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 Chicken Dance


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Als der elfjährige Dan den Hühner-Wissens-Wettbewerb beim "Milch-und-Eier-Festival" seiner Stadt gewinnt, ist es der glücklichste Tag seines Lebens. Vorher war Dan eher ein stiller Außenseiter, jetzt wollen alle Kinder in der Schule mit ihm befreundet sein, sogar der coole Leon, der ihn bisher immer nur geärgert und schikaniert hat. Auch Dans Mutter, die Hühner eigentlich hasst, beginnt sich für das Thema zu erwärmen, denn plötzlich verlangt alle Welt Eier von ihrem Hof – schließlich ist hier der jüngste Wettbewerbsgewinner aller Zeiten zuhause, und wenn der sich nicht auskennt mit Hühnern, wer dann?
Doch Dans Glück währt nur kurz, plötzlich wird nämlich alles furchtbar verrückt. Der Elfjährige findet in einer Schachtel zufällig die Geburtsurkunde eines Jungen, der genauso alt ist wie er selbst und der Stanley heißt. Hat Dan einen Bruder, von dem er nichts weiß? Der Junge reimt sich zusammen, dass er und Stanley getrennt wurden, als er noch klein war, und dass er seinen Bruder wiederfinden kann, wenn er nur genug nach ihm sucht. Und dann wäre da noch Dans Schwester Dawn, die starb, als Dan noch ein Baby war, und die bis heute einen Schatten über die Familie wirft. Gerade als Dan glaubt, dass es nicht noch verwirrender und chaotischer werden könnte in seinem Leben, passiert etwas, das alles auf den Kopf stellt …

"Chicken Dance" ist ein spannendes, verrücktes und auch ein bisschen trauriges Kinderbuch aus der Feder von Jacques Couvillon. Gerade für junge Leser bietet die Geschichte viel Stoff zum Nachdenken, allein schon deshalb, weil sie in einer für deutsche Kinder wohl völlig fremden Welt spielt: Dans Eltern haben eine Hühnerfarm in Louisiana – gezwungenermaßen, denn eigentlich mögen sie gar keine Hühner. Dans Großonkel hat aber verfügt, dass sie das Farmgebäude nur dann erben können, wenn sie mindestens zehn Jahre lang Hühner halten. Für Dans Mutter ist das eine furchtbare Strafe, Dan aber liebt die Hühner, spricht viel mit ihnen und behandelt sie wie kleine Persönlichkeiten. Das Hühnerfarm-Szenario allein ist schon seltsam genug - dass man aber zum Star der Schule, ja der ganzen Stadt aufsteigt, weil man bei einem Wettbewerb sein Wissen über Hühner beweist, dürfte vor allem für Stadtkinder etwas ganz Neues sein (das Buch spielt in den 1980er Jahren, dennoch dürfte sich auf dem Land wohl nicht allzu viel geändert haben).

Augenzwinkernd und mit Sinn für merkwürdige Situationen, wie sie nur das Leben schreiben kann, schildert der Autor Dans Welt. Die ist aber auch ziemlich traurig: Seit dem Tod seiner großen Schwester, die er nie kennen gelernt hat, liegt in der Familie einiges im Argen. Dans Mutter will nicht "Mom" von ihm genannt werden; niemals nimmt sie ihn in den Arm oder sagt ihm, dass sie ihn lieb hat. Das Essen wird stets schweigend vor dem Fernseher eingenommen und die Eltern vergessen Dans Geburtstag einfach und ignorieren ihn auch sonst die meiste Zeit. Eigentlich ziemlich harter Stoff, der durch die Augen des elfjährigen Dan sehr glaubwürdig und auch nicht zu kompliziert präsentiert wird, auch wenn Kinder vielleicht nicht alle Neurosen und Psycho-Macken von Dans Mutter begreifen werden.

Außergewöhnlich ist "Chicken Dance" vor allem deshalb, weil Jacques Couvillon gekonnt einen großen Bogen schlägt vom etwas kuriosen, ja sogar schwarzhumorigen Kinderbuch hin zum großen Familiendrama, das in einer dramatischen, aber auch schönen Auflösung gipfelt. Am Ende gibt es eine große Überraschung, die alles, was man bisher gelesen hat, in Frage stellt und unter einem ganz neuen Blickwinkel zeigt.
Ein kleines Manko ist die Altersempfehlung - der Verlag empfiehlt das Buch ab vierzehn, Vierzehnjährige werden sich aber nicht unbedingt für die Welt eines Elfjährigen interessieren. Elfjährige wiederum werden die vielen Wendungen und die Untertöne vielleicht nicht verstehen. Kinder, die schon einige Bücher gelesen haben, sollten aber schon ab zwölf mit "Chicken Dance" zurechtkommen.

Fazit: "Chicken Dance" ist ein Buch zum Staunen, Lachen, Traurig-Sein und ein bisschen auch zum Erwachsenwerden, mit einem sympathischen kleinen Helden auf der Spur seines verschwundenen Bruders und seiner toten Schwester – und mit einer ganz großen, sehr überraschenden Wendung am Ende.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 5. Februar 2011 | ISBN: 978-3827054586 | Originaltitel: The Chicken Dance | Preis: 16,90 Euro | 334 Seiten | Sprache: Deutsch

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