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 Descent - Wege zum Ruhm


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie
Wer dem „Descent“-Fieber verfallen ist, trifft sich normalerweise regelmäßig mit Freunden, um einen Abend lang ein Szenario des spaßigen Dungeon Crawlers zu zocken, fast schon wie eine eingefleischte Pen&Paper-Rollenspiel-Gruppe. „Descent“ wirkt ja ohnehin wie eine Art Rollenspiel light, mit seinen im Grunde simplen Regeln und dem aufs Kämpfen reduzierten Spielprinzip. Doch wenn man regelmäßig spielt, blieb bisher ein großer Wermutstropfen: Immer fingen die Helden von vorne an, konnten ihre gen Ende eines Szenarios gefundenen Megatötwaffen meist nur wenige Runden lang gegen die Kreaturen des Overlords einsetzen – eine kontinuierliche Entwicklung des eigenen Charakters zwischen den Szenarien war durch die Grundregeln nur rudimentär gelöst. Mit „Wege zum Ruhm“ hat der amerikanische Hersteller Fantasy Flight Games diesen größten Wunsch der „Descent“-Fangemeinde nun aber erfüllt. Die dritte Erweiterung von „Descent“ krempelt das Spielprinzip ab jetzt völlig um – statt riesiger Dungeons, die man an einem Abend durchspielt, kann man nun eine riesige Kampagne starten, die weit über hundert Stunden und damit viele Sitzungen in Anspruch nehmen dürfte. Doch dank eines ausgeklügelten Speichersystems ist das Abbrechen und Fortfahren zwischen den einzelnen Runden kein Problem.

Das Geschehen verlagert sich zunächst auf die Landkarte von Terrinoth, auf der zahlreiche Städte und Dungeons verzeichnet sind. Die Helden – von denen immer exakt vier im Spiel sind – starten in ihrer Heimatstadt Tamalir, die sie vor dem bösen Overlord schützen müssen. Dieser sucht sich zu Beginn des Spiels einen übermächtigen Avatar und eine Dunkle Bestimmung aus – möchte er lieber zum Gott werden, die Sonne verdunkeln oder die Menschheit versklaven? Die Helden müssen das natürlich verhindern. Doch dazu sind sie am Anfang noch viel zu schwach. Also reisen die Helden Spielwoche für Spielwoche durch die Länder Terrinoths, um die örtlichen Dungeons auszukundschaften und so an Erfahrung und Reichtümern zu gewinnen. Wenn es bei ihren Reisen zu Zufallsbegegnungen kommt oder sie einen Dungeon betreten, wird das Spiel auf der Landkarte unterbrochen und das eigentliche „Descent“-Spiel beginnt.

Jede Dungeon-Ebene und jede Begegnung wird durch eine Karte zufällig bestimmt. Bei den Dungeons fällt dabei sofort auf, dass diese wesentlich kleiner sind als die großen Szenarien des Grundspiels – meistens bestehen sie nur aus ein paar Räumen mit ein paar Monstern, die der Overlord fast frei verteilen kann. In den Dungeons spielt sich „Wege zum Ruhm“ dann fast wie das normale Spiel, von einigen Ausnahmen abgesehen. So dürfen die Helden beispielsweise meistens nur dann zum nächsten Level des Dungeons vorrücken, wenn sie das Bossmonster der jeweiligen Etage plattmachen, und darf der Overlord nicht endlos neue Kreaturen entstehen lassen.

Vor allem das Gerangel um die Questmarker funktioniert jetzt ein bisschen anders, hat aber einen entscheidenden Einschlag auf die Entwicklung der Kampagne. Wenn die Helden sterben, gewinnt der Overlord dadurch Erfahrungspunkte. Erhalten die Helden Questmarker, so bekommen sie ihrerseits Erfahrung. Beide Seiten können sich mit der erhaltenen Erfahrung so neue Eigenschaften kaufen. Wieder an der Oberfläche angekommen, können die Helden beispielsweise in die Städte Terrinoths reisen und sich dort in den von ihnen gewünschten Fähigkeiten ausbilden lassen oder sich neue schwarze, silberne oder gar goldene Kampfwürfel holen. Der Overlord dagegen kann seinen eigenen Avatar aufmotzen, sich seiner dunklen Bestimmung näher bringen, alle Monster eines bestimmten Typs stärker machen (wodurch nachher beispielsweise auch Skelette das ganze Spiel über eine echte Bedrohung darstellen) oder Hauptmänner ins Spiel bringen, die wie die Helden über die Landkarte reisen und die Städte des Landes einfach niederbrennen können. Natürlich können sie jedoch von den Helden auch zu einer epischen Konfrontation herausgefordert werden.

Die Anzahl der verdienten Erfahrungspunkte fungiert auch als Fortschrittsanzeige der Kampagne. Wenn die gemeinsam erlangte Erfahrung zwischen Overlord und Helden einen bestimmten Wert überschreitet, geht die Kampagne ins Silber- oder Goldlevel über – in dem stärkere Monster und Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stehen –, bis schließlich der Endkampf gegen den Overlord ausgelöst wird, die Helden in einem letzten zufallsgenerierten Dungeon die Festung des Bösewichts stürmen und sich dort seinem leibhaftigen Avatar zum alles entscheidenden Kampf stellen.

In den vom Rezensenten gespielten Kampagnen ist es nur leider bisher noch nie so weit gekommen, denn das Leben für die Helden ist leider alles andere als einfach. Fiese Dungeon-Levels und überstarke Monster sorgen schnell dafür, dass die Recken andauernd einen auf die Mütze kriegen – und je mehr die Helden auf die Mütze kriegen, desto stärker wird der Overlord. Da dieser die Kampagne vorzeitig beenden kann, wenn er mit seinen Hauptmännern die Heimatstadt Tamalir niederbrennt, kamen die Testrunden bisher nicht über das Silberlevel hinaus, schließlich sind vor allem die Begegnungen mit den Hauptmännern unwahrscheinlich fies.

Dennoch sind die Helden nicht chancenlos. Was man in diesen ersten Kampagnen lernt, ist, dass man zwar beliebig oft sterben kann, den Overlord damit aber auch zu schnell übermächtig macht. Die ersten Dungeons sollte man gar nicht bis zum Schluss spielen, sondern vorzeitig fliehen, um im Rennen der Erfahrungspunkte den Vorsprung gegenüber dem Overlord so lange wie möglich zu halten. Wenn die Helden so vorgehen, haben sie noch eine Chance – ansonsten können die ersten Kampagnen sehr frustrierend geraten.
„Wege zum Ruhm“ steht damit in der fragwürdigen Tradition des Spiels, nie so ganz die Balance zwischen der Seite der Helden und der des Overlords zu finden. Ein unverzichtbares FAQ passt die Regeln der Kampagne nochmals um einige wichtige Regeln an, um zumindest einige der besonders frustrierenden Elemente zu entfernen – hoffentlich liefert der Heidelberger Spieleverlag bald eine Übersetzung dieses Dokuments nach.

Doch trotz dieser Kritik verdient sich „Wege zum Ruhm“ ganz klar die Höchstwertung. Das Kampagnenspiel macht ungeheuer viel Spaß und ist vor allem in Kombination mit den beiden Erweiterungen „Quelle der Finsternis“ und „Altar der Verzweiflung“ (die zum Spielen nicht zwingend benötigt werden) enorm abwechslungsreich. Endlich hat man das Gefühl, ein riesiges Abenteuer im Kampf gegen dunkle Mächte zu erleben oder umgekehrt die Welt immer näher an den Abgrund zu bringen. Endlich kann man nach mehreren Abenden mit einem besonders mächtigen Helden darauf zurückblicken, wie es war, als man noch Probleme hatte, ein schmächtiges Skelett umzuhauen. Endlich kann man auch als Overlord richtig strategisch spielen und sich auf die Elemente des Böse-Seins konzentrieren, die einem schon immer am meisten gefallen haben – seien das nun fiese Overlordkarten oder übermächtige Monster.

Vor allem nicht zu unterschätzen ist die nun sehr variable Spieldauer einer Partie. Man kann eine ganze Nacht durchspielen und gleich mehrere Dungeons besuchen oder nur mal eben einen oder zwei Level spielen und dann wieder einpacken – je nachdem, wie viel Zeit man gerade zur Verfügung hat. Doch echte „Descent“-Freaks planen ja – wie Rollenspieler – ganze Abende und Nächte zum Zocken ein. Mit „Wege zum Ruhm“ werden erfahrene Spieler, die sich regelmäßig treffen, ausreichend Material haben, um viele Abende zu füllen. Für sie ist diese Erweiterung die Vollendung des „Descent“-Prinzips.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 31. März 2009 | Originaltitel: Descent - Road to Legend | Preis: 50 Euro | für 2 - 5 Spieler | Sprache: Deutsch

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