Er ist einer der größten Parks der Welt, seine Anlage kunstvoll, seine Geschichte bewegt, sein Name legendär - der Berliner Tiergarten. Auch wenn ihm jüngst der umgewidmete Tempelhofer Flughafen den Rang als größte Parkanlage Berlins streitig gemacht hat, ist der Tiergarten nach wie vor das "grüne Wahrzeichen" der Hauptstadt, wird stark von den Stadtbewohnern und -besuchern frequentiert und ist mit seinen berühmten Wahrzeichen wie der Siegessäule, dem Brandenburger Tor, dem Zoologischen Garten und dem Sowjetischen Ehrenmal ein Teil der Stadtgeschichte.

Zwar wird sich in jedem Berlin-Reiseführer ein kurzer Abschnitt über diesen gewaltigen Park finden. Wissenschaftliche Lektüre über den Tiergarten ist jedoch schwer zu finden. Um so willkommener ist ein neu erschienenes Buch von Susanna Brogi, das diese Lücke füllt. Brogi schreibt aus einer literatur- und kulturwissenschaftlichen Perspektive über den Tiergarten; ihr Hauptaugenmerk liegt auf den verschiedenen literarischen Zeugnissen über den Park. Ob Joseph Roth, Walter Benjamin, Ingeborg Bachmann oder Uwe Timm - sie alle haben den Tiergarten als Schauplatz in ihren Romanen und Tagebüchern gewählt und ihm damit weitere Denkmäler gesetzt. Aber Brogi verharrt nicht bei reinen Literaturanalysen; sie gibt zugleich einen historischen und kunsthistorischen Abriss über die mächtige Parkanlage, die im Lauf der Jahrhunderte immer wieder ihre Gestalt veränderte - vom kurfürstlichen Jagdgebiet zur europäischen Parkanlage, vom Naherholungsgebiet zum Brennpunkt internationaler "Events" wie der Loveparade. Dabei passten die Stadtherren und ihre Landschaftsarchitekten den Tiergarten immer wieder den neuen Bedürfnissen, verteidigten ihn gegen städtebauliche Maßnahmen oder missbrauchten ihn für Machtdemonstrationen.

Der Park als Zeugnis der Stadtgeschichte und der Berliner Literatur - es ist ein beeindruckendes Fazit, das Susanna Brogi mit ihrer Untersuchung vor dem Leser ausbreitet. Alt- und Neuberliner, die sich ruhig einmal anspruchsvoller mit "ihrem" Park auseinandersetzen wollen, erhalten hier eine Fundgrube an Informationen, Literaturhinweisen und Anregungen zum Erforschen des Tiergartens - das alles auf knapp 450 Seiten und mit einem üppigen Bildanhang mit Skizzen, Bildern, Fotos (leider nur schwarzweiß). Ein philologischer Spaziergang, der sich lohnt!