Cas kommt mal wieder zu spät. Ihr Chef ist sauer und der Rauswurf ist nicht mehr weit. Auch DJ Rif hat schon bessere Tage gesehen. Zwar gefällt den Produzenten seine Musik, doch die Vocals sind ihnen zu schlecht. Zufällig treffen die beiden just in dem Moment zusammen, als eine junge Frau aus dem vierten Stock eines Hochhauses fällt. Durchs Fenster, auf die Straße. Und dann auch noch gänzlich unverletzt aufspringt und fliehen will. Cas und Rif ahnen nicht, dass sie dieser kleine Zufall ins größte Abenteuer ihres Lebens stürzen wird. Und in ihr gefährlichstes. Denn Sekunden nach "Ice", wie sich dieses "Sexy Woman" nennt, erscheinen zwei weitere Menschen am Ort des Unfalls. Doch sind das überhaupt Menschen? Cas kommen da Zweifel, denn der Mann, der Ice angreift, überlebt einen tiefen Schnitt in den Hals scheinbar ohne Probleme und die Frau, die Rif anspringt, wird durch die abwehrende Reaktion des Djs unter einen heranrasenden Bus gestoßen, hat aber nach Aussage von Ice ebenfalls keine Schramme abbekommen. Cas und Rif fliehen mit Ice, denn von nun an, so macht ihnen die wunderschöne junge Frau klar, ist ihr Leben bedroht.
Doch das bleibt nicht die letzte Überraschung an diesem ereignisreichen Tag. Denn auch wenn Ice glaubt, ihre Feinde zunächst los geworden zu sein, machen sich jetzt vier dieser seltsamen Gestalten - von Ice "Krähen" genannt - auf, Ice, Rif und Cas zu töten.

Ein deutsches Manga bei Tokyopop. Von einer zweiundzwanzigjährigen Illustratorin und ihrem deutschen Autorenpartner? Ist das möglich? Und auch noch gut?

Allein der Name Marie Sann ist zumindest in Berlin bereits eine feste Größe, hat sie doch mit ihrem Erstling "Sketchbook Berlin" (ebenfalls mit Autor Guido Neukamm) für Furore gesorgt. Auch Guido Neukamm kann sich im Erfolg dieses Erstlings sonnen, betritt aber mit dem Band "Krähen" gemeinsam mit Marie Sann ein völlig neues Terrain.
Denn diese Geschichte ist meilenweit entfernt von den üblichen erotischen Fantasie-Epen, die man sonst so im Manga-Genre zu lesen und zu sehen bekommt. Kulleraugen, große Brüste, geile Figur und eine sonnige Geschichte gibt es dort zur Genüge.
Ganz anders "Krähen". Zwar ist Ice und nicht minder Cas ebenfalls mehr als schön, doch von zentraler Bedeutung ist dies nicht. Ganz im Gegenteil, die Altersempfehlung "+15" von Tokyopop fußt nicht auf Sex und geilem Aussehen, sondern auf der düsteren, grausamen und gnadenlosen Hintergrundgeschichte. Das mystische Volk der Krähen, Menschen und Vögel, Gestaltwandler mit atemberaubenden Fähigkeiten, keiner Moral und bluttriefenden Ritualen, ist im Zentrum dieser Story. Im ersten Teil - Krähen ist als mehrteilige Serie angelegt - wird zwar nur wenig enthüllt, doch dieses Bisschen genügt, begeistere Leser zurück zu lassen.

Doch nicht nur die exzellent aufbereitete Geschichte fasziniert, auch die absolut grandiosen Bleistiftzeichnungen von Marie Sann fesseln nachhaltig. So schöne Bilder, so geniale Szenen und Action-Szenen hat man in einem Manga schon lange nicht mehr gesehen. Der größtenteils in Schwarz-Weiß gehaltene Band ist eine Augenweide, jedes einzelne Bild zeugt von hoher Kunstfertigkeit und gutem Blick für die wesentlichen Details. Die wenigen kolorierten Seiten machen vollends klar, dass hier ein Manga erschienen ist, das zur Spitzenklasse dieses Genres gehört und sicherlich zu einem Bestseller wird.

Dank der Bilder von Marie Sann und dem Szenario von Guido Neukamm ist dieses deutsche Manga zu einem überragenden Auftakt geworden, der in der Szene locker mit den japanischen Vorbildern mithalten kann. Für Fans der jungen Berlinerin keine Überraschung mehr, ist "Krähen" für den deutschlandweiten Markt eine Sensation. Bleibt nur die wahrscheinlich lange Wartezeit auf den zweiten Teil.