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 Havanna

Eine kubanische Reise

Autoren: Reinhard Kleist
Verlag: Carlsen

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Kuba. Urlaubern geht das Herz auf, wenn sie an dieses Land denken. Exilanten hingegen, also Menschen, die Kuba verlassen wollten oder mussten, geraten in Wut über den Polizeistaat, die allgegenwärtige Diktatur, den Niedergang. Oder trauern um ein Paradies, das durch einen einzigen Menschen und seinen unbezwingbaren Willen zu einem erstarrten Etwas geworden ist. Bücher gibt es wahrlich genug über die Karibik-Insel, doch einen Comic? Einen Reisebericht, der in Bildern versucht, sich diesem Volk und seinem Schicksal zu nähern? Eine Collage von Eindrücken, die eine Skizze liefern sollen, wie Kuba heute, nach dem Rücktritt Fidel Castros, aus seinem Dornröschenschlaf erwacht - gegen alle existierenden Widerstände?

Reinhard Kleist hat versucht, seinen vierwöchigen Aufenthalt in Havanna in Bilder zu transformieren, seinen Seelenzustand und den der Menschen, denen er dort begegnet ist, mit Bleistift, Tusche und einigen wenigen Sätzen einzufangen. Und einfach hat es sich der mehrfach preisgekrönte Zeichner nicht gemacht. Er hat sich unter die Menschen gemischt, den real existierenden Sozialismus zu erfassen versucht, hat mit Fidel, dem Allgegenwärtigen, einen stummen Disput begonnen. Er hat versucht zu verarbeiten, was er gesehen hat, im Diskurs zu umreißen, was diese Realität so zwiespältig macht. So wunderschön, so erschreckend, so einmalig und so kaputt, so wertvoll und so fadenscheinig.

"Havanna. Eine kubanische Reise" ist eine Hommage an die Menschen geworden. Und eine Anklage. Denn trotz der überall plakatierten und unübersehbaren Errungenschaften des karibischen Sozialismus bleibt auch dem Besucher nicht verborgen, wie dramatisch dieses Land unterjocht wurde und wird. Wie sehr der Polizeistaat in die alltäglichsten Dinge hineinragt, wie unerbittlich Castro ein ganzes Land, Millionen Bürger gängelt, kaserniert und unterjocht.

Die Bilder, die dies alles dokumentieren sollen, sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Da gibt es nicht wenige Skizzen, die wie hingeschludert, wie unfertig wirken, die kaum mehr als Fingerübungen sind für einen so begabten, so versierten Zeichner, wie Kleist zweifellos einer ist. Immer wieder blättert man enttäuscht weiter, sieht zu wenig, sucht das Besondere, ohne es zu finden. Doch dazwischen finden sich Ansichten, Bilder, Zeichnungen, Skizzen, Eindrücke, die fast schon von begnadeter Genialität sind, die ein Land, ein Gefühl, ein Volk erfassen. Mit wenigen Strichen, etwas Farbe und einem sicheren Blick für die Details vermag Kleist dem fernen Betrachter einen Eindruck zu vermitteln, der so schnell nicht verblasst, der haften bleibt, der sich festsetzt.

Diese "kubanische Reise" ist ein Kleinod an einmalig schönen Bildern. Zwischen dem Banalen, dem Normalen, dem Einfachen findet man Bilder, die perfekt sind. Dafür muss man dieses Comic-Buch einfach besitzen. Es immer wieder durchblättern, es immer wieder stundenlang durchforsten. Die Schlaglichter, die Kleist auf dieses Land wirft, sind wertvoller als Hunderte Seiten Bericht, wie Dutzende Zeitungsberichte, wie Tausende Fotos.

Als Beispiel mag das Deckblatt dienen, das zeigt, wie der Zeichner arbeitet, wie er Personen, Gebäude und Bewegung erfasst, inszeniert, darstellt. Zwar ist dieser Comic nicht gerade sehr günstig, doch wer Kuba mag oder einen Eindruck dieses Landes erhalten möchte, sollte einen Blick riskieren.

Stefan Erlemann



Hardcover | Erschienen: 1. November 2008 | ISBN: 9783551734341 | Preis: 19,90 Euro | 80 Seiten | Sprache: Deutsch

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