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 Der kleine AD(H)S Therapeut


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Zappelphilipp und Hans-guck-in-die-Luft sind zwei Gestalten aus dem "Struwwelpeter", denen jeder Mensch im Alltagsleben schon einmal begegnet ist, nämlich in der Person von Kindern mit ADHS oder ADS, das heißt, die entweder hyperaktiv oder Träumerle sind.
So unterschiedlich beide Syndrome auf den ersten Blick wirken, sind sie doch aus ärztlicher Sicht eng verwandt. Und beide kosten Eltern betroffener Kinder eine Menge Nerven.
In seinem Buch "Der kleine AD(H)S-Therapeut" erläutert der Psychotherapeut Johannes Wilkes zum einen Symptome und Auswirkungen von ADHS und ADS und gibt zum anderen Ratschläge, wie man Alltag und Schule mit AD(H)S-Kindern in den Griff bekommt. Gewissermaßen als fiktive Repräsentanten dienen Tim und Lea. Sie sind Protagonisten kurzer Episoden, die alle Eltern von AD(H)S-Kindern ähnlich ständig erleben, und die als Aufhänger für die sich anschließenden Erläuterungen und Ratschläge dienen.
Am Anfang des Buchs steht eine theoretische Einführung in die Materie, die dem Leser verständlich macht, was im Gehirn von AD(H)S-Betroffenen anders abläuft als bei Nicht-Betroffenen; auch befasst sich der Autor mit den Fragen, ab wann sich das Syndrom diagnostizieren lässt, und ob es sich dabei um eine Krankheit handelt.
Der praktische Teil befasst sich, wie erwähnt, mit typischen Situationen in Alltag und Schule, etwa den Wutanfällen von ADHS-Kindern, dem chaotischen Kinderzimmer, den allseits "beliebten" Hausaufgaben und den Überlegungen, ab wann AD(H)S-Kinder mit ihrer verminderten Aufnahmefähigkeit Fahrrad fahren sollten, welche Art von Urlaub und welche Sportarten sich für sie am besten eignen, wie Eltern sich Freiräume schaffen können, und wie Feiern und Besuche gemeistert werden können.
Außerdem diskutiert der Autor Behandlungsmöglichkeiten.

Johannes Wilkes wendet sich in erster Linie an Mütter von AD(H)S-Kindern, denn in der Regel tragen sie den Großteil des "Ärgers" mit dem laut Supermarkt- und Spielplatzbesuchern, gelegentlich auch laut Erzieherin, Lehrer oder Lehrerin so ungezogenen Kind. Und er bemüht sich, dies sei vorangestellt, sehr darum, diesen Müttern ihre Komplexe, Versagensgefühle und Ängste zu nehmen.
Dazu trägt vor allem eine profunde Kenntnis der Theorie bei, Wilkes präsentiert diese in einer für Laien sehr gut nachvollziehbaren Weise.
Die vorgestellten Alltagssituationen sind genau jene, die Mütter und gelegentlich auch Väter so häufig aus der Haut fahren lassen. Durcheinander bei Tisch, Chaos beim Aufstehen und Zubettgehen, rotes Tuch Hausaufgaben, der "gedankenlose" Wagemut von ADHS-Kindern, die Angst, dem Kinderarzt das mit blauen Flecken übersäte, nach Misshandlung aussehende, ADHS-Kind zu präsentieren – kein Thema ist tabu. Und auch auf die Option der medikamentösen Behandlung geht der Autor ein, wobei er Ritalin und vergleichbare Mittel weder grundsätzlich empfiehlt noch ablehnt, sondern erläutert, auf welche Weise man eine Behandlung abwägen und auch später die weitere Notwendigkeit der Einnahme prüfen kann und sollte. Auch diskutiert er alternative Methoden. Und er bietet viele für Betroffene nützliche Adressen an sowie Möglichkeiten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Eine behutsame und vor allem Müttern gegenüber verständnisvolle Herangehensweise an das Thema, verknüpft mit praxisnahen Ratschlägen, prägt dieses Buch. Natürlich führt nicht jeder Tipp zu einem hundertprozentigen Erfolg; so kann man natürlich den Schreibtisch des Kindes derart einrichten, dass nur das jeweils benötigte Heft und ein Stift darauf sind, damit es keine Ablenkung von den Hausaufgaben gibt, doch nach Erfahrung der Rezensentin haben zumindest ADS-Kinder zehn Finger zum Herumspielen und genug Fantasie, um mit dem Stift und dem Heft gewagte, leider zeitaufwändige Bauprojekte zu starten. Auch kommt insgesamt ADS gegenüber ADHS in diesem Buch ein wenig kurz. Freilich wird ADS eher übersehen, weil die Träumerle gegenüber den Zappelphilipps nicht so sehr auffallen – problematisch ist jedoch auch dieses Defizit.
Der Ratgeber von Johannes Wilkes ist kurz und bündig, bestens verständlich, hilfreich und durchaus tröstlich – auch das hat etwas für sich -, und er macht Mut. Für Eltern von AD(H)S-Kindern eine sehr nützliche Investition, die sich im Übrigen jeder leisten kann.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 1. Juli 2009 | ISBN: 9783423345545 | Preis: 7,90 Euro | 144 Seiten | Sprache: Deutsch

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