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 Der Horrorfilm - Monster, Mythen und Mutanten

Versuch einer Genreanalyse


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Preis - Leistungs - Verhältnis


Seit den achtziger Jahren hat die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Horrorfilm eine langsam aber stetig steigende Konjunktur erfahren, während Debatten über die Ästhetisierung des Grauens und die audiovisuelle Darstellung des Zumutbaren angesichts einer Renaissance der Splatter-Filme aktueller denn je sind. Auch an mancher Universität hat die Beschäftigung mit der Gattung des Horrorfilms und seiner kaum greifbaren Dimension an Möglichkeiten und Subgenres Einzug gehalten; man erkennt, dass nicht jeder Vertreter dieses (Super-)Genres aufgrund seiner filmischen Zugehörigkeit gleich das Prädikat der Unseriösität oder gar Abartigkeit verdient. Als Beleg für diese Entwicklung darf etwa Jonas Morgenthalers Studienarbeit "Der Horrorfilm - Monster, Mythen und Mutanten" herangezogen werden, welche im Rahmen eines gesellschaftswissenschaftlichen Proseminars an der Universität Freiburg in der Schweiz abgefasst worden ist - aber nur hierfür, nicht etwa als Idealtypus wissenschaftlichen Arbeitens!

Seine rund zwanzig Seiten umfassende Studienarbeit konzipiert Morgenthaler folgendermaßen: Nach einer einleitenden Einführung, in welcher Zielsetzung und Aufbau vorgestellt werden, geht er auf unterschiedliche Definitionen von Horror(film) ein und präsentiert in einem äußerst knapp gehaltenen filmhistorischen Abriss die Entwicklung des Genres. Weitere sieben Seiten nimmt die Vorstellung von psychoanalytisch und soziologisch orientierten Interpretationsansätzen ein, bevor das Schlusswort den geschockten Leser wie in Trance ob des zum Fenster hinausgeworfenen Geldes zurücklässt.

Sprechen die Angaben des Verlages die Wahrheit, so wurde die vorliegende schweizerische Studienarbeit mit einer Sechs bewertet, was in Deutschland einer Eins entspräche. Dies kann spätestens mit der Lektüre des Schlusswortes kaum mehr nachvollzogen werden. Gewiss, in der schriftlichen Arbeit eines (Pro-)Seminars soll hinsichtlich des Umfangs und des Erkenntnisgewinns keineswegs die Diplomarbeit oder Dissertation vorweggenommen werden. Doch Jonas Morgenthaler ist mit der vorliegenden Arbeit über den Horrorfilm auch weit davon entfernt. Allein der Gedanke, eine solch immens umfassende Gattung wie den Horrorfilm auf rund zwanzig Seiten vorstellen zu wollen, kommt einer Selbstüberschätzung in reinster Vollendung gleich - was den Autor nicht davon abgehalten hat, dieser nachzukommen. Anstatt den Horizont des Arbeitsthemas einzuschränken und näher etwa auf die aktuellen gesellschaftswissenschaftlichen Interpretationsansätze oder Tendenzen beispielsweise des Horror-Exploitationfilms von den Sechziger bis Achtziger Jahren einzugehen, gedenkt er allem Anschein nach es namhaften Autoren wie Georg Seeßlen gleichzutun - auf wohlgemerkt zwanzig Seiten, während es eine umfassende Monografie Seeßlens auf gut und gerne 1100 Seiten bringt und auch andere (nicht nur film-)wissenschaftliche Studien zum Horrorfilm mehr sind als bloße Gute-Nacht-Lektüre in luftig-leichter Broschurform.

Unter diesen Aspekten leidet vor allem der Inhalt des vorliegenden Heftes: Die vorgestellten Definitionsmöglichkeiten und -vorschläge diverser Filmkritiker und Autoren beschränken sich auf eine polarisierte Definitionslandschaft, ohne die riesige definitorische, untereinander widersprechende Grauzone zwischen den beiden Extrempositionen auch nur ansatzweise vor Augen zu führen. Der Überblick zur Entwicklung des Horrorfilms kann nur eine Handvoll Tendenzen und Strömungen präsentieren und hier auch nur in unausgewogener Gewichtung. So erwähnt der Autor etwa mit George A. Romeros "Night of the Living Dead" einen Klassiker des Zombiefilms, ohne aber auch nur ein einziges weiteres Wort über dieses Subgenre zu verlieren; gleichzeitig findet der italienische Kannibalenfilm durchaus Erwähnung, wenn auch aufgrund des eingeschränkten Seitenvolumens nur in geringem Maße. Ein weiterer Fehler von Morgenthaler ist die stellenweise Absenz der Reflexion des recherchierten Materials, etwa wenn er Paul Wells? Auffassung vom Teufel als "Archetyp aller Monsterfiguren" übernimmt, während er einen Absatz zuvor noch die mündlich tradierten Mythen und Volksgeschichten als "Ursprung vieler Monstertypen" verantwortlich macht. Zur Entstehung der Horrorkomödie während des Zweiten Weltkrieges weiß er wiederum mit Barry Sonnenfelds "The Addams Family" (1990) kein zeitgenössisches Beispiel zu geben. Weiter nimmt es der Autor mit dem wissenschaftlichen Arbeiten zeitweise nicht so genau, so findet sich ein mehrmals zitiertes sekundärliterarisches Werk nicht in der Liste der konsultierten Literatur.

Wie gesagt, eine Seminararbeit sollte keine bahnbrechenden Erkenntnisse ziehen oder den zeitgenössischen Diskurs in seiner Gesamtheit umstülpen, dementsprechend sollte also Nachsicht geübt werden? Zweifelsohne, hätte Morgenthaler nicht den fatalen Fehler gemacht, seine Studienarbeit auf den freien Buchmarkt loszulassen. Angesichts des zu dieser Thematik vorhandenen Angebotes gestaltet sich Morgenthalers Veröffentlichung als absolut überflüssig und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist - ja, man kann es nicht in andere Worte kleiden - eine Anmaßung unvergleichlichen Charakters. Der Verlag wiederum möchte anscheinend nicht hinter dem Autor zurückstehen: Für den angeschlagenen Preis hätte wenigstens ein anständiges Layout drinnen sein können und als Print-on-Demand-Verlag kennt auch der GRIN Verlag das für den Leser zermürbende Symptom von Lektoratsabstinenz.

Der zweitgrößte Fehler Morgenthalers war es, keine Eingrenzung innerhalb der weitläufigen Thematik des Horrorfilms zu treffen. Der größte Fehler jedoch war seine Entscheidung, den Buchmarkt mit einer - für diesen - total überflüssigen Arbeit zu inkommodieren. Mit einem Wucherpreis von 12,99 Euro ungeniert überteuert und in ein Layout gekleidet, welches zu wünschen übrig lässt, hätte der Verlag seiner Natur als Book-on-Demand-Unternehmen zum Trotz von einer Veröffentlichung absehen sollen, denn eine Kaufempfehlung kann und darf an dieser Stelle einfach nicht ausgesprochen werden!

Michael Höfel



Magazin / Heft | Erschienen: 1. Oktober 2007 | ISBN: 9783638817882 | Preis: 12,99 Euro | 20 Seiten | Sprache: Deutsch

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