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 Der kleine Bruder

Autoren: Sven Regener
Sprecher: Sven Regener
Verlag: Roof Music

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


November 1980: Am Ende von "Neue Vahr Süd", Sven Regeners zweitem Roman über das Leben von Frank Lehmann, setzt sich Frank zusammen mit seinem Kumpel Wolli ins Auto und macht sich nach Berlin auf, um dort seinen Bruder Manni zu besuchen. Genau hier setzt der dritte Teil der Reihe ein - "Der kleine Bruder" schließt die zeitliche Lücke zwischen "Neue Vahr Süd" und "Herr Lehmann" und umfasst einen Zeitraum von gerade einmal zwei Tagen.

Als Frank in Berlin ankommt und nach langem Suchen die WG seines Bruder ausfindig gemacht hat, stellt sich raus, dass Freddy, wie hier alle seinen Bruder nennen, gar nicht da ist. Wo er ist, weiß aber keiner, auch nicht Freddys Freunde, was Frank ziemlich komisch vorkommt. Was nun folgt, sind eine Suche durch Berlin, immer wiederkehrende Fragen nach Freddys Verbleib, der Besuch von Parties, ein Eintauchen in die Kunst- und Hausbesetzerszene Berlins und viele, viele sinnlose Gespräche. Frank Lehmann ist also wieder in seinem Element und darf über seine Umgebung, die Menschen und das Leben im Allgemeinen sinnieren. Der Zusatz "dachte er", den Sven Regener ja an die meisten Sätze von Frank anhängt, fällt hier aber insgesamt seltener als bei den beiden Vorgängerromanen. Das liegt zum einen daran, dass das Buch - oder in diesem Fall Hörbuch - deutlich kürzer ausgefallen ist, und zum anderen, dass deutlich weniger passiert und Frank deshalb weniger clevere Gedanken hat. Böswillig könnte man sagen, dass hier einfach auf fünf CDs rumgelabert wird - unterhaltsam zwar, aber Gelaber ist es trotzdem.

Das zeichnet natürlich die Frank Lehmann-Romane irgendwie aus, dass die Personen alle handeln und reden wie im echten Leben, und nicht wie in irgendwelchen aufregend inszenierten Geschichten. Im wahren Leben wird ja auch eigentlich sehr viel über Nichtigkeiten gequatscht, und genau das tun Frank und die Kumpels seines Bruder dann auch lang und breit (einige großartige und absurde Momente gibt es aber trotzdem). Dabei besucht der schräge Trupp verschiedene Orte, unter anderem Punkkneipen, besetzte Häuser, schräge Konzerte, Lesungen und Kunstgalerien, aber wirklich passieren tut hier eigentlich nichts. Das hat dem Roman bereits viel Kritik eingebracht. Er ist weniger tiefgründig und unterhaltsam als die anderen beiden Bücher, allerdings charakterisiert er auch wunderschön den Zustand, in dem Frank sich zwei Tage lang befindet, als er sich, auf der Suche nach dem großen Bruder, mehr oder weniger von einem Ort zum nächsten treiben lässt: Er hängt einfach in der Luft.
Beim Bund gerade entlassen, setzt Frank seine Hoffnungen in Berlin und seinen älteren Bruder, der doch eigentlich wissen müsste, was als nächstes zu tun ist - und dann ist der große Bruder einfach nicht auffindbar und es stellt sich raus, dass Frank sowieso der Vernünftigere von beiden ist. Dass Frank ihn natürlich doch ausfindig macht - was einer gewissen Traurigkeit nicht entbehrt -, wissen wir aus "Herr Lehmann". Und endlich erfahren wir auch, wie Karl Franks bester Freund wird.

Wer von dieser Erzählung eine richtige Handlung erwartet, wird sicher enttäuscht, wer aber ganz allgemein Frank Lehmann und seine Art, über die Welt nachzudenken, mag, der wird auch diesen kurzen Einschub mögen, zumal auch die Berliner Kunstszene jener Jahre und Berlin an sich teilweise ad absurdum geführt werden. Auch wer sich in miefigen Kneipen wohlfühlt und einige Einblicke in die Punkszene hatte, wird häufiger schmunzeln müssen.

Das Hörbuch aus dem Haus Roof Music wurde, wie die anderen Teile der Serie auch, vom Autor persönlich und ungekürzt eingelesen. Man kann Sven Regeners Art zu lesen eigentlich nur lieben oder hassen, in diesem Fall trifft ersteres zu. Er liest schnell, eigentlich viel zu schnell, und diese unglaublich langen Sätze ohne Punkt und Komma wirken in dem Tempo bisweilen ziemlich nervig - aber auch ganz und gar authentisch. Die Lesung wirkt auch auf nette Art persönlich, denn teilweise verspricht Regener sich mal kurz, und stets hört man das Umblättern der Buchseiten, das oft mit einem kurzen Stocken verbunden ist. Ärgerlich ist allerdings die Trackeinteilung, die sich nach den Buchkapiteln richtet, und das führt dazu, dass manche Tracks weit über zwanzig Minuten dauern, was bei einem Hörbuch heutzutage einfach nicht mehr geht.

Fazit: "Der kleine Bruder" schlägt eine Brücke zwischen den Geschehnissen von "Neue Vahr Süd" und "Herr Lehmann". Es ist nicht so gut wie die anderen beiden Romane, aber wer Frank Lehmann unwiderstehlich findet, dem wird auch dieser eher kurze Ausflug gut gefallen. Die Lesung von Sven Regener ist gewohnt schnell, geprägt von seinem leichten Bremer Dialekt und sehr sympathisch - man kann sie aber auch sehr nervig finden, je nachdem, wie gut man sich auf die Geschichte konzentrieren kann und will. Gelaber auf hohem Niveau - authentisch, liebenswert und irgendwie auch belanglos, aber schön anzuhören.

Christina Liebeck



CD | CD-Anzahl: 5 | Erschienen: 01. August 2008 | ISBN: 9783938781791 | Laufzeit: 324 Minuten | Preis: 24,95 Euro

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