal


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Diese Geschichte spielt in einer längst vergessenen Zeit. In einer mystischen Zeit, in einer fremden Zivilisation, in der noch Zeichen und Wunder geschahen. Wir schreiben das Jahr 1999, und das Spiel "Tikal" wird mit der Auszeichnung "Spiel des Jahres" bedacht. Zugegeben, wirklich lange ist das nicht her und vergessen wahrscheinlich auch nicht. Aber es ist bezeichnend für den Wandel, den jene höchste Auszeichnung der Spielewelt und die Welt der Spiele selbst seitdem durchgemacht haben. Würde ein Spiel wie "Tikal" heutzutage nochmal für den Preis antreten, seine Chancen stünden beträchtlich geringer, wie auch gerade das Scheitern von "Stone Age" vor Augen führte. Denn das Spiel ist nach heutigen Maßstäben der Auszeichnung zu lang, zu langsam und ein bisschen zu komplex. Und doch ist es auf seine Weise genial und hat immer noch fast nichts von seinem Reiz verloren.

[imgleft]images/UploadGrafiken/Tikal1.jpg[/imgleft] In "Tikal" schickt jeder Spieler ein Forscherteam in den Dschungel Guatemalas, um dort die alte, gleichnamige Maya-Stadt freizulegen. Und die Konkurrenz um die Fundstücke ist dabei knüppelhart. Der Spielplan zeigt 40 sechseckige Felder, von denen zu Beginn nur vier vorgedruckt sind. Wenn ein Spieler an der Reihe ist, zieht er das oberste Plättchen des Stapels neuer Dschungelfelder und platziert es auf dem Spielplan. Auf diese Weise kommen neue Tempel, Schatzfelder, Lichtungen und Vulkane ins Spiel. Danach hat man zehn Aktionspunkte, die man für verschiedene Aktionen ausgeben kann. So darf man neue Leute in das Basiscamp einsetzen und diese auf dem Spielplan verschieben. Dies geschieht nach einem äußerst cleveren System, denn die Hexfelder zeigen auf verschiedenen Seiten unterschiedlich viele Steinplatten, die eine Verbindung zwischen den Feldern herstellen - und je mehr Steinplatten eine Seite zeigt, desto mehr Aktionspunkte kostet es, ein Expeditionsmitglied von einem Feld auf das andere zu ziehen. So muss man versuchen, den einfachsten Weg von A nach B zu finden und sich sehr genau überlegen, ob man teure 3er-Verbindungen überhaupt nutzt, denn Aktionspunkte sind ein sehr rares Gut.
Mit seinen Expeditionsteilnehmern versucht man, Tempel zu sichern und Schätze zu sammeln. Anfangs sind vor allem die Tempel noch sehr wenig wert, aber für zwei Aktionspunkte kann man die Ruine von Gestrüpp befreien und sie so aufwerten. Für drei Aktionspunkte kann man Schatzplättchen von entsprechenden Feldern heben oder mit Mitspielern tauschen. Und mit je fünf Aktionspunkten kann man auf Lichtungen neue Camps errichten und Tempel permanent für sich beanspruchen.
[imgright]images/UploadGrafiken/Tikal3.jpg[/imgright] Immer, wenn ein Vulkanfeld gezogen wird, gibt es eine Wertungsrunde. Jeder Spieler darf nochmal einen Zug mit zehn Aktionspunkten machen und schaut dann, bei welchen Tempeln er die meisten Leute zu stehen hat, denn nur bei diesen Tempeln gibt es auch Punkte. So wie die Ruinen in ihrem Punktwert steigen, umso härter werden dann auch die Kämpfe um die Vorherrschaft auf den entsprechenden Feldern. Für möglichst gleiche Schatzplättchen erhält man bei der Wertung ebenfalls Punkte. Das geht so lange, bis das letzte Feld auf den Spielplan gelegt wurde. Danach gibt es noch eine letzte Wertungsrunde, dann hat der Spieler mit den meisten Punkten gewonnen.

"Tikal" ist deswegen genial, weil es einerseits wunderschön aussieht und sich taktisch auch noch unheimlich clever spielt. Das Material ist reich an Holzpöppeln und Chips, die Grafik ist sehr stimmig und im Laufe des Spiels wird das Spiel sogar fast schon dreidimensional, wenn sich durch das Aufwerten der Ruinen echte Pyramiden auf dem Spielfeld bilden. Die zehn Aktionspunkte, die man pro Zug hat, wollen auf der anderen Seite gut aufgeteilt werden, und man muss sehr genau überlegen, wo man das neue Hexfeld anlegt, bei welchen Tempeln man um die Vorherrschaft kämpft und wann man seine neuen Camps errichtet - denn die Konkurrenz in "Tikal" schläft nicht, der Wettstreit um die besten Felder ist vor allem in der Version mit vier Spielern knallhart.
[imgleft]images/UploadGrafiken/Tikal2.jpg[/imgleft] Für friedliebende Spieler ist das eher nichts, Profis freuen sich dagegen, unter anderem auch darüber, dass in der Anleitung gleich eine Expertenversion beschrieben wird, bei der man nicht dem nächstbesten Hexfeld ausgeliefert ist, das man vom Stapel zieht, denn da kann man durchaus häufiger mal ins Klo greifen, wenn man selbst nur wertlose Lichtungen bekommt und alle anderen Spieler kostbare Tempel- und Schatzfelder. Profis versteigern die Hexfelder deswegen unter sich und minimieren dadurch den Zufallsfaktor, der dem Spiel inne liegt. Diese Version sei jedoch wirklich nur dann empfohlen, wenn man mit dem Glücksfaktor des Grundspiels seine Probleme hat, denn die Versteigerungsrunden sorgen nur dafür, dass ein ohnehin schon langsames Spiel noch langsamer wird. So wird aus einem 90minütigem Spiel ein zweistündiges, was ja an sich noch nicht wirklich lang ist. Jedoch geht in beiden Fällen ein Großteil dieser Zeit für das Ausbrüten der besten Züge drauf - und während die anderen Spieler an der Reihe sind, kann man selbst nichts Anderes machen als Däumchen drehen und die bereits ausgegebenen Aktionspunkte der anderen laut mitzählen.

"Tikal" sieht auch fast zehn Jahre später immer noch super aus und ist ein taktisch forderndes, tolles Spiel. Die langen Wartezeiten und das zähe Tempo sind jedoch leider nicht mehr wirklich zeitgemäß. Diese Ära des Spielens hat mittlerweile halt ihr Ende gefunden - im Guten wie im Schlechten.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 1. Februar 2007 | Preis: 40 Euro

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