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 Gangster, Opfer, Detektive

Eine Typengeschichte des Kriminalromans

Autoren: Jochen Schmidt
Verlag: KBV

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Preis - Leistungs - Verhältnis
Der Kriminalroman ist eines der beliebtesten Literaturgenres, wie die Bestsellerlisten regelmäßig beweisen. Ob man einen überlegenen Denker wie Sherlock Holmes bevorzugt oder eher einen außergewöhnlichen Detektiv wie den Kater Francis aus Akif Pirinçcis „Felidae“-Romanen, ob man lieber packende Psychothriller oder gemütliche Regionalkrimis mag, ob man dem melancholischen Setting aus Schweden oder den verregneten britischen Landschaften mehr abgewinnen kann, ist letztlich Geschmackssache.

Der Krimi wird jedoch noch immer häufig als Trivialliteratur betrachtet und normalerweise nicht mit Hochliteratur auf eine Ebene gestellt. Dementsprechend ist die Zahl an Sachbüchern zum Thema noch recht überschaubar. Der Journalist Jochen Schmidt machte sich bereits 1989 daran, ein Standardwerk über die Typengeschichte des Kriminalromans zu schaffen. Das ausladende Werk „Gangster, Opfer, Detektive“ erschien 2009 in einer überarbeiteten, aktualisierten und erweiterten Neuauflage bei dem auf Krimis spezialisierten KBV Verlag.

Fünf große Kapitel mit zahlreichen Unterkapiteln erwarten den Leser. Mit dem Genre im Kreuzverhör geht es los: Der geschichtliche Abriss des Kriminalromans wird hier ebenso unter die Lupe genommen wie verschiedene Detektivtypen und die anhaltende, wenn nicht sogar steigende Popularität des Genres. Im folgenden Kapitel lernt man Die Klassiker und ihre Erben kennen. Arthur Conan Doyle, Agatha Christie und Raymond Chandler werden mit ihren Detektiven und ihren schriftstellerischen Vorgehensweisen vorgestellt; auch über Michael Crichton, Henning Mankell und Donna Leon und ihre Werke erfährt man mehr, um nur einige Namen zu nennen. Spezialisten und Außenseiter lautet der Titel des dritten Kapitels. Hier werden besondere Detektivfiguren – und ihre geistigen Schöpfer – vorgestellt, unter anderem Hannibal Lecter und Thomas Harris, Francis und Akif Pirinçci oder William von Baskerville und Umberto Eco. Mit Kriminalautoren und -romanen aus aller Welt befasst sich das Kapitel Abseits der angelsächsischen Hauptstraße. Wem Namen und Begriffe wie die Marseille-Trilogie, Hakan Nesser, Carlo Manzoni, Yasmina Khadra, Masako Togawa oder Nuri Vittachi geläufig sind, kommt hier voll auf seine Kosten. Um Geheimdienst und Politgeschäfte dreht sich alles im fünften Kapitel. Ian Fleming und sein James Bond dürfen ebenso wenig fehlen wie John Le Carré, Robert Ludlum und Dan Brown mitsamt ihrer Agenten und Verschwörungen. Das letzte Kapitel trägt den Namen Aus deutschen Landen und wirft unter anderem einen Blick auf die Geschichte des deutschen beziehungsweise deutschsprachigen Krimis, den Namensgeber des Friedrich-Glauser-Preises, Friedrich Dürrenmatts Arbeit, den Regionalkrimi, deutsche – überschätzte – Autorinnen und den Krimi in Österreich. Zuletzt gibt ein umfangreicher Anhang mit Bibliografie und verschiedenen Registern Hilfestellung beim Suchen bestimmter Autoren und Werke.

Mit genau 1127 Seiten bietet „Gangster, Opfer, Detektive“ nicht nur ein beeindruckendes Format, sondern auch einen erschöpfenden Überblick zu einem der beliebtesten Literaturgenres. Informationen in Hülle und Fülle, von den ganz großen Namen der Kriminalliteratur bis zu weniger bekannten, aber nichtsdestoweniger erwähnenswerten Schriftstellern, von den beliebtesten Spürnasen zu den eigenwilligsten Figuren, von verschiedenen Traditionen des Krimis zu besonders hervorstechenden Krimitypen, werden dem Leser in mal kurzen und auf den Punkt gebrachten, mal umfangreichen und themenübergreifenden Texten an die Hand gegeben. So hat man am Ende nicht nur ein umfassendes Bild zur Geschichte des Kriminalromans und zu seinen hervorstechendsten oder bemerkenswertesten Vertretern, sondern hat unterschiedliche Perspektiven und Richtungen kennengelernt, die das Genre so vielseitig und – entgegen seinem Ruf, reine Unterhaltungsliteratur zu sein – teilweise sehr komplex machen. Die Texte besprechen ausführlich Romaninhalte, Autorenbiografien, historische Aspekte und Interpretationen separat oder im Zusammenhang, und selbst Leser, die bisher noch nicht allzu oft mit dem Krimigenre in Berührung gekommen sind und wenig Vorwissen haben, werden so manchen sehr lesenswerten Artikel für sich entdecken und damit vielleicht auch die Lust, den Krimi für sich zu entdecken.

Dabei wagt es Jochen Schmidt, neben der Vorstellung zahlreicher Autoren und ihrer Werke sowie den geschichtlichen Abrissen, den Interpretationsansätzen und Analysen auch seine eigene Meinung einzubringen. Mit der nötigen Distanz und, bei Kritik, glaubhaften Argumenten und passenden Beispielen geht Schmidt an einzelne Werke heran, scheut weder direkte Worte noch die negative Besprechung anerkannter Romane und Autoren, die in den Bestsellerlisten vertreten waren. Der Leser bekommt nie eine bestimmte Meinung aufgezwungen, sondern lediglich eine gegenläufige Sichtweise angeboten; Schmidt verpackt seine Ansichten stets scharfsinnig, aber nie unangemessen.
Dem unbedarften Leser kommt es sehr entgegen, dass den einzelnen Artikeln neben sorgfältig gewählten Titeln und Untertiteln, die sowohl Themenschlagwörter als auch Autorennamen beinhalten, auch ausgewählte Bibliografien beigegeben sind, damit der eigenständigen Nachforschung und gegebenenfalls geweckter Leselaune nichts mehr im Wege steht.

Freunde der Kriminalliteratur, ob sie intellektuelles Rätselraten oder knallharte Tätersuche, skurrile Detektivfiguren oder gnadenlose Schnüffler, gemütliche Regionalkrimis oder atemlose Großstadtthriller bevorzugen, kommen mit „Gangster, Opfer, Detektive“ voll auf ihre Kosten. Mut zur subjektiven Meinung und ein umfangreicher Überblick, der keine Wünsche offen lässt, macht dieses Nachschlagewerk zur Pflichtlektüre für alle Hobbykriminologen.

Tina Klinkner



Hardcover | Erschienen: 8. Oktober 2009 | ISBN: 9783940077691 | Preis: 43,90 Euro | 1127 Seiten | Sprache: Deutsch

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