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 Gefangene Seele

Autoren: Sharon Sala
Übersetzer: Martha Windgassen
Verlag: Mira Taschenbuch

Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die junge Malerin Jade Cochrane und ihr Freund Raphael sind seit Jahren auf der Flucht vor einer Hippie-Sekte, die sie als Kinder an pädophile Freier verkaufte. Sie leben von Jades Malerei, wobei sie niemals länger als nötig an einem Ort bleiben, stets in Angst, von einem ehemaligen Sektenmitglied erkannt zu werden. Solomon, der Anführer der Sekte, ist längst untergetaucht. Doch Jade und Raphael fürchten seine Rache.
Als Jade ein Porträt ihrer Mutter verkauft, die in der Hippiekommune an einer Überdosis Drogen starb, als Jade sieben Jahre alt war, erkennt eine Kundin die abgebildete Frau wieder. Doch aus Angst, die Käuferin könne mit der Sekte zu tun haben, weigern Jade und Raphael sich, etwas über das Bild oder sich selbst preiszugeben. Als die Käuferin es kurz darauf dem reichen Anwalt Sam Cochrane zeigt, bestätigt sich ihre Vermutung: Es zeigt Sams Ehefrau Margaret, die zwanzig Jahre zuvor mit ihrer gemeinsamen Tochter spurlos verschwand.

Während Jade und Raphael vor den Nachstellungen der Sekte nach New Orleans fliehen, engagiert Sam Cochrane den Privatdetektiv Luke Kelly, um die Malerin des Porträts ausfindig zu machen. Es gelingt Kelly, Jade und Raphael in New Orleans ausfindig zu machen, und er überzeugt das Paar, mit ihm zu kommen, um Jades Vater kennenzulernen.

Raphael ist es bisher gelungen, vor Jade geheimzuhalten, dass er an AIDS erkrankt ist und nicht mehr lange zu leben hat, doch inzwischen geht es mit seinem Gesundheitszustand rapide bergab. Als die drei in St. Louis eintreffen, wo Cochrane lebt, wird Raphael ins Krankenhaus eingeliefert. Cochrane ist außer sich vor Freude, seine Tochter wiedergefunden zu haben. Leider hat inzwischen auch die Presse Wind von dem Wiedersehen nach zwanzig Jahren bekommen, und die Story vom reichen Anwalt, der seine verschollene Tochter zurückbekommt, flimmert über sämtliche Fernsehschirme des Landes.
So erfährt auch Frank Lawson davon, der gerade für das Amt des Gouverneurs von Tennessee kandidiert. Lawson ist erschüttert, denn er ist "Onkel Frank", einer der Pädophilen, die Jade jahrelang missbrauchten. Der skrupellose Politiker engagiert den Auftragskiller Johnny Newton, um die potentiellen Zeugen zu beseitigen. Raphael wird im Krankenhaus ermordet. Und Luke Kelly, der sich Hals über Kopf in die attraktive Jade verliebt hat, hat plötzlich alle Hände voll zu tun, um die Monster aus ihrer Vergangenheit zurückzuschlagen.

Um es kurz zu machen: Was sich im Klappentext noch wie ein spannender Thriller liest, entpuppt sich bei der Lektüre als flaches Melodram mit reaktionärer sozialer Botschaft. Sharon Sala hält sich an altbekannte Muster der Unterhaltungsliteratur, um einen geradlinigen Plot im Rahmen eines simplen Gut-Böse-Schemas zu inszenieren. Ihre Figuren sind plakativ und eindimensional gezeichnet: alle Schurken sind pervers und skrupellos, alle Helden edelmütig und ritterlich. Die vorgebliche Protagonistin, Jade, steht als hilfloses Opfer am Rande der Aktionen jener Männer, die sich auf die Fahne geschrieben haben, das Unrecht, das ihr widerfahren ist, zu rächen und die aus den Fugen geratene Welt wieder gerade zu rücken.

Die leitmotivisch wiederkehrenden religiösen Untertöne liefern einen Schlüssel zum Verständnis dieser mit Mord und Totschlag gewürzten Liebesgeschichte. Der ermordete Raphael wird nach seinem Tod zum Schutzengel, der Jade beratend zur Seite steht. Luke Kelly tritt nicht nur als behutsamer Idealliebhaber, sondern auch als Beichtvater und Seelsorger auf, der mit Jade gemeinsam betet, um ihr seelisches Trauma zu kurieren, und auch sonst nicht mit religiös gefärbter Lebenshilfe spart.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, wen Sharon Sala als eigentliche Schuldige an Jades Elend benennt: Jades Mutter. Indem Margaret ihren Platz an der Seite ihres Ehemannes verlässt und ihre Mutterpflicht, Jade vor Unheil zu beschützen, verrät, wird sie zur ersten Ursache des Unheils. Warum entscheidet sich Margaret Cochrane für das Böse? "Ein einziger Blick des charismatischen Führers mit den dunklen Augen reichte aus, und sie war ihm verfallen" (Zitat). Die religiöse Vorstellung, dass Frauen moralisch schwach und anfällig für die Sünde seien, reicht weit zurück. Dass wir ihr bei Sala wieder begegnen, zeigt, wie lebendig sie immer noch in vielen Köpfen ist.

Sala fragt nicht nach Ursachen oder Details, und ihr liegt nichts an Reflektion. Ihre mit Klischees und sozialen Mythen durchsetzte Darstellung zielt auf die emotionale Reaktion des Lesers, auf die Identifikation mit dem als hilf- und wehrlos dargestellten Opfer, mit den Rächern, die stark, tapfer und mutig auf der Seite des Guten stehen. In diesem Weltbild verdienen die Schurken alles, was ihnen angetan wird, und die Helden besitzen jedes Recht, es ihnen anzutun.

In diesem Sinne bietet "Gefangene Seelen" sicherlich einen interessanten Einblick in reaktionäre Denkmuster und in die Feindbilder einer religiös orientierten amerikanischen Mittelschicht. Wer allerdings einen raffiniert aufgebauten, bis zum Schluss spannenden Thriller mit überzeugenden Figuren sucht, wird sich woanders umsehen müssen.

Frank Hoese



Taschenbuch | Erschienen: 01. Januar 2009 | Originaltitel: Out Of The Dark | Preis: 8,95 Euro | 476 Seiten | Sprache: ger

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