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 Walt Disneys wunderbare Welt und ihre Wurzeln in der europäischen Kunst


Cover
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Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Walt Disneys Zeichentrickfilme bilden eine eigenartige, faszinierende Schnittstelle aus Kinder- und Erwachsenenunterhaltung, leichter Muße und Vermittlung von gehaltvollen Botschaften, Kitsch und Kunst. Dem Charme dieser Filme können sich die wenigsten Menschen entziehen - im Allgemeinen auch solche nicht, die sonst Zeichentrickfilmen nicht viel abgewinnen.
Selten macht man sich Gedanken darüber, welchen Quellen Walt Disney und seine Mitarbeiter die Ideen zu den Filmen entnahmen. Mit diesem höchst interessanten Thema befasst sich eine Ausstellung in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München, die bis zum 25. Januar 2009 zu sehen ist.
Das hier besprochene Buch dient als Katalog zu dieser Ausstellung, ebenso jedoch als Bild- und Sachband zum Thema. Schon die ersten Doppelseiten stellen großformatig Bilder bekannter europäischer Maler und Zeichnungen aus Disney-Filmen einander gegenüber, die eine klare Verwandtschaft erkennen lassen. Hierauf folgen das Vorwort und einige Ausführungen zur Ausstellung, an die sich acht Kapitel anschließen. Diese beleuchten Disneys Schaffen aus unterschiedlichsten Perspektiven; dem Einfluss der europäischen Kunst und Literatur auf seine Filme kommt stets mehr oder weniger große Bedeutung zu.
Im ersten Kapitel wird hinterfragt, warum Walt Disney überhaupt eine Museumsausstellung gewidmet wird, im zweiten lernt der Leser die Erfolgsgeschichte des Visionärs Disney kennen, wobei Disneys zentrale Rolle für die Entwicklung erster abendfüllender Zeichentrickfilme betont wird. Der nächste Abschnitt ist betitelt "Disneys europäische Wurzeln" und zeigt auf, wie sehr sich nicht zuletzt Disneys Europareisen auf sein Werk auswirkten. Die Einflüsse von Filmen und Literatur aus Europa, aber bisweilen auch Amerika werden in einem weiteren Kapitel untersucht, des weiteren die Ursprünge der Architektur und Szenerie in Disneys Filmen.
Welche Hilfen Disneys Mitarbeitern zur Verfügung standen, nämlich zum einen anhand der Animation Research Library, großenteils von Disney selbst mit großem Aufwand zusammengetragen, und zum anderen die Ausbildung im Chouinard Art Institute, betrachten die zwei sich anschließenden Abschnitte, denen ein Kapitel über die Zusammenarbeit von Dalí und Disney folgt, die letztlich ohne abschließendes Resultat blieb.
Einen Großteil des Buchs nimmt naturgemäß der detaillierte Katalog ein. Danach erhält der Leser Informationen über die Einflüsse des Märchenkönigs Ludwig II. auf Disney. Abgeschlossen wird der Band von den Biografien Disneys und seiner wichtigsten Mitarbeiter, vor allem Ub Iwerks, einer Filmografie und einem Glossar.

Ein Buch als "Muss" für eine bestimmte Zielgruppe zu bezeichnen, ist immer vermessen. Dieses Buch freilich dürfte kaum einen Liebhaber von Disney-Filmen kalt lassen! Disneys gesamte Laufbahn, seine Inspirationsquellen, die Einflüsse seiner Mitarbeiter sowie Erfolge und Misserfolge werden in den einzelnen Kapiteln sach- und fachkundig erläutert. Wer sich nur über einzelne Aspekte informieren möchte, kann die individuell als weniger interessant empfundenen Kapitel problemlos überspringen - was freilich schade wäre, da sämtliche Abschnitte inhaltlich viel zu bieten haben und keineswegs in einem trockenen, zu "akademischen" Stil verfasst sind. Dem Leser erschließen sich nach und nach die vielen blitzenden Facetten von Disneys Leben und Werk.
Zentrales, doch, wie erwähnt, keineswegs einziges Thema ist der Einfluss der europäischen Kunst auf Disneys Filme. Künstler wie Caspar David Friedrich, Gustave Doré, Pieter Brueghel, Moritz von Schwindt und nicht zuletzt Dalí inspirierten Disney und seine Mitarbeiter; auch Szenen aus manchen Filmen wurden vereinnahmt, so eine Szene aus Murnaus "Nosferatu" und eine weitere aus Wegeners und Galeens "Der Golem" für den "Zauberlehrling aus "Fantasia" und die Balkonszene aus George Cukors "Romeo and Juliet" für Schneewittchen. Der Umstand, dass viele Zeichner ihren eigenen künstlerischen Hintergrund, in einem Fall auch chinesische Einflüsse, mitbrachten, wird keineswegs unterschlagen. Überhaupt gehen die Autoren der Texte viel auf die einzelnen Künstler aus Disneys Studios ein, und auch ihr erstaunliches Geschick bei der Animation findet eine angemessene Würdigung.
Verblüffendes bringt zudem das Kapitel zu Architektur und Szenerie zutage; wer würde sich beispielsweise ohne weiteres der Tatsache bewusst, dass Rothenburg ob der Tauber für Pinocchios Heimatort Pate stand?
Alle Kapitel sind reich bebildert und bieten nicht nur zahlreiche Beispiele für die erläuterten Sachverhalte, sondern immer wieder auch Fotos von Disney und seinen Mitarbeitern bei der Arbeit. Der Katalog bildet nicht sämtliche Exponate ab, da etliche einander offensichtlich ähneln; aufgeführt werden alle.
Selbst wer kein eingefleischter Disney-Fan ist, wird sich dem Zauber dieses Buches nicht entziehen können, das auf so spannende wie informative Weise die Hintergründe von Disneys Werk entschlüsselt. Ob man alle Disney-Filme gesehen hat oder nur ein paar: Respekt vor der Leistung der Künstler, auch hinsichtlich Disneys Recherche und Einfallsreichtum, kommt bei der Lektüre definitiv auf. Angesichts der hochwertigen Aufmachung und Druckqualität wirkt der Preis für diesen prächtigen Band geradezu günstig.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 01. November 2008 | ISBN: 9783777443751 | Originaltitel: Il était une fois - Walt Disney. Aux sources de l´art des Studios Disney | Preis: 39,90 Euro | 302 Seiten | Sprache: Deutsch

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