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 Hellsing 10

Serie: Hellsing, Band 10
Autoren: Kouta Hirano
Übersetzer: Burkhard Höfler
Verlag: Panini Comics

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Im September 2008 schloss Kouta Hirano mit dem zehnten Band seine mittlerweile zum Kultmanga avancierte Reihe „Hellsing“ ab. Mehr als ein halbes Jahr mussten sich die Fans hierzulande in Geduld üben, doch am 17. Juli 2009 war es dann endlich so weit: Panini präsentiert das letzte Kapitel des Kriegs zwischen der Hellsing-Organisation und dem „Letzten Bataillon“. Kann Hirano den hohen Erwartungen der Fans gerecht werden?

Das Kreuzfahrerregiment des Vatikans ist aufgerieben, die Vampirhorde des „Letzten Bataillons“ vernichtet, die Bevölkerung Londons ausgelöscht. Doch der Kampf der Hellsing-Organisation ist noch nicht zu Ende: Während Seras Victoria sämtliche Kräfte aufbringen muss, um gegen den werwölfischen Hauptmann bestehen zu können, bahnt sich Lady Integra ihren Weg durch das abgestürzte Luftschiff der Nazis, um dem Major gegenüberzutreten und dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Unterdessen treffen Alucard und der zum Vampir gewordene Walter inmitten der brennenden Ruinen Londons zu einem letzten großen Duell aufeinander. Alucard scheint zunächst die Oberhand zu gewinnen, doch als er die Energie sämtlicher über die Jahrhunderte hinweg genommener Leben konzentrieren will, beginnt er sich plötzlich vor den Augen der Überlebenden aufzulösen. Hat der Major seinen Krieg gegen Hellsing nun doch gewonnen?

Mit Band zehn fällt der Vorhang für Alucard und die Vampirbrut der Nazis, der blutige Kampf, den Kouta Hirano in den vorangegangenen neun Bänden kontinuierlich entfaltet hat, wird nun zu einem Ende gebracht. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Abschlussband von seinen Vorgängern: Der Mangaka ist darauf bedacht, die Handlung ihrer Auflösung zuzuführen, und dreht die Gewaltdarstellung um ein bis zwei Grad zurück. Gekämpft, gemordet und geschlachtet wurde in den Bänden zuvor schon ausgiebig, dem vorliegenden Manga kommt vielmehr die Aufgabe zu, die Fäden zu einem Strang zu verflechten. Um kein falsches Bild zu vermitteln: Blutfontänen beherrschen auch weiterhin die Panels, Gliedmaßen und ihre Besitzer gehen nicht selten getrennte Wege und spitze Vampirzähne bohren sich auch weiterhin in feindliches Fleisch. Doch an die ungeheure Brutalität, mit welcher die SS-Vampire über die Londoner Bevölkerung herfielen, die vatikanische Armee ausgelöscht wurde oder Alucard und Walter um Leben und (Un-)Tod kämpfen, kommt der letzte Akt von „Hellsing“ nicht ganz heran; wer bislang einen starken Magen bewiesen hat, für den ist der zehnte Band nicht mehr als ein leichtes Sodbrennen.

Einmal mehr ist es Hiranos unvergleichlicher Stil, der den Leser gefangen nimmt: Die düsteren Bilder treiben den letzten Akt reißerisch voran, die apokalyptische Kulisse wird prächtig in Szene gesetzt. Die schaurig-grotesken Zeichnungen sprühen regelrecht vor Details, von fein gezeichneten Haarsträhnen über die Prägungen auf der Erkennungsmarke eines Soldaten bis hin zum Wahlspruch der Schutzstaffel, der – bedingt durch die deutsche Zensur – mehr schlecht als recht auf der Klinge eines Dolches zu lesen ist.

So mitreißend und grausam-schön Hiranos Stil die Londoner Apokalypse auch zu Papier bringt, so bleibt nach dem letzten Kapitel doch ein – wenngleich auch sich in Grenzen haltender – schaler Beigeschmack zurück: Beim Zusammenführen der Handlungsstränge im Finale ist dem Mangaka der eine oder andere Faden entglitten. So wirkt etwa der Grund, weshalb der Major den vergangenen fünfzig Jahren seit Kriegsende zum Trotz äußerlich nicht gealtert ist, aufgesetzt und wenig überzeugend. Auch bleibt im Dunklen, was genau Alucard und Walter im September 1944 in Warschau erlebt und wie sie dort Bekanntschaft mit dem Major gemacht haben. Diese Ereignisse werden zwar einige Male im Verlauf der Reihe angesprochen, doch mehr als vage Andeutungen serviert Hirano dem Leser nicht. Da aber im Dezember die Fans hierzulande mit Band Null die Vorgeschichte der Mangareihe erzählt bekommen, bleibt abzuwarten, ob Hirano den blutgetränkten Schleier rund um die Vampirprojekte der Nazis während des Krieges doch noch lüften wird. Für ein passendes Weihnachtsgeschenk ist auf jeden Fall gesorgt …

Mit dem letzten Akt in Hiranos Weltenbrandstück ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen: Zehn Bände „Hellsing“, das sind 89 Kapitel (plus drei weitere, zählt man das Special „Crossfire“ hinzu) Blut, zerfetztes Fleisch, Berge lebloser Menschenleiber und mehr abgetrennte Gliedmaßen als der Himmel Sterne hat; mancher Splatterfilm wirkt dagegen beinahe wie ein Werbespot der Heilsarmee. Mit seinem Manga um den Kampf der Hellsing-Organisation gegen ein tausend Mann respektive Vampir starkes Überbleibsel des Dritten Reiches hat Hirano eines der faszinierendsten und zugleich kontroversesten japanischen Comicwerke der letzten Jahre geschaffen. Dies gilt besonders mit Blick auf Deutschland, wo der Manga aufgrund seines opulenten Gebrauchs an NS-Symbolik und Kriegsmetaphorik eine ausgesprochen delikate Angelegenheit ist – von der exzessiven Gewaltdarstellung einmal ganz zu schweigen.

Die Trivialisierung des Nationalsozialismus hat Hirano gewiss nicht erfunden, dafür aber zweifellos auf eine neue Ebene verfrachtet: Hunderte zum Hitlergruß erhobene Arme, junge Werwölfe in der Uniform der Hitlerjugend und ein größenwahnsinniger SS-Major, der als „Stellvertreter des Führers“ einen neuen Weltenbrand entfacht – Hirano macht mit der nationalsozialistischen Symbolik das, was Alucard mit seinen Opfern macht: Er schlachtet und weidet sie regelrecht aus. Aufgrund der rechtlichen Grundlage in Deutschland musste der Veröffentlichung eine Zensur vorangehen. Diese hielt sich aber – anders als etwa bei Computerspielen vom Schlag eines „Wolfenstein“ – in ausgesprochen moderaten Grenzen: Das Hakenkreuz wurde zwar durch vier Quadrate, die aneinander liegend ihrerseits wiederum ein Quadrat ergeben, ersetzt, ansonsten blieb „Hellsing“ eine radikale Anpassung aber erspart. Dass es etwa die berüchtigte Kriegsrede des Majors (Band 4) ins Deutsche geschafft hat, grenzt nahezu an ein Wunder.

Was an „Hellsing“ so bemerkenswert ist, ist Hiranos Gespür dafür, wie weit er gehen darf: Wenn er aus Soldaten der Waffen-SS mordlüsterne Ungeheuer macht, ist das eine Sache. Wenn Seras und der Hauptmann aber ihren Kampf im Laderaum des Luftschiffs inmitten von Diebesgut wie Geldscheine, Uhren und sogar Goldzähne austragen, dann scheint die Grenze zum Pietätlosen und Unerträglichen doch überschritten. Doch erstaunlicherweise kriegt – mit einer Ausnahme in der gesamten Reihe – Hirano stets die Kurve, bevor er diese Grenze tatsächlich überschreitet. In „Hellsing“ aber lediglich einen oberflächlichen Splatter-Comic zu sehen, das käme dem Manga nicht gerecht: Hirano hat zweifellos reichlich für sein Werk recherchiert und viele Anspielungen zur Geschichte des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs, die man nur mit einem entsprechenden Hintergrundwissen als solche erkennt, in das vampirische Blutbad eingestreut; daneben sorgen allerlei Verweise auf Bram Stokers „Dracula“ für den einen oder anderen Aha-Effekt.

Man kann „Hellsing“ lieben oder hassen, doch an der Lektüre des Mangas führt kein Weg vorbei. Wer auch immer sich selbst Fan japanischer Comics schimpft, ohne Kouta Hiranos Vampirsaga zu kennen, der bringt die Schaltkreise eines jeden Lügendetektors zum Durchschmoren. Der letzte Band ist jedenfalls ein solider Ausklang, der in puncto Auflösung zwar etwas blutleer – will heißen: mager – wirkt und kaum überraschende twists zu bieten hat, die Geschichte aber zu einem stimmigen Abschluss bringt.

Michael Höfel



Taschenbuch | Erschienen: 17. Juli 2009 | ISBN: 9783866077591 | Originaltitel: herushingu | Preis: 7,95 Euro | 230 Seiten | Sprache: Deutsch

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