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 Hiob

Roman eines einfachen Mannes

Autoren: Joseph Roth
Regisseure: Alexandra Sternbach
Sprecher: Peter Matic
Verlag: Diogenes

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ton


Mendel Singer ist ein einfacher, gottesfürchtiger Jude wie so viele im Russland des frühen 20. Jahrhunderts. Er verdient das Nötigste für den Lebensunterhalt mit Religionsstunden für jüdische Kinder und fühlt sich gesegnet, weil er eine zufriedene Ehe führt und drei gesunde Kinder hat.
Dann aber schlägt das Schicksal - oder, wie der fromme Jude glaubt, Gottes Zorn - zum ersten Mal zu: Den Singers wird ein behinderter Sohn geboren, Menuchim. Für die Familie ist Menuchims Existenz eine harte Prüfung.
Und Gott setzt Mendel Singer weiter zu; die beiden Söhne Schemarjah und Jonas werden zum zaristischen Militär einberufen. Die Mutter kann bewirken, dass Schemarjah nach Amerika flüchtet, während Jonas die Armee als eine Möglichkeit zur Flucht aus dem orthodoxen Elternhaus ansieht und gerne der Einberufung folgt. Die Tochter Mirjam entflieht der Enge des Elternhauses durch Liebschaften mit den im Ort stationierten Kosaken.
Als Schemarjah, der sich mittlerweile Sam nennt, die Familie nach Amerika holen möchte, folgen Mendel Singer und seine Frau der Einladung erst nach langem Zögern. Einerseits hoffen sie, Mirjam dem Einfluss der Kosaken zu entziehen, andererseits müssen sie den behinderten Menuchim zurücklassen.
Erst in Amerika erkennt Mendel Singer, dass er Menuchim vielleicht am meisten von seinen Kindern geliebt hat. Und die Schicksalsschläge reißen nicht ab. Der Weltkrieg verschlingt Mendels Söhne, die Tochter wird schwer krank. Schließlich steht Mendel Singer ganz allein da und wendet sich von dem Gott ab, der ihn aus unerfindlichen Gründen so geschlagen hat wie den biblischen Hiob.
Da vollzieht sich die Wende, und Mendel Singer erhält wenigstens zum Teil in unerwarteter Form das zurück, was ihm auf brutale Weise genommen wurde.

Joseph Roth, selbst Jude aus Galizien, der Heimat seines Protagonisten, porträtiert einfühlsam, anschaulich und ohne zu viel Pathos den Werdegang eines "einfachen Mannes", wie der Untertitel Mendel Singer ja auch bezeichnet. Bis zur Geburt Menuchims lebt Mendel Singer arm, doch im Einklang mit seinem Gott.
Was er dann erlebt, ist eine von Joseph Roth meisterlich konzipierte Verknüpfung zweier biblischer Erzählungen, zum einen der bekannten von der Heimsuchung Hiobs, der von Gott mittels unmenschlicher Schicksalsschläge auf die Probe gestellt wird, zum anderen der Josefslegende, in der der Lieblingssohn des jüdischen Stammvaters Jakob von seinen eifersüchtigen Geschwistern gequält und an Fremde verkauft wird, so wie Menuchim von seinen Geschwistern gehasst und misshandelt und von den Eltern schließlich in Galizien zurückgelassen wird. Der biblische Josef bringt es in der Fremde zu Ansehen und Reichtum und verzeiht seiner Familie, als diese beim Wiedersehen auf ihn angewiesen ist. Analoges geschieht auch in Joseph Roths Roman.
Joseph Roth hat gern unauffällige Menschen aus dem Volk zu Protagonisten seiner Werke gemacht, die, meist nach einem Schicksalsschlag, in Verstrickungen geraten und schließlich in die Katastrophe abgleiten. Mendel Singer ist in dieser Hinsicht eine typische Joseph-Roth-Figur. Sehr liebevoll beschreibt Roth zudem das jüdisch-orthodoxe Leben, gleichsam von innen heraus und dennoch so, dass auch Nichtjuden sich leicht in die Geschichte einfinden und sich ein Stück weit mit den Charakteren identifizieren können, die nicht nur einer für uns bereits fremden Epoche entstammen, sondern auch einer sich Außenstehenden nicht ohne Weiteres erschließenden Subkultur Osteuropas. Mendel Singer ist dem Leser sympathisch, weil er ganz typisch menschliche Regungen aufweist, Loyalitätskonflikte, Verzweiflung und Resignation erfährt. Daher leidet der Leser mit ihm und stellt sich selbst die Frage nach dem Sinn des Lebens und, sofern er gläubig ist, göttlicher Gerechtigkeit und Willkür.
"Hiob" gehört sicherlich zu Joseph Roths besten Werken. Peter Matic liest den Roman packend und einfühlsam und macht ihn zu einem bewegenden Hörerlebnis, sodass auch die Hörbuchfassung von Diogenes sehr zu empfehlen ist. Die fünf CDs werden in der für Diogenes-Hörbücher typischen Aufmachung angeboten: einzeln in festen Kartonhüllen, die sich zusammen mit dem schön gestalteten Booklet in der ansprechenden Schachtel aus hochwertigem Karton befinden. Eine rundum gelungene Ausgabe eines großen Romans!

Regina Károlyi



CD | CD-Anzahl: 5 | Erschienen: 01. Oktober 2008 | ISBN: 9783257802153 | Laufzeit: 372 Minuten | Preis: 29,90 Euro

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