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 FANTASIA, Band 127: Unheimliche Szenerien - Schauplätze des Grauens

Typen und Funktionen von Innenraumdarstellung in der deutschsprachigen Horrorliteratur des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Gustav Meyrink, Hanns Heinz Ewers, Walter Brandorff, Malte Sembten und Michael Siefener

Serie: FANTASIA, Band 127
Autoren: Silvia Marosi
Verlag: EDFC

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Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Wird man nach den am meisten verwendeten (Innen-)Räumen in der Horrorliteratur gefragt, manifestieren sich nicht selten verlassene Herrenhäuser, gotische Bauten, unheimliche Hotelappartements oder beklemmende Nervenheilanstalten in den Köpfen der Befragten. Doch wieso verbindet man Stephen King eher mit auf indianischen Friedhöfen erbauten Hotels als mit einem Fast-Food-Restaurant, und weshalb siedelte H. P. Lovecraft seine Geschichten lieber in düsteren Gemäuern als im Flutlicht der Großstadt an? Die sogenannte "Spukhausforschung" hat sich in den letzten Jahren - parallel zur literarischen Raumtheorie und zur Untersuchung von unheimlicher Literatur - stets weiterentwickelt. Einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erforschung von Raum in der Horrorliteratur leistet Silvia Marosi mit ihrer Magisterarbeit "Unheimliche Szenerien - Schauplätze des Grauens", welche in gestraffter Form nun in der Sekundärliterarischen Reihe des Ersten Deutschen Fantasy Clubs vorliegt.

Ausgehend von dem Ansatz, der erzählte Raum in der Horrorliteratur spiegle eine bestimmte Autorintention wider und müsse demzufolge als vom Autor (un-)willkürlich gesetzte, auf eine bestimmte Wirkung abzielende Strategie aufgefasst werden, konstruiert Marosi ein Verfahren zur Analyse des erzählten (Innen-)Raumes, welches sie an ausgewählten Werken deutscher Autoren des 20. Jahrhunderts - Hanns Heinz Ewers, Walter Brandorff, Gustav Meyrink, Malte S. Sembten und Michael Siefener - einsetzt und die daraus resultierenden Ergebnisse mit denen von Texten anderer Horrorschriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts vergleicht; hierbei kommen E. T. A. Hoffmann und H. P. Lovecraft ebenso zum Handkuss wie Auflagenmillionär Stephen King und "John Sinclair"-Vater Jason Dark.

Ihre Magisterarbeit gliedert die Autorin in zwei große Blöcke: Der erste Teil stellt die unterschiedlichen Konzepte zum literaturwissenschaftlichen Begriff des "erzählten Raumes" sowie zu Theorie und Funktion der Horrorliteratur vor und fasst die wichtigsten Thesen zusammen. Hierbei dient ein mentalitätshistorischer Zugriff auf das Phänomen des Unheimlichen vom aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart als einleitendes Kapitel, bevor auf Grundlagen von Erzähltechnik und Autorintention sowie auf raumtheoretische Konzepte von G. E. Lessing bis Bruno Hillebrand eingegangen und die Rolle des Raumes in der Horrorliteratur erörtert wird. Einen interessanten, geradezu erfrischend neuen Ansatz für ihre späteren Untersuchungen bildet die Einbindung kriminalpsychologischer Konzepte. Ausgehend von der These "Verhalten spiegelt Persönlichkeit" des FBI-Profilers John Douglas, erklärt Marosi jegliche in einem Text enthaltenen Erzählstrategien und narrativen Darstellungsformen zu einem Verhaltensmuster, aus welchem sich die Intention des Autors herauskristallisieren lässt. Nicht nur dass damit neuer interdisziplinärer Wind die literaturwissenschaftlichen Segel füllt - dieser Ansatz funktioniert auch, wie die folgenden Untersuchungen zeigen.

Der zweite große Teil von "Unheimliche Szenerien - Schauplätze des Grauens" ist der näheren Untersuchung der Texte deutschsprachiger Autoren gewidmet. Marosi stellt das im Folgenden angewandte Analyseverfahren vor und klärt die Terminologie, deren Kenntnis eine der wichtigen Voraussetzungen für das Nachvollziehen der systematischen Betrachtung ist. Im Anschluss findet die Analyse der sieben ausgewählten Werke von Ewers, Brandorff, Meyrink, Sembten und Siefener statt, in welchen nach der Autorintention hinter dem erzählten (Innen-)Raum, nach den angewandten Darstellungsformen und Erzählstrategien sowie nach der Rolle des (Innen-)Raumes im Gesamtkonstrukt des Erzählten gefragt wird. Hierbei folgt jeder Untersuchung eines deutschsprachigen Werkes eine von (zumeist) angloamerikanischen Texten, um den Erkenntnissen und dem Analyseverfahren ein gewisses Maß an Gesetzmäßigkeit zusprechen zu können; warum die ausgewählten Geschichten jedoch ausgesucht worden sind, darauf gibt die Autorin keine Antwort.

Im Gesamten betrachtet liefert Marosi einen ebenso interessanten wie nicht unwichtigen Beitrag zur Forschung an der Horrorliteratur ab, doch leider wird er von mehreren - zumeist vermeidbaren - Mankos unterminiert, wobei sich der Umfang der vorliegenden Arbeit als wohl größtes hervortut. Der erste Teil der Studie, welcher sich wie bereits erwähnt mit den Grundlagen zu Raumtheorie und unheimlicher Literatur befasst, geht allzu sehr und allzu oft ins Detail; ein Umstand, der sich nicht immer als förderlich erweist, zumal es ganze rund 110 Seiten dauert, bis die Autorin die Theorie abschließt und dem Leser erst einmal das Analyseverfahren präsentiert (um sich erst dann den ausgewählten Werken direkt zu widmen). So stellt sie etwa lang und breit die unterschiedlichen, für Ihre Arbeit wichtigen Konzepte zur Raumtheorie von Lessing bis Brynhildsvoll vor, statt anhand konkreter Beispiele die Essenz dieser Verdikte herauszufiltern. Hinzu kommen kontinuierlich gesetzte Wiederholungen von Erkenntnissen, welche hinsichtlich von Unvermeidbarkeit das "Amen" im Gebet übertreffen und mit der Zeit wie Seitenfüller wirken, sowie die Illusion teilweise fehlender Verknüpfungen des Recherchierten, hervorgerufen durch eben erwähntes Playback und das bloße Zitieren unterschiedlicher Konzepte im ersten Teil der Arbeit mit nur sporadisch vorhandenem Reflektieren. Demgegenüber stehen neben dem erwähnten kriminalpsychologischen Ansatz eine nicht verkennbare ausgewogene Recherche, eine ausgeprägte Kenntnis der Autorin hinsichtlich der deutschsprachigen horrorliterarischen und (Klein-)Verlagsszene und die Anwendung der Analyse anhand konkreter Fallbeispiele.

Fazit: Mit "Unheimliche Szenerien - Schauplätze des Grauens" präsentiert Silvia Marosi eine gute, wenn auch nicht vollkommen ausgewogene Studie zu Typen und Funktion von Innenraumdarstellungen in der (deutschsprachigen) Horrorliteratur, welche den Leitsatz "Weniger ist mehr" hätte respektieren sollen. Leider bleiben auch bestimmte populäre Räume der Horrorliteratur, wie etwa Nervenheilanstalten, unbesprochen. Bis auf sporadisch auftretende Rechtschreib- beziehungsweise Tippfehler gibt es am Lektorat des EDFC nichts auszusetzen, jedoch am Layout: Wenn die Qualität mancher Abbildungen nicht gerade zu einem Freudensprung anspornen und zwei, drei Bilder überhaupt pixeliger als jedes C64-Spiel daherkommen, dann fällt der Griff ins Portemonnaie umso schwerer.

Anmerkung: Der angegebene Preis von € 15,00 gilt für den Buchhandel; auf diesen bezieht sich auch die Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Abonnenten und Mitglieder des EDFC zahlen für dieses Produkt € 9,25.

Michael Höfel



Taschenbuch | Erschienen: 01. August 2006 | ISBN: 9783932621895 | Preis: 15,00 Euro | 260 Seiten | Sprache: Deutsch

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