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 Victoria - An empire under the sun

Complete Pack

Produzenten: Paradox Interactive
Verlag: Koch Media

Cover
Gesamt +++++
Action
Anspruch
Aufmachung
Bedienung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Strategie
Ton
Unter PC-Strategen ist die schwedische Softwareschmiede Paradox Interactive eine gewichtige Hausnummer. Seit dem Überraschungserfolg "Europa Universalis" und der Zweiter-Weltkriegs-Simulation "Hearts of Iron" gelten die Schweden als Spezialisten für komplexe, anspruchsvolle Strategiespiele. In den letzten Jahren kreierte Paradox gleich mehrere Spielperlen, die zwar von der breiten Masse der Computerspieler nicht wahrgenommen wurde, unter Strategiespielern aber längst Kultstatus genießen; "Europa Universalis 2 + 3", "Hearts of Iron 2", "Europa Universalis: Rome", "Crusader Kings" - und "Victoria - An Empire under the Sun".

Letzteres Spiel gilt als eines der komplexesten Strategiespiele, die jemals entwickelt wurden. Zwar sind auch "Hearts of Iron" und "Europa Universalis" nun nicht gerade spielerische Leichtgewichte. "Victoria" legt in Sachen Schwierigkeitsgrad aber noch ein paar Schippen drauf. Der Spieler übernimmt hier in der Hochzeit der Industrialisierung eine Nation seiner Wahl; ob nun das viktorianische Empire, Frankreich, Preußen, das zerrüttete China oder die aufstrebenden USA. Freilich können auch winzige afrikanische Stammesgebiete, südamerikanische Satellitenstaaten oder winzige deutsche Fürstentümer gewählt werden (was das Spiel allerdings nicht einfacher macht). Diese Nation gilt es nun durch die Wirren der Zeit zu führen, will heißen: durch das 19. Jahrhundert und das erste Viertel des 20. Jahrhunderts. Die Gesellschaft des Landes ist im Wandel; die einzelnen Schichten der Bevölkerung (Bauern, Bürger, Adelige, Kleriker) stehen in einem komplizierten Machtverhältnis zueinander, das durch die Emanzipation der niederen Schichten starken Veränderungen unterliegt. Industrielle beginnen mit dem Aufbau der Fabriken, die Arbeiterschicht versucht ihre Lage zu verbessern, die Kirche verliert immer mehr an Macht, und der Adel muss auf seine Privilegien verzichten. Die Ansprüche der Bevölkerung unterscheiden sich zudem von Provinz zu Provinz; hier gilt es weise zu entscheiden, wem wieviel Macht zugestanden wird, um Revolutionen oder innere Konflikte zu vermeiden. Dazu können einzelne politische Weisungen ausgegeben; so kann man etwa Gewerkschaften zulassen oder verbieten, das Versammlungsrecht oder die Pressefreiheit einführen. Dies sorgt zwar für weitgehende Beruhigung der aufbegehrenden Schichten, zugleich aber auch für ein Anwachsen ihrer Macht.

Der Aufbau der Industrie ist ebenfalls nicht leicht zu bewerkstelligen. Dutzende von unterschiedlichen Gütern müssen auf dem Weltmarkt gehandelt werden, um einzelne Betriebe errichten zu können. So braucht man für eine Stahlfabrik Kohle, Eisen und Maschinenteile, um in Zukunft Stahl produzieren zu können. Ein Weingut hingegen benötigt Eisen, Zement und Maschinenteile, um aus Früchten Wein herstellen zu können. Diese Güter gilt es klug auf dem Weltmarkt einzutauschen, um die Produktion anzukurbeln. Die Wechselwirkung zwischen Rohstoffen und Gütern ist dabei sehr komplex und eine große Herausforderung, denn obwohl man den Handel automatisieren kann - beim Ausbau der Industrie muss man ihn stets mitdenken.
Gleiches gilt auch für die Außenpolitik. Zwischen jedem Land bestehen Beziehungen, die durch einen Wert zwischen -200 und 200 ausgedrückt werden. Bei Interessenkonflikten sinkt dieser Wert immer weiter ab - und das kann schnell Krieg bedeuten, etwa wenn man sich über den Ausbau der Kolonien in die Haare gerät. Zum Glück kann man auch Bündnisse schließen, um einen Waffengang zu vermeiden. Denn der ist teuer und sorgt für weltweite Verstimmung ... und kann sich zu einem Flächenbrand auswachsen. Deshalb ist es klüger, sich vor allem mit den Nachbarn gut zu stellen, durch diplomatische Aktionen, Geschenke oder gemeinsame politische Ziele.

Damit sei nur ein Bruchteil der Möglichkeiten von "Victoria - An Empire under the Sun" angerissen. Die hier vorliegende Version von Koch Media enthält nämlich auch das Addon "Revolutions", das bereits in die Installation integriert ist und weitere Zusatzfunktionen in das Spiel einbringt. So handeln bei "Revolutions" einzelne Schichten - wie die Industriellen - auf eigene Faust und bauen in den Provinzen ihre Fabriken und das Schienennetz aus; und natürlich poppen die bei Paradoxspielen sehr beliebten Events (Zufallsereignisse) auf, die einen in die historischen Probleme und Fährnisse eintauchen lassen.
Grafisch ist das Spiel freilich sehr spartanisch gehalten; bis auf die Einheiten ist auf der Karte nichts animiert, die Kämpfe werden abstrakt durch einen Kampfbalken visualisiert, Belagerungen und Schiffskämpfe ebenfalls. Allerdings sieht die Oberfläche durchaus hübsch aus und ist zweckmäßig zu bedienen. Nur neigt "Victoria - An Empire under the Sun" noch stärker als andere Paradoxspiele zur Unübersichtlichkeit. Bis man die Funktionen des Spiels alle gefunden und verstanden hat, vergehen viele Stunden. "Victoria" braucht eine sehr lange Eingewöhnungszeit - zu der nicht alle Spieler bereit sein werden. Interessierte sollten vielleicht erst den Vorgänger "Europa Universalis 2" oder das noch eingängigere "Crusader Kings" ausprobieren, bis sie sich an diesen Brocken heranwagen. Tun sie es trotzdem, werden sie eines der fesselndsten Strategiespiele der PC-Spiele entdecken ... und sich durch die Zeiten bis zum ersten Weltkrieg durchkämpfen, als die Welt endgültig aus den Fugen gerät. Denn das "Revolutions"-Addon legt auch auf diesen Krieg besonderes Augenmerk.

Fazit: Ein strategisches Meisterwerk mit verschwenderisch vielen Optionen, an das sich nur jene Spieler wagen sollten, die die hohen Einstiegshürden nicht scheuen und die auf grafische Mätzchen verzichten können.

Hagen Hoffmann



CD | CD-Anzahl: 1 | Erschienen: 1. August 2008 | PC | Preis: 14,99 Euro

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