Die Geschichtswissenschaft hat einen vielfältigen Aufgabenkatalog. Neben der Sichtung und Archivierung von alten Dokumenten, der Rekonstruktion von geschichtlichen Ereignissen und der Deutung historischer Zusammenhänge ist es immer wieder eine spezielle Herausforderung, das alltägliche Leben in der Vergangenheit abzubilden. Wie sah eine typische Wohneinrichtung aus? Wie stand es um die Körperhygiene? Wie vertrieb man sich die Zeit?

Der italienische Naturwissenschaftler, Paläontologe und Fernsehmoderator Alberto Angela widmete sich diesen Fragen und konzentrierte sich dabei auf das antike Rom, genauer gesagt auf das Jahr 115 nach Christus, und komponiert in seinem Buch "Ein Tag im Alten Rom" einen ganzen Tag im typischen Leben eines Römers.

Der Aufbau des über 400 Seiten starken Buches richtet sich tatsächlich stringent nach dem Tagesablauf. Der Leser begleitet Angela um sechs Uhr morgens in die Wohnstatt der Römer. Beginnend mit der Beschreibung der Wohneinheiten von Arm und Reich, stellt Angela das Innere solcher Räumlichkeiten vor, geht auf Alltagsgegenstände wie Geschirr und ähnliches ein und schleicht mit seinem Leser ins Schlafzimmer zum noch schlummernden Hausherrn, der von seinem Sklaven geweckt wird. Wie kleidet sich der Mann nach dem Aufstehen, wie die Frau? Und wie geht es weiter mit der Körperhygiene, wie wird das Haar gerichtet? Nach der Morgentoilette folgt das Frühstück, und dann geht es auf in die Stadt.
Der Leser lernt jetzt mehr über die Struktur Roms, seine Straßen, seinen Handel und seine kleinen Spiele, mit der sich Jung und Alt die Zeit vertreiben. Ein Abstecher ins Kolosseum wird dabei ebenso gemacht wie ein Blick auf den römischen Senat. Auch der Sklavenmarkt, die Schule und die Thermen werden besucht, man lernt auf dem Streifzug Gladiatoren, vestalische Novizinnen und Prätorianer kennen. Um Mitternacht endet das Abenteuer Antikes Rom mit einem Exkurs in die Sexualität der Menschen damals. Ein Glossar der lateinischen Begriffe schließt das Buch ab.

Die Idee, mit dem Leser zusammen einen Tag im Alten Rom zu verbringen, vom Aufstehen bis zur Nachtruhe, geht voll auf. Interessiert folgt man Angela durch eine vergangene Zeit, erfährt nicht nur historische Fakten und Gegebenheiten, sondern lernt in erster Linie den ganz gewöhnlichen Alltag kennen, der in seiner Banalität für die Menschen damals für uns doch spannend und faszinierend ist. Das Buch besticht vor allem durch die oft nur beiläufig erwähnten alltäglichen Handlungen wie das Naseschnäuzen, der Toilettengang und ähnliche Kleinigkeiten, die sich manchmal sehr, manchmal aber auch überraschend wenig von unseren heutigen Gewohnheiten unterscheiden. Angela gelingt es, mit einem kurzweilig zu lesenden, beinahe belletristischen Stil und der anregenden Darstellung des Alltäglichen seinen Leser bis zur letzten Seite zu fesseln, und so verbinden sich Unterhaltung und Wissen zu einer angenehmen Melange. Dabei richtet sich der Inhalt weniger an Kinder denn vielmehr an Jugendliche und Erwachsene.

Was bei all der Informationsdichte und den gut erläuterten Alltäglichkeiten, den kurzweiligen Beschreibungen und den verblüffenden Details fehlt, sind Illustrationen. Viel zu selten sorgen Zeichnungen für eine passende Verbildlichung. Fotografien von antiquarischen Gegenständen und ähnliches wurden überhaupt nicht mit einbezogen. Einerseits passt das zur Konzeption, mittels einer Art Zeitreise den vergangenen Alltag lebendig werden zu lassen, andererseits hätten optische Eindrücke viele Zusammenhänge und Besonderheiten noch schöner und anschaulicher vermittelt.

Alberto Angela entführt seine Leser in die spannende Welt des Alten Roms. Es geht nicht um trockene Fakten und Daten, sondern um die Banalität des Alltags, der in seiner Einfachheit und zugleich in seinen Unterschieden zu unserer heutigen Zeit faszinierend von Angela dargestellt wird. So macht Geschichtsunterricht Spaß.