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 Ruhestörung


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
John Wilder ruft nach einer Geschäftsreise zu Hause an und erklärt seiner Frau, er könne nicht nach Hause kommen, weil er zu viel getrunken habe. Als sie nachhakt, werden seine Argumente abstrus und kulminieren in der Behauptung, er laufe Gefahr, sie und den gemeinsamen Sohn umzubringen. Die Frau bittet einen Freund der Familie, scheinbar zufällig in der Bar aufzukreuzen, in der sich ihr Mann befindet. Er tut ihr den Gefallen, und da John Wilder ganz offensichtlich einen Nervenzusammenbruch hat, landet er schließlich in der Psychiatrie, wo er aufgrund widriger Umstände fast eine Woche bleiben muss.
Was dem im Grunde erfolgreichen Mittelschicht-Amerikaner eigentlich eine Lehre sein sollte, bleibt wirkungslos. Alkohol in exzessiver Menge – dazwischen Besuche bei den Anonymen Alkoholikern -, Frauen und unrealistische Träume von einer Karriere als Filmproduzent ziehen Wilder immer weiter hinunter.
Eine junge Geliebte träumt den Traum vom Film mit und bringt Wilder mit ihren Freunden zusammen, die ein bisschen Erfahrung mit Drehbuchschreiben und Filmen haben und bereit sind, seine Erfahrungen in der Psychiatrie filmisch umzusetzen. Für ihn scheint die Erfüllung seines Traumes anzulaufen. Und dies bildet den Auftakt zum endgültigen Absturz.

Der Autor dieses Buchs, John Wilder, starb 1992. "Ruhestörung" ist in den frühen 60er-Jahren angesiedelt und schildert vor diesem Hintergrund sehr intensiv die Selbstzerstörung eines klassischen Mittelschichtmannes, der "doch alles hat, was er braucht".
Als der Leser Wilder kennen lernt, ist dieser schon ziemlich tief gesunken. Der etwas klein geratene Protagonist steckt voller Komplexe und hegt den verzweifelten Wunsch, es den größer Gewachsenen ordentlich zu zeigen. Dabei könnte er auf seine beruflichen Leistungen stolz sein, die ihm trotz seiner Leseschwäche – für ihn ein zusätzliches Defizit – gelungen sind. Der spannungsgeladene Romananfang leitet eine Geschichte voller Höhen und Tiefen ein, nicht immer ganz nachvollziehbar, was natürlich bei psychischen Erkrankungen auch nicht zu erwarten ist, und stets höchst drastisch geschildert, insbesondere der Aufenthalt in der Psychiatrie. Gelegentlich kommt im kritischen Leser wohl die Frage auf, ob da nicht ein bisschen viel Effekthascherei eingesetzt wurde. Dies vor allem auch angesichts der eingeflochtenen Geschichte eines anderen Trinkers, dem der Ausstieg aus der Sucht gelingt und der schließlich die von Wilder erträumte Karriere als Filmproduzent macht, und zwischen dem und Wilder die Geliebte hin und her pendelt. Freilich beabsichtigte der Autor, sowohl den klischeehaften Durchschnitt als auch Extreme der Gesellschaft in der Zeit von Kennedys Präsidentschaft abzubilden, und dies mittels kräftiger Überzeichnung. - Dass am Ende ein oberflächliches "Friede, Freude, Eierkuchen" für alle Beteiligten außer vermutlich dem Protagonisten selbst resultiert, irritiert ein wenig.
Einerseits handelt es sich bei "Ruhestörung" um einen sehr starken Roman, der verstörend und provozierend aufzeigt, wie leicht ein Abrutschen in Sucht und Psychose möglich ist, andererseits wirkt der Protagonist zu jeder Zeit so unsympathisch, auch in Rückblenden, dass sich der Leser nicht mit ihm identifizieren kann beziehungsweise möchte, weshalb er als Beobachter des Geschehens in und um Wilder im Grunde außen vor bleibt.
Je nachdem, wie sehr sich der Leser auf diesen ungewöhnlichen Roman einzulassen bereit ist, dürfte seine Bewertung unterschiedlich ausfallen. Interessant ist die Lektüre auf jeden Fall.

Regina Károlyi



Hardcover | Erschienen: 12. April 2010 | ISBN: 9783421043931 | Originaltitel: Disturbing the Peace | Preis: 19,95 Euro | 316 Seiten | Sprache: Deutsch

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