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 Ambrose Bierce

Allein in schlechter Gesellschaft

Autoren: Roy Morris
Übersetzer: Georg Deggerich
Verlag: Haffmans

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Preis - Leistungs - Verhältnis
Der amerikanische Historiker und Bürgerkriegsspezialist Roy Morris hat sich mit seiner Biografie über den Schriftsteller und Journalisten Ambrose Gwinett Bierce einer Gestalt der amerikanischen Literaturgeschichte angenommen, deren Leistung vor allem in der literarischen Verarbeitung seiner Bürgerkriegserlebnisse zu sehen ist. Der 1842 in Indiana geborene Bierce nahm von seinem 18. Lebensjahr an vier Jahre lang als Soldat auf Unionsseite am Kampf gegen die Südstaaten teil, erlebte dort die ersten Schusswechsel und die blutigsten Schlachten des gesamten Krieges mit. Er arbeitete später als Journalist für verschiedene Zeitungen in San Francisco und verfasste morbide und zynische Kurzgeschichten über den Krieg, aber auch Horror- und Lügengeschichten sowie Fabeln. Darüber hinaus war er Amerikas gefürchtetster Denunziant in einer Zeit, da man mit der wortgewandten öffentlichen Bloßstellung und Beleidigung von Mitmenschen zu journalistischem Ansehen gelangen konnte. Aber weder sein wachsender Bekanntheitsgrad noch seine Ehe mit Mary Day, aus der drei Kinder hervorgingen, konnten ihn von seinem Außenseiterdasein erlösen. Sein mysteriöses Verschwinden Anfang 1914 - seine Leiche wurde nie gefunden - war nur der Höhepunkt zunehmender Vereinsamung und bot Platz für zahlreiche Geschichten und Gerüchte.

Morris folgt dem Lebensweg des Zynikers, wobei sein Hauptaugenmerk auf den grausamen Bürgerkriegsschlachten und den Jahrzehnten in oder bei San Francisco liegt. Kindheit und Jugend nehmen aufgrund der dürftigen Quellenlage nur wenig Platz ein. Im letzten Kapitel räumt der Autor nachvollziehbar mit den verschiedenen unbewiesenen Spekulationen zu Bierce' Lebensende auf, die von der Teilnahme an der mexikanischen Revolution bis zum gut vorbereiteten Selbstmord im Grand Canyon reichen.

Allgemein hält sich Morris an Fakten, die er neben Bierce' Berichten und Aufzeichnungen auch zahlreichen Briefen, Militärakten und den Erwähnungen der Bierce umgebenden Menschen entnimmt. Um diese Textzeugnisse herum konstruiert er ein lebendiges Bild von dem Schriftsteller und seiner Zeit und bedient sich einer locker-unterhaltsamen, aber nie unseriös wirkenden Ausdrucksweise, in der die Faszination für die historische Figur oft durchschimmert und auf den Leser überzugreifen vermag.
Daneben versucht Morris auch, dem Charakter des "Wickedest man of San Francisco" auf den Grund zu gehen. Hierbei rückt das Thema Tod immer wieder ins Zentrum, mit dem er schon in frühester Kindheit, dann besonders grausam im Krieg und später im Freundeskreis und in der Familie - einzig seine Tochter Helen überlebte ihn - immer wieder konfrontiert wurde und das nach Morris maßgeblich den Zyniker in Bierce genährt hat. Auch andere Aspekte wie seine Ablehnung der Ehe - auch seiner eigenen: Er zog das Leben fern der Familie vor -, die Befürwortung des Selbstmordes und seine antidemokratische Einstellung zur Politik werden beleuchtet. So entsteht ein Bild von "Bitter Bierce" als einem scheinbar unnahbaren Zyniker und Nörgler, der aus seiner zeitlebens selbstgewählten Isolation heraus verächtlich die Welt im Allgemeinen und den "ewigen Schafskopf, den Durchschnittsmenschen" im Speziellen kommentiert und verspottet, seine Kriegserlebnisse ohne Glanz und Glorie schonungslos zu Papier bringt und selten Worte über sich und seine Gefühlswelt verliert - Morris interpretiert diese bisweilen nur aus den Kurzgeschichten, in denen er Parallelen zu Bierces Leben sieht. Den Untertitel der Biografie hat Morris insofern gut gewählt: Er stellt den Eintrag "allein (adj.) - in schlechter Gesellschaft" aus "Des Teufels Wörterbuch" dar, einer Sammlung Biercescher Neudefinitionen von Alltagsbegriffen, die er zuerst in den Zeitungen veröffentlichte, bevor sie zu dem eigentlichen Lexikon zusammengefasst wurden.

Das Buch kommt als Hardcover mit Plastik-Schutzumschlag daher, der Bierce neben seinem Schreibtisch und mit Totenkopf zeigt. Auf die Danksagung folgen die nach den zwölf Kapiteln sortierten Anmerkungen, eine ausführliche Bibliografie und ein Register.

Morris hat gute Arbeit geleistet, auch wenn sich der Bürgerkriegsexperte sowohl bei der oft sehr brutalen Darstellung der Bürgerkriegsgräuel als auch in den Exkursen zur historischen oder gesellschaftlichen Umgebung des Ausnahme-Schriftstellers allzu gerne in Details ergeht. Man gewinnt ein stimmiges und faszinierendes Bild von Amerika in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und von Bierce' teilweise skurriler Rolle darin. Dank der guten Übersetzung von Georg Deggerich liest sich die Biografie flüssig und fesselnd, so dass man über die grammatisch nicht immer exakte Integration von Zitaten in den Text gerne hinweg sieht. Eine sehr empfehlenswerte Biografie, allerdings sollten zartbesaitete Leser die Bürgerkriegs-Kapitel überspringen.

Stefan Knopp



Hardcover | Erschienen: 1. März 1999 | ISBN: 9783251202867 | Originaltitel: Ambrose Bierce - Alone in bad company | Preis: 16,99 Euro | 488 Seiten | Sprache: Deutsch

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