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 Terror


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Spannung
Brian Aldiss, unangefochtener Altmeister der britischen Science-Fiction, hat endlich wieder einen Roman vorgelegt. Der durch seine Romane "Hothouse" und "Earthworks" und natürlich seine dreiteilige Reihe "Helliconia" bekannt gewordene Aldiss verarbeitet darin ein ebenso aktuelles wie brisantes Thema: die Terrorwelle und Paranoia des Westens seit dem 11. September.

In einem nur leicht in die Zukunft weitergedachten Großbritannien wird der Schriftsteller Paul Fadhill, englischer Staatsbürger mit muslimischem Hintergrund, von der HARM-Behörde (Hostile Activity Research Ministry) verhaftet. Man wirft ihm vor, in seiner satirischen Erzählung "Der Rattenfänger von Harment" zu einem Anschlag auf den Premierminister aufgerufen zu haben. Brutale Haftbedingungen, unmenschliche und sinnlose Befragungen, Demütigungen und Psychoterror bestimmen nun seinen Alltag; für seine Folterer ist er ein muslimischer Terrorist, ein Landesverräter, nicht mehr als Abschaum. Während draußen der Krieg gegen den Terror tobt - mit Bombenanschlägen und Verhaftungswellen -, träumt sich Paul immer wieder hinfort in eine andere, fremde Welt - auf den Planeten Stygia, dessen Gesellschaft wie eine archaische SF-Version des talibanbeherrschten Afghanistans wirkt. Hier herrscht der Tyrann Astaroth über ein Volk, das sich nach der Besiedlung des Planten vom technischen Fortschritt losgesagt und einen Genozid an den sogenannten "Hundefroinden" angerichtet hat. Astaroth erwartet absolute Hörigkeit und strenge Moraltreue, obwohl er sich selbst die eigene Tochter als Geliebte hält. Der Träumer Paul, der auf Stygia den Namen Fremant angenommen hat, wird erst zum Teil seiner Leibgarde, später dann zum Feind des Tyrannen, und lernt die warmherzige, füllige Bellamia kennen und lieben. Doch immer wieder kehrt sein Bewusstsein in die Kerker der HARM-Behörde zurück, wo ihn neue Demütigungen und paranoide Befragungen erwarten.

Gerade mal 210 Seiten stark ist die deutsche Übersetzung seines Romans "Harm", doch darin verpackt Brian Aldiss eine ganze Menge Gedankenmaterial, das sich im Lauf der vergangenen Jahre angesammelt hat. Der "War on Terror" hat seine Spuren in den Köpfen hinterlassen - Angst und Misstrauen, wachsende Radikalität auf beiden Seiten und die Zerbröselung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. In vielen Anspielungen nimmt Aldiss die Worthülsen der Anti-Terror-Koalition aufs Korn, stellt sich den Fragen des religiösen Extremismus und flechtet dies alles in sein sehr affirmatives, symbolisches Werk ein. Das Ergebnis verstört, liest sich allerdings recht sperrig - zu unklar bleibt Aldiss in seiner Symbolsprache, zu willkürlich erscheinen die Wechsel zwischen der Gefängniswelt und Stygia. Auch bleibt Aldiss in seiner Analyse der Ursachen des Terrors und der Terrorfurcht, des radikalen Islamismus und der Islamophobie doch sehr an der Oberfläche und beschränkt sich darauf, die Schikanen des Kerkers zu zeigen, der wie eine Mischung aus Abu Ghareib, Guantanamo und Orwells "Ministerium der Liebe" wirkt. Auch die Stygiaszenen lassen einiges an der Präzision vermissen, wie man sie aus Aldiss' älteren Werken kennt. Hinzu kommt eine nicht allzu überzeugende Übersetzung, die das Buch auch sprachlich blass erscheinen lässt.

"Terror" ist damit ein interessantes literarisches Experiment, die SF-geprägte Umsetzung eines vielschichtigen Themas, das den Autor, wie man deutlich merkt, sehr bewegt und erzürnt. Dennoch ist er einer der schwächeren Romane von Brian Aldiss, der nicht an seine glorreichen Werke der Vergangenheit anknüpfen kann. Immerhin gelingt es Aldiss auch hier wieder, ohne Rücksicht auf literarische Konventionen seine Leser zu verstören. Das ist in der modernen SF eher selten geworden ... und einen Ausflug nach Stygia wert.

Hagen Hoffmann



Taschenbuch | Erschienen: 1. August 2009 | ISBN: 9783937897356 | Originaltitel: Harm | Preis: 14,90 Euro | 214 Seiten | Sprache: Deutsch

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