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 Das fünfte Imperium


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Humor
Spannung
Sie sind überall, im Morgengrauen und auch danach ... Vampire. Seit der neuen Vampire-Romance-Welle schafft es manch alter und neuer Roman über die Blutsauger in die Regale. Auch der Luchterhand Literaturverlag steht da nicht hintan und präsentiert das neue Werk des russischen Erfolgsschriftstellers Viktor Pelewin, der sich mit skurrilen Werken wie "Buddhas kleiner Finger" und "Generation P" eine große Leserschaft erschrieben hat. Nun also ein Vampirroman aus Pelewins Schreibstube, angesiedelt im heutigen Russland ... kann das gutgehen?

Gar nicht gut geht es auf jeden Fall für die Hauptfigur aus, den jungen Roma. Der läuft ein paar Kreidepfeilen nach, landet in einer schicken Wohnung und findet sich kurz danach einem netten älteren Herrn gegenüber, der von seinem Blut nippt. Der Alte ist ein Vampir und befindet nach der Blutverkostung, dass Roma der geeignete Nachfolger für ihn ist, beziehungsweise für seine Zunge. Denn diese ist eine Art parasitäres Organ im Gaumen, das von einem Vampir auf seinen Nachfolger übergeht und ihn dazu befähigt, aus Blut die gesamte Gedankenwelt der jeweils Gebissenen herauszulesen. Nachdem Roma - gegen dessen Willen - die Zunge übertragen wurde, bekommt er von der elitären Vampirgesellschaft die gediegene Wohnung und ein üppiges Konto übertragen, muss sich aber im Gegenzug durch das Blutarchiv seines Vorgängers schlürfen und Unterricht bei anderen Vampiren nehmen, die allesamt Götternamen tragen (Baldur, Mitra, Loki, Jehova - alle Glaubensrichtungen sind vertreten). Von ihnen erfährt Roma die zwei wichtigsten Disziplinen des Vampirdaseins: Glamour und Diskurs, also die Kunst des äußeren Scheins und des inneren Sinns - womit er schon inmitten der radikalen gesellschaftlichen Umdeutung steckt, die mit dem Gedankenlesen durch Bluttrinken einhergeht.

Pelewin nutzt den Vampirmythos, um eine Parodie der arroganten neureichen Elite des zeitgenössischen Russlands zu zeichnen. Blut trinken seine Vampire nicht aus Durst oder Lust, sondern um sich der Gedankenwelten der Mitmenschen anzueignen und sich ihr Wissen, ihre Philosophie, ihre Gefühle anzueignen. Die geschwätzigen Lehrstunden der götterbenamten Vampire erinnern an sinnlose Gespräche in edlen Clubhäusern, und dabei streut der Autor immer wieder Seitenhiebe auf Philosophie, Religion, Politik und Popkultur ein. Das ist ohne Zweifel witzig und mitunter genial, hätte Pelewin nur nicht die schlechte Angewohnheit, all seine Anspielungen gleich noch zu erklären und den Leser dabei für dümmer zu halten, als er ist. Das erinnert an einen Zauberer, der gleich nach der Ausführung eines Tricks denselben verrät. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Roman in all seiner Geschwätzigkeit auf einem toten Punkt verharrt und einfach nicht in Fahrt kommen will. In seinen bisherigen Roman hat Pelewin da schon ein anderes Tempo vorgelegt.

"Das fünfte Imperium" ist damit zwar eine raffinierte und durchaus witzige Politfabel mit vampiresken Anleihen, jedoch mit zunehmender Lesedauer ebenso spannend wie ein Dinerabend beim Lion's Club - viele geistreiche Gespräche ohne Erkenntnisgewinn, und nach dem dritten Gang ist man eigentlich satt und möchte nach Hause. Aber als elitärer Vampir bleibt man natürlich bis zum Dessert. Ist doch Ehrensache. Zumindest als Pelewin-Fan.

Hagen Hoffmann



Taschenbuch | Erschienen: 1. Januar 2009 | ISBN: 9783630621388 | Originaltitel: Empire V | Preis: 10 Euro | 400 Seiten | Sprache: Deutsch

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