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 Soloalbum


Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
"Gleich stehen sie vor meinem Bett. Grnkwrommm." Die Polizei bricht soeben die Tür des Erzählers auf, da dieser nicht reagierte. Seine neue Freundin Isabell hatte sie informiert, nachdem er seit Tagen kein Lebenszeichen von sich gegeben hat. Er ist zunehmend in sich gekehrt und hat sich von der Gesellschaft losgesagt. Vor drei Wochen und zwei Tagen hat ihn seine Freundin Katharina verlassen und seither wird es immer schlimmer. Die neue Beziehung mit Isabell ist nur ein Trostpflaster, um sich irgendwie wieder lebendig zu fühlen. Doch es hilft nichts. Seinen Job als Musik-Journalist hat er gekündigt, um sich ganz den Gefühlen um Katharina zu widmen. Die kläglichen Versuche wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen missglücken, und er wird eher zum stillen Beobachter und heimlichen Lästermaul. Dementsprechend wird auch der Freundeskreis immer kleiner. Mittlerweile zählt er schon die Seite-eins-Mädchen der Bild-Zeitung dazu. Ablenkung aller Art funktioniert nicht und somit bleibt der Weg in die melancholische Musik von Oasis.
Es folgen weitere klägliche Versuche sich aufzurappeln, doch Sport ist einfach zu anstrengend. Die ganzen Sportler sind sowieso nur Idioten. Genau wie diese tolle Frau auf der schlechten Party. Sie wollte nicht einmal mit ihm knutschen. Kontakt zu Isabell vermeidet er immer noch. Dummerweise hat sie bald Geburtstag und ein Geschenk wird fällig. Die Ideen hierfür enden jedoch wieder in Überlegungen; diesmal über das merkwürdige Verhalten von Kindern, Familien und Gesundheitsfanatikern. Wenigstens findet sich ein Job als Beobachter am Arbeitsplatz in einer hippen Firma. Doch bald quält er sich auch hier nur noch durch. Der Besuch bei Katharina wegen ihres bestandenen Abis bringt ihm zu viel Gefühlschaos ein.
Ein baldiger Kurzurlaub an der Nordsee soll das ändern, doch schon meldet sich Katharina, die an das andere Ende Deutschlands gezogen ist, per Fax. Sie vermisst ihn. Die Ruhe ist vorbei und erneut muss das Katharina-Vergessens-Programm gestartet werden.

Der Ich-Erzähler durchlebt eine klassische Geschichte. Nach langjähriger Beziehung zu einem Mädchen, ebenfalls Anfang zwanzig, wird die Beziehung von ihr beendet. Das Fax verändert sein Leben, liebt er sie doch immer noch und, je mehr er darüber nachdenkt, mehr denn je. Er versucht mit seinem Gefühlsleben klar zu kommen und ruft sie an, legt auf, joggt und meckert an der Gesellschaft und sowieso an allen Liebenden herum. Er steckt mittendrin in seinem Soloalbum des Lebens, da die wenigen Gastspiele erfolglos bleiben.
Die Geschichte von der Liebe bekommt in diesem Werk ein neues Gesicht, auch wenn es genau das ist, was jeder genauso oder sehr ähnlich selbst schon erlebt hat. Die kunstvolle Darstellung des Musik-Journalisten in dieser Lebensnotlage ist außerordentlich authentisch und sorgt immer wieder dafür, dass der Leser mit dem Erzähler zu leiden beginnt. Interessanterweise macht es diese Lebenslage aber möglich, die Gesellschaft und das Verhalten selbiger einmal mit anderen Augen zu betrachten. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf den dunklen Seiten des Menschen, die er durch seine dunkle Lebenssituation erhält. Ohne Antrieb und ohne Ziel wird der Mensch ein anderer. Die Eintönigkeit, die selbst interessante Ereignisse zu überschatten scheint, ist hier brillant in Szene gesetzt.
Fast wirkt es etwas sarkastisch, wie der Erzähler in seiner Situation über die Gesellschaft und eigentlich sich selbst herzieht, und dennoch ist ein Schmunzeln unausweichlich. Leider tauchen diese Momente der zynischen Selbstfindung in den ständigen Wiederholungen sehr selten auf, was das Buch sehr träge macht und den Leser zum überfliegen mancher Abschnitte verleiten will. Leider kommt hier der Leser auch nicht weiter, da die Erzählung nur selten einen wirklichen Handlungsstrang aufweist. Im Mittelpunkt stehen die zweideutigen und zynischen Beobachtungen und Beurteilungen des Erzählers, der des Leidens nicht müde zu werden scheint. Es entsteht eine interessante Mischung aus Gesellschaftskritik und der Thematik der verflossenen Liebe und der drohenden Selbstaufgabe, wobei das Werk nie einen demotivierenden oder depressiven Charakter bekommt.
Das Wissen des Autors um die Musikszene taucht die Geschichte in ein ganz besonderes Licht und lässt es realer wirken. Ein weiterer Vorteil findet sich in diesem Bezug in der Aufmachung und dem Grundgerüst der Erzählung. Das Soloalbum des Lebens bekommt hier sogar eine A- und eine B-Seite und spiegelt somit Wandlungen und Experimente wieder, sodass das gesamte Werk an Tiefe gewinnt, die den Leser zur Identifikation und Selbstfindung einlädt.

Auch wenn es sich um ein althergebrachtes Thema handelt, so gelingt es dem Autor in vielerlei Hinsicht Neues zu schaffen. Jeder, der Musik zu schätzen weiß und derartige Erfahrungen im Leben gemacht hat, wird sich irgendwo in diesem Werk wieder finden und vielleicht mit neuen Augen sehen. Zwar bleibt der nötige und meist zynische Humor nicht auf der Strecke, dennoch werden hier die Eintönigkeit und die gedanklichen Kreisschlüsse ein ganz wichtiges und teils ermüdendes Element, welches die Geschichte immerhin authentisch macht.

Markus Bug



Taschenbuch | Erschienen: 1. Mai 2002 | ISBN: 3462027697 | Preis: 8,00 Euro | 246 Seiten | Sprache: deutsch

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