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 Crusader Kings

Complete Pack

Produzenten: Paradox Interactive
Verlag: Koch Media

Cover
Gesamt +++++
Action
Anspruch
Aufmachung
Bedienung
Bildqualität
Glück
Spannung
Spielregel
Strategie
Ton
Innovationen sind auf dem Markt der PC-Spiele leider eine Seltenheit geworden. Während Grafik und Spielmechanik immer besser ausgereizt werden, mangelt es an neuen Ideen und frischen Einflüssen. Um so glücklicher kann sich der Spieler nennen, dem doch wieder mal ein Meisterwerk in die Finger gerät, das neue Wege beschreitet und ein aufregendes Konzept bietet.
"Crusader Kings" ist eine dieser raren Ausnahmen. Entstanden im Jahr 2004 auf Grundlage des Strategiespiels "Europa Universalis II", wurde dieses Spiel vom Publisher Paradox Interactive - damals noch Paradox Entertainment - auf den Markt geworfen. Großer Erfolg war dem Spiel nicht beschieden, da es unter Bugs, ein paar unausgegorenen Mechanismen und einer schlecht umgesetzten Oberfläche litt. Doch wer damals "Crusader Kings" nur kurz anspielte und dann wieder enttäuscht von seiner Festplatte verbannte, verpasste eines der originellsten und faszinierendsten Strategiespiele der jüngeren Spielgeschichte. Denn in "Crusader Kings" führte der Spieler eine mittelalterliche Dynastie zwischen dem späten 11. und dem frühen 14. Jahrhundert - durch Kreuzzüge, Pestepidemien, Kirchenkriege und den Mongolensturm. Das süchtigmachende Spielprinzip lässt einen so schnell nicht los.

Im Jahr 2008 kehrt "Crusader Kings" in den deutschen Handel zurück, in Form eines Complete Pack. Dieses enthält das Hauptspiel sowie das Add-on "Deus Vult", das zahlreiche Neuerungen einführte und dem ohnehin schon spannenden Spiel neue Facetten hinzufügte. Wer das Add-on noch nicht hat, sollte ebenso zugreifen wie potentielle Neuanfänger.

Wie spielt sich das Complete Pack nun? Am Anfang wählt man in einer gewünschten Epoche ein Königreich, Herzogtum oder eine Grafschaft seiner Wahl und übernimmt die entsprechende Herrscherfamilie. Gewählt werden können allerdings nur katholische und orthodoxe Dynastien; muslimische und heidnische Clans bleiben außen vor. Als Oberhaupt der Familie entscheidet man über die Vorgänge in seinen Provinzen. Da müssen Manufakturen, Handelshäfen und Turnierplätze errichtet werden, da müssen Bündnisse mit Nachbarn geschmiedet und vor allem die Besteuerung der vier Stände (Adel, Bürgertum, Klerus und Bauernschaft) eingestellt werden.
Vor allem aber führt man seinen Hof an. Denn in jedem Land leben bis zu drei Dutzend Personen verschiedener Adelsfamilien. Jede Figur - und das ist das außergewöhnliche an "Crusader Kings" - hat seine eigenen Werte, seine eigene Geschichte, seine eigenen Ziele und menschlichen Schwächen. Da gibt es intrigante Eiferer, romantische Frohnaturen, kleinkarierte Rechenschieber oder vergeistigte Kirchenknechte; fehlgeleitete Ritter, wollüstige Hofdamen und großspurige Diplomaten. Einige neigen zu Schwermut, andere leiden an seltenen Krankheiten; einige haben sich dem Zölibat verpflichtet, während andere vom Papst exkommuniziert wurden. Zudem bestehen zwischen den Personen reiche Beziehungsgeflechte: der ein oder andere Höfling hat einen Rivalen aus der Kindheit, andere entbrennen zu einer schönen Hofdame in Liebe oder pflegen Freundschaften zu einem früheren Jagdgenossen. Und natürlich haben viele von ihnen Ehepartner und Kinder - allen voran der Herrscher. Denn natürlich muss er einen fähigen männlichen Nachkommen vorweisen, wenn die Dynastie auch weiterhin bestehen soll. Doch die Kindersterblichkeit ist hoch, und nicht jede angetraute Dame bringt einen Erben zur Welt. Da heißt es, geschickt mit den Erbfolgegesetzen zu spielen, um die Nachfolge zu sichern. Der ein oder andere unfähige Sohn kann übrigens auch durch einen Meuchelmörder zur Strecke gebracht werden ... was allerdings dem Prestige und der Pietät des betreffenden Herrschers nicht sehr förderlich sein dürfte.
Fünf Hofämter dürfen verteilt werden: ein Marschall sorgt für die Einberufung der Truppen und zieht mit diesen in die Schlacht, ein Schatzmeister kümmert sich um die Verwaltung der Güter, ein Kanzler sorgt für gute Verträge und Heiratspartien mit anderen Ländern und ein Diözesenbischof vertritt den Herrscher innerhalb der Kirche. Diese ruft hin und wieder zur Befreiung Jerusalems oder anderer besetzter Provinzen auf. Dann zieht die europäische Christenheit gegen die Muslime in die Schlacht. Armeen werden mit einem raschen Klick ausgehoben (die Zusammenstellung ergibt sich aus der jeweiligen Macht der vier Stände) und Vasallen unterstützen dabei ihren Lehnsherrn (solange sie loyal sind). Die Armeen werden automatisch verschifft und stürzen sich dann in den Kampf. Bei diesem kann übrigens einiges schief gehen: der führende Kommandant kann verwundet werden oder in Gefangenschaft geraten. Und ist man selbst Vasall, kann es passieren, dass der Lehnsherr einen ungünstigen Frieden aushandelt ... obwohl man selbst längst die Festung des Feinds geknackt hat.
Um Kriege zu beginnen, benötigt man im Übrigen einen Claim, das heißt einen legitimen Anspruch. Der wird, wie auch Besitz, über komplexe Erbgesetze weitergegeben. Durch geschicktes Einheiraten kann man sogar selbst in den Genuss einzelner Claims kommen - oder man erhebt einfach Anspruch auf die Provinz eines Nachbarn, was allerdings Prestige kostet. Hat man genügend Provinzen einer Region erobert (oder friedlich geerbt), kann man sich zum Herzog oder gar zum König ernennen. Da aber auch die Feinde nicht schlafen, sollte man sich mit seinem Lehnsherrn gutstellen. Denn die Bündnisse in "Crusader Kings" sind eher lose, und man kann nicht auf Bündnistreue hoffen.
Von besonderer Bedeutung sind die Events (Ereignisse), die immer wieder in aufpoppenden Fenstern gezeigt werden. Hier zeigt sich die ganze Atmosphäre des Spiels, denn die meisten der Ereignisse sind personenbezogen und erwecken die Figuren erst so richtig zum Leben. Da erfährt man etwa, dass sich der Sohnemann beim Reiten den Fuß verletzt hat und fortan mit einem Klumpfuß herumlaufen muss. Schlecht für den Ruf als Militärführer! Oder der bigotte Bischof schwärzt einen in Rom an, und eine Exkommunikation droht. Oder die eigene Gattin beginnt eine Liebelei mit dem Schatzkanzler - soll man ihn vom Hof verbannen oder die Schmach ertragen? Dann wieder revoltieren die Bauern in einer Provinz wegen der hohen Steuerlast - was früher oder später zur Abspaltung dieses Landstrichs führen kann. Um das zu vermeiden, gilt es, mit den Rebellen zu verhandeln ... oder soll man doch lieber ein Heer in die Provinz schicken? Und wie hält man es mit den Geldverleihern, die einen großzügigen Kredit gewährt haben? Ausbezahlen oder auf Druck der Kirche des Landes verweisen? Wie geht man mit dem Bastardsohn um, der mit zunehmendem Alter immer mehr Ansprüche stellt? Und wie verfährt man mit einem aufmüpfigen Mündel, das der Lehnsherr an den Hof entsendet hat?
Der Reichtum an Möglichkeiten ist immens. Hinzu kommen die verschiedenen Ereignisse, die sich erst im Lauf der Zeit ergeben. Ketzer marodieren in den christlichen Hochburgen, die Pest bricht aus, die Mongolen erscheinen überraschend im europäischen Kernland und nehmen mit ihren Reitertrupps alles auseinander. Auch die Kreuzzüge können - ganz und gar ahistorisch - außer Kontrolle geraten und zu einem Emirat Irland oder einem Scheichtum in der Normandie führen.

Das alles klingt nicht unkompliziert. Tatsächlich ist "Crusader Kings" aber sehr viel zugänglicher als etwa "Europa Universalis 3", zumal sich die Oberfläche durch das Add-on wesentlich verbessert hat und nun endlich auch mit einem Archiv, einer "Heiratsbörse" und Anzeigemarkern ausgestattet wurde. Überhaupt hat "Deus Vult" das Spiel nochmals kräftig aufgewertet und durch unzählige Facetten (Mündel, Rivalen, Freunde, verbesserte Kreuzzüge) erweitert. Ganz bugfrei ist das Spiel aber auch nach 4 Jahren nicht. Gelegentlich kommt es noch immer zu Abstürzen, und auf älteren Rechnern neigt "Crusader Kings" gar zur Langsamkeit, da hier in jeder Spielsekunde unzählige Berechnungen durchgeführt werden. Auch die Grafik ist natürlich mehr zweckgebunden denn zeitgemäß, weiß aber durch Übersichtlichkeit und Stimmigkeit zu überzeugen. Das Spiel selbst ist und bleibt ein Meisterwerk der Originalität und begeistert durch sein Spielkonzept, durch seine überraschenden Features und den Reichtum an Themen und Ideen. "Crusader Kings" mag nicht perfekt sein und für den einen oder anderen auch einen i-Tüpfelchen zu komplex oder zu schwer, aber es zählt auch im Jahr 2008 noch zu den seltenen Spielperlen, die man einfach nicht verpassen darf.

Hagen Hoffmann



CD | CD-Anzahl: 1 | Erschienen: 1. August 2008 | Originaltitel: Crusader Kings | PC | Preis: 14,45 Euro

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