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 Das Königshaus der Monster

Autoren: Jonathan Barnes
Übersetzer: Biggy Winter
Verlag: Piper

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Ein fantastischer Roman? Ja. Horror? Auch das. Vielleicht sogar ein wenig Humor? Vorhanden, aber tiefschwarz. Und wie sieht es mit einer Romanze aus? Nur am Rande, aber ja, es gibt sie. Und dazu jede Menge surrealistischer und skurriler Wesen, Wendungen und Wunder.

Mit dem "Königshaus der Monster" hat Jonathan Barnes nach "Das Albtraumreich des Edward Moon" seinen zweiten Roman veröffentlicht. Er bewegt sich auf der gleichen, bizarren Schiene und entführt den Leser erneut in eine literarische Welt, die neu und originell ist und sich erfrischend vom gewohnten Einheitsbrei der Veröffentlichungen abhebt. Hat man zuerst noch ein recht vertrautes Gefühl von Gegenwart und ganz normalem Leben, verdichtet sich die Handlung zu immer absurder anmutenden Geschehnissen. Alles verändert sich langsam, aber stetig, und schneller als erwartet findet man sich im Sog dieses außergewöhnlichen Geschriebenen wieder und möchte einfach immer mehr davon.

Jonathan Barnes lässt seinen Protagonisten Henry Lamb die Geschichte erzählen. Und dieser erweist sich, getreu seinem Namen, als wahres Unschuldslamm. Doch wie man weiß, werden gerade die, die es am wenigsten verdienen, häufig zur Schlachtbank geführt und auch an Henry soll dieses Schicksal nicht vorbeigehen. Das einzige, was der junge Mann in seinem Leben als Erfolg verbuchen kann, ist sein Auftritt in einer alten Fernsehserie, in der er als Kind mitspielte. Eigentlich hatte er nichts anderes zu tun, als immer wieder die eher weniger lustigen Worte "Ich war's nicht. Großvater war's" zu wiederholen. Heute hängt ihm dieser fragwürdige Ruhm nur noch in der Form an, dass er immer wieder von Menschen "erkannt" wird, mit denen er eigentlich lieber nichts zu tun hätte. Auch Barbara, die neue Angestellte in seinem Büro für Archivierungsarbeit, hat sein Gesicht schon mal irgendwo gesehen. Doch er nimmt es ihr nicht krumm und weiß sie als nette, neue Kollegin zu schätzen. Trotzdem muss er unvermittelt aufbrechen, als er erfährt, dass sein Großvater im Koma liegt. "Der alte Lumpensack" wurde eigentlich nie von jemandem wirklich gemocht, außer von Henry, also fühlt er sich zu einem Besuch im Krankenhaus geradezu verpflichtet. Und von diesem Moment an geht in seinem Leben eigentlich nichts mehr seinen gewohnten Gang. Es fängt damit an, dass ihm ein Fensterputzer aus dem fünften Stock vor die Füße fällt und ihm eine eigenwillige Botschaft mit auf den Weg gibt. Plötzlich wird er zu einem Jobwechsel gezwungen und trifft auf das Direktorium, die wohl geheimste Gesellschaft des Landes. Er findet sich in einem Krieg zwischen Wesen wieder, die er sich im Traum nicht hätte vorstellen können. Da ist sein neuer Vorgesetzter, der Kiemen hat und in einem Fischtank lebt, der sich im berühmten Riesenrad von London befindet. Er lernt die "Präfekten" kennen, Männer in Schuluniformen, die Spaß an der absoluten Grausamkeit haben. Aber das ist erst der Anfang in einem Abenteuer, in dem er, der unschuldige Henry Lamb, die Hauptrolle spielt. Und er weiß, er ist kurz davor zu verlieren.

Wer in den vollen Genuss dieser Geschichte kommen will, wird sie lesen müssen, denn mit allem, was man hier beschreibt, nimmt man einen Teil der Spannung und des Erkennens vorweg. All die verschiedenen Puzzleteile, die zu Anfang unwillkürlich zusammengewürfelt wirken, nehmen doch nach und nach Form an. Das Spannende ist die Vermischung von vielen verschiedenen Genres, ja man ist schon fast versucht, von einer völlig neuen Stilrichtung zu reden. Vergleichen kann man die virtuose Bizarrerie des Autors vielleicht mit Lovecrafts Cthulhu-Mythos, zu dem sich hier durchaus Anklänge finden lassen. Einzig das Cover ist arg enttäuschend, passt es doch nicht im Geringsten zu dem, was sich zwischen den blutroten Buchdeckeln verbirgt. Da gibt die Illustration der "Domino Men" (hierbei handelt es sich um die Gauner in Schuluniform, die dem Roman zu seinem englischen Originaltitel verhalfen), welche sich auf der ersten Seite befindet, doch wesentlich mehr her und lässt auf den ersten Blick ein Schaudern beim Betrachter aufkommen. "Die Präfekten" bilden übrigens auch die Brücke zu Barnes? Erstlingswerk, ein genialer Geniestreich, der sich hoffentlich in weiteren Romanen fortsetzt.

Sicherlich ist "Das Königshaus der Monster" etwas für eine sehr spezielle Leserschaft, die bereit ist, sich auf Experimente einzulassen. Aber jedem, der es wagen will, sei gesagt: Es lohnt sich. Allerdings ist die Lektüre nichts für zarte Gemüter, denn es geht durchaus mal etwas härter zur Sache. Der eigentliche Horror entsteht aber unterschwellig und frisst sich heimlich in die Gedanken der geneigten Leserschaft. Zudem muss man fairerweise davor warnen, dass der Roman süchtig machen kann, was auf eine baldige Veröffentlichung eines neuerlichen literarischen Schauerstücks aus der Feder Barnes? hoffen lässt.

Bine Endruteit



Hardcover | Erschienen: 1. März 2009 | ISBN: 9783492701761 | Originaltitel: The Domino Men | Preis: 19,95 Euro | 400 Seiten | Sprache: Deutsch

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