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 Nude Visions

160 Jahre Aktfotografie


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Praktisch so alt wie die Fotografie selbst ist die Aktfotografie. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat sie eine wohl nicht minder gewaltige Entwicklung durchlaufen als die bildende Kunst insgesamt. Mit dieser Entwicklung befasst sich das Buch "Nude Visions" aus dem Kehrer Verlag.
Der Band beginnt mit einer Reihe von Essays über Aspekte der Aktfotografie mit folgenden Themen (der Einfachheit halber seien hier die sehr aussagekräftigen Titel und Untertitel aufgelistet):

"Fotografien sind wie Gipsabgüsse der Natur" - Die Aktfotografie im 19. Jahrhundert zwischen Ideal und Wirklichkeit
"Du sollst Dir kein Bildnis noch irgendein Abbild machen" - Die Atelierstudien des Malers Johann Josef Blitz
Mit Anmut und Würde - Aktfotografie zwischen Provokation und Pornografieverdacht
"Wir sind nackt und nennen uns Du!" - Naturismus und die Rückkehr zu den Ursprüngen
Männerakte - (Selbst)Darstellungen des Körpers als Bekenntnis
"Es ist der momentane Eindruck, auf den es hier einzig ankommt" - Überlegungen zur Glamouraktfotografie

An die Essays schließt sich der umfangreiche Bildteil an, der nach chronologischen Gesichtspunkten gegliedert ist, jedoch auch an unterschiedliche Strömungen und Sichtweisen anknüpft. Die Fotos entstammen der Sammlung Fotografie im Münchner Stadtmuseum, und ihr zeitlicher und thematischer Bogen spannt sich weit. Fotografische Vorlagen für Gemälde und entsprechende Studien aus dem 19. Jahrhundert sind ebenso vorhanden wie Fotos, die der Wandervogel-Bewegung entspringen; bewusste Provokation um 1968, in anderer Form jedoch auch bereits davor, wird von surreal anmutenden Fotos abgelöst. Der Freikörperkultur ist ein eigener Abschnitt gewidmet, und auf die vielfältigen Entwicklungen nach 1945 wird dank ausgewählter, repräsentativer Fotos recht detailliert eingegangen. Hervorzuheben ist zudem das Kapitel über männliche Akte, üblicherweise ein Waisenkind in Publikationen zur Aktfotografie - in diesem Buch wird auch der homosexuelle Aspekt nicht ausgespart.

Die sehr informativen und angenehm zu lesenden Essays vermitteln zusammen mit den präsentierten Fotobeispielen einen interessanten Überblick über die Geschichte und die vielen Facetten der Aktfotografie, über ihre Rolle in der Kunst von der erwähnten Atelierstudie über Aktfotos, die Gemälden nachempfunden sind, bis hin zu provozieren wollenden (und heute zum Großteil nicht mehr Aufsehen erregenden), bewusst an der Grenze zur Pornografie angesiedelten Detailstudien und solchen Akten, die wie in eine Geschichte oder in Traumbilder eingebunden wirken. Dabei ergänzen sich Essays und Fotos ausgezeichnet; gelegentlich wird in den Essays auch auf einzelne Fotos verwiesen.
Unter den Fotos findet man Abbildungen von Modellen des jeweiligen Schönheitsideals in klassischen Posen und klassischen Umgebungen im Wechsel mit Innovationen und reichlich Tabubrüchen - von jedem etwas in richtiger Dosierung, sodass sich ein Eindruck von Vielseitigkeit und ausgewogener Darstellung ergibt, der auch für die Fotografen gilt, deren Werke ausgewählt wurden. Ihre Kurzbiografien sind im Anhang enthalten.
Ein wenig unkomfortabel ist die sehr geringe Schriftgröße in den Essays, wohingegen die Fotos in angemessenem Format vorgestellt werden. Die Essays selbst sind übrigens bebildert. Das Buch liegt einschließlich der Essays komplett zweisprachig auf Deutsch und Englisch vor.

Freunde der Aktfotografie und an ihr Interessierte erhalten anhand der Lektüre dieses Buchs viele nützliche Informationen und reichlich Anschauungsmaterial - teils repräsentativ, teils sehr eigenständig. Hundertfünfzig Jahre Aktfotografie werden auf so anspruchsvolle wie unterhaltsame Weise präsentiert und bieten die Möglichkeit, dieses nicht ganz einfache Genre zu verstehen.

Regina Károlyi



Softcover | Erschienen: 01. Mai 2009 | ISBN: 9783868280609 | Preis: 19,95 Euro | 416 Seiten | Sprache: Deutsch, Englisch

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