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 Die schwarze Dame


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Nach seinem Debütroman "Schachmatt" im Jahr 2002, der von Kritik wie Publikum hoch gelobt wurde, mussten Fans von Stephen L. Carter knapp fünf Jahre auf das nächste Werk des amerikanischen Autors warten. Aber endlich ist es soweit: "Die schwarze Dame" erschien 2007 im schicken Hardcover, ehe der List Verlag 2009 die broschierte Version nachreichte. Entstanden ist dabei ein 743-seitiger, optisch sehr schicker Wälzer.

Die Universität ist in hellem Aufruhr. Einer der Wirtschaftsprofessoren, Kellen Zant, wurde tot aufgefunden. Was zunächst nach einem Autounfall aussah, entpuppt sich schnell als Mord. Hatte es jemand konkret auf den afroamerikanischen Zant abgesehen - etwa mit rassistischem Motiv - oder war es "nur" ein zufälliger Raubmord?
Julia Carlyle, selbst Dozentin an der Uni, die gemeinsam mit ihrem Ehemann und Universitätspräsidenten Lemaster Zants Leiche im Wald fand, kann an einen tragischen Zufall ebenso wenig glauben wie an ethnische Hintergründe. Als eine bekannte Skandalreporterin sie über Zant auszuhorchen versucht, sieht sie ihre Vermutung bestätigt. Anscheinend hat Zant an etwas gearbeitet, das in den falschen Kreisen für ungewolltes Aufsehen gesorgt hat, und er musste aus dem Weg geräumt werden. Darüber hinaus hat Zant ihr offenbar eine rätselhafte Spur aus gekauften Spiegeln hinterlassen, der sie folgen muss. Julia war vielleicht keine seiner engen Freunde - Zant hatte allgemein nur wenige Freunde -, aber sie war die einzige Frau, die er je liebte. Allerdings waren die beiden vor vielen Jahren ein Paar, lange vor Julias Heirat mit Lemaster. Julia kann sich also nicht erklären, warum er ausgerechnet sie mit in diese Sache hineinzieht … bis sie erfährt, dass ihre halbwüchsige Tochter Vanessa sich vor seinem Tod mit Zant getroffen hat. Zu ihrer Erleichterung erfährt Julia, dass sich Zant nicht heimlich an ihre Tochter herangemacht hat, sondern sich beide für die mysteriöse Ermordung einer weißen jungen Frau vor vielen Jahren interessiert haben.
Bruce Vallely, einer der Sicherheitsleute an der Universität, ermittelt im Auftrag der Universitätsverwaltung, die natürlich verhindern will, dass durch dieses Ereignis der Ruf der Universität in irgendeiner Weise Schaden nimmt. Dann stellt die Polizei überraschend ihre Ermittlungen ein, und Bruce’ Interesse ist erst recht erwacht.

"Die schwarze Dame" lässt seinen Leser mit gemischten Gefühlen zurück, denn sowohl Licht als auch Schatten sind in Carters Werk zur Genüge vorhanden. Die Rassismusthematik wird akribisch hinterleuchtet, die Charaktere erhalten eine hinreichend komplexe Tiefe und einen interessanten Kriminalfall gibt es noch obendrauf.
Dass dieser zweite Roman jedoch bei Weitem nicht die Klasse des Erstlings erreicht, liegt vor allem an dem Umfang des Ganzen. Über siebenhundert Seiten, in denen sich nicht nur langatmige Phasen der Gedankenwiedergaben der Protagonisten tummeln, sondern auch die Probleme zwischen "Weiß" und "Schwarz" immer und immer wieder in allen möglichen Details festgemacht wird. Das mag vielleicht eine authentische Abbildung der amerikanischen Realität sein, aber es ist genauso ermüdend wie das ständige Sinnieren von Julia und Bruce, die man im Laufe des Geschehens begleitet. Ob Lemasters vielen Vor- und Nachteile im Eheleben oder die vielen guten Eigenschaften von Bruce’ bereits verstorbener Frau Grace, der Leser wird, ob gewollt oder nicht, mit so viel Zusatzballast überhäuft, dass dabei manchmal die eigentliche Geschichte aus dem Blickfeld gerät. Eine Straffung des Romans hätte hier in jedem Fall gut getan.
Und so ziehen sich die siebenhundert Seiten schnell in die Länge. Man verliert rasch das Interesse an den zwar komplex gezeichneten, aber auch wenig sympathischen Protagonisten und dem Kriminalfall, der sich bis in die höchsten politischen Kreise zieht und dessen Wurzeln weit in der Vergangenheit liegen. Da hilft auch nicht der bisweilen auftretende trockene Humor Carters, der den manchmal allzu intellektuell und moralisch geprägten Roman auflockern soll.

Der zweite Roman aus Stephen L. Carters Feder kann mit dem Debüt leider nicht mithalten: "Die schwarze Dame" verstrickt sich in Nebenschauplätzen und irrelevanten Details, die den Lesefluss hemmen und den eigentlich interessanten Kriminalfall lahm und schwerfällig machen. Schade, hier wurde viel Potenzial verspielt.

Tina Klinkner



Taschenbuch | Erschienen: 01. März 2009 | ISBN: 9783548608648 | Originaltitel: New England White | Preis: 9,95 Euro | 743 Seiten | Sprache: Deutsch

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