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 Abriss Leipzig


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Spannung


Dieser Krimi ist nichts für schwache Gemüter:
Es geht um jugendliche Stricher, um Schwulenhass und um immer mehr gewalttätige Übergriffe auf diese Gruppen.

Ein 17jähriger Junge wird ermordet aufgefunden, die Tatwaffe war ein auffallend schmales Messer. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass dieser Steven und manche seiner Freunde sich für Geld zu sexuellen Handlungen mit Männern verleiten lassen. Natürlich rutschen nach dieser Entdeckung die Freier Stevens in den Blick der ermittelnden Kommissare.
Nach einiger Zeit wird ein weiterer Stricher angegriffen, dieser überlebt, kann aber kaum Hinweise geben, die der Ermittlung dienen.
Als dann auch noch ein 14jähriger brutal zusammengeschlagen wird und im Koma liegt, verbreitet sich das Gerücht um einen Serienmörder, der seine Opfer im Kreise homosexueller Jungs sucht, in der Stadt. Die Kommissare tun alles, um dieses Gerücht aufzuklären und zu entkräften.
Doch zunehmend gewinnen die Kommissare Thorst Schmitt, Grischa Merghentin und vor allem Lars Kohlund persönliches Interesse an diesem Fall. Merghentin ist selbst homosexuell und wird von seinem Partner unter Druck gesetzt, gegen den Schwulenhass mobil zu machen. Kohlunds Sohn Gisbert hatte mit dem 14jährigen Patrick, der nun im Koma liegt, als einer der letzten Personen Kontakt und steht so indirekt unter Tatverdacht. Schmitt ist von der Grausamkeit, die nun schon unter jungen Kindern herrscht, schwer erschüttert und versucht, das Leid, das ihm begegnet, zu lindern.

All diese Polizisten tappen im Dunkeln und das Gerücht um einen Serienkiller scheint sich in schauriger Weise zu bewahrheiten, was natürlich auch für die Presse ein gefundenes Fressen ist ? vor allem, als der Kreis sich schließt und ein hochrangiger Politiker als Freier Stevens identifiziert wird. Nun gerät das Kommissariat endgültig unter Zugzwang.

In diesem Krimi, der, wie der Titel schon verrät, in Leipzig und den Vororten spielt, ist Gewalt das vorherrschende Motiv. Zartbesaitete Leser werden wohl schon in den ersten paar Seiten fast zum Aufgeben verleitet, wird hier doch ausführlich eine sadomasochistische Sexszene zwischen einem Stricher und seinem Freier beschrieben. Nach diesen, für manche wohl doch abstoßenden, Seiten sind aber längere Zeit keine größeren Schockeffekte mehr zu erwarten.

Ich selbst kenne mich in Leipzig nicht gut genug aus, um zu wissen, ob alle Schauplätze wirklich authentisch beschrieben sind, doch zumindest die bekannten Wahrzeichen und die Innenstadt sind treffend beschrieben.
Bei diesem Schauplatz handelt es sich um ein Leipzig zwischen Resignation und Hoffnung. Resignation wegen gescheiterter Olympia-Bewerbung und steigender Arbeitslosenzahlen, Hoffnung wegen vielen viel versprechenden Bauvorhaben, die vielleicht wieder mehr Arbeitsplätze bringen könnten.
Doch trotzdem überwiegt die Resignation, viele der Personen haben die Hoffnung auf einen Aufschwung verloren und leben nur noch knapp über der Armutsgrenze. Im Strudel aus Gewalt und Armut gehen viele der Existenzen kaputt, vor allem die Einzelschicksale der Familien der Opfer werden eindrucksvoll geschildert.
Sehr löblich finde ich die Idee des Autors, eine deutsche Stadt als Schauplatz zu verwenden. Eine schöne Abwechslung in Zeiten, in denen viele Krimis in amerikanischen oder skandinavischen Städten spielen, die vor allem Ortskenner dazu einlädt, auf den Spuren Kommissar Kohlunds zu wandeln.

Der Schreibstil ist teilweise schwer zu verfolgen, er eignet sich nicht zum flüchtigen und nebensächlichem Lesen, auf die Zeilen Henner Kottes muss man sich als Leser konzentrieren. Gewöhnungsbedürftig ist zu Anfang vor allem, dass keine Anführungszeichen, sondern Gedankenstriche verwendet werden, um wörtliche Rede zu kennzeichnen. Doch nach ein paar Seiten hat man sich auch an diese Eigenheit gewöhnt. Viele kurze, umgangssprachliche Sätze verdeutlichen die Brutalität und Schroffheit, der die Kommissare tagtäglich begegnen. Für Illusionen ist in ihrem Beruf kein Platz mehr, sie werden erst gerufen, wenn schon alles zu spät ist. Diese besondere Form der Resignation zeigt sich in allen Eigenheiten der ermittelnden Personen.
Eine Schwierigkeit des Krimis liegt auch darin, dass die Sichtweise von Kapitel zu Kapitel wechselt. Jeder der drei Kommissare kommt zu Wort und gewährt dem Leser Einblick in seine Gedanken und Gefühle, teilweise werden auch weniger wichtige Personen zu Hauptpersonen eines Kapitels. Dies kann anfänglich sehr verwirrend sein, bis sich die Namen und Zusammenhänge vollends eingeprägt haben.

Das Buch endet relativ offen, da es der erste Band einer Serie ist. Der zweite Band ist in Vorbereitung, dies sollte der Käufer beachten, da er ansonsten mit ungestillter Neugier zurückbleibt.

Fazit:
Für Krimifans, die auch vor blutigen Szenen nicht zurückschrecken und trotzdem auch feine psychologische Einzelheiten nicht missen wollen, ist dieser Krimi sehr geeignet. Man muss allerdings gewillt sein, sich voll auf diesen Krimi einzulassen, da einem sonst die Lust aufs Lesen vergehen könnte.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 1. August 2005 | ISBN: 3865520251 | Preis: 9,95 Euro | 288 Seiten | Sprache: deutsch

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