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 Runewars

Kampf um Terrinoth


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie
Im Lande Terrinoth geht es ab sofort heiß her – nachdem sich in den Brettspielen "Descent" und "Runebound" noch kleine Heldengruppen in den Landschaften und Verliesen des Landes prügelten, geben sich in "Runewars" ganze Völker gegenseitig einen auf den Latz. Der Grund: Da liegen halt Drachenrunen im Land herum, und alle sind sich einig, dass magische Artefakte mit dem Wort "Drache" drin es wert sind, den einen oder anderen Krieg drüber anzuzetteln. Die längere Kurzgeschichte, die den Hintergrund des Brettspiels beschreibt, erklärt zwar auf genretypisch trashige Art und Weise, warum diese Drachenrunen so mächtig sind, aber den Spielern kann das ja letztlich egal sein, solange es irgendein Ziel gibt, für das man ganze Plastikheere in die Schlacht führen kann.

Bis zu vier Völker stehen sich in einer Partie "Runewars" gegenüber: Menschen, Elfen, Untote und Dämonen. Wer zuerst sechs Gebiete mit Drachenrunen kontrolliert, gewinnt das Spiel – netterweise besitzt man zu Beginn des Spiels bereits zwei, irgendwo werden also schon vier neue aufzutreiben sein. Durch das Erfüllen von Zielkarten, das Einnehmen gegnerischer Gebiete, durch besondere Bietrunden und auch durch das Questen mit den aus "Descent" und "Runewars" bekannten Helden kommt man an die begehrten Steinchen heran und bringt sich so dem Ziel immer näher.

Das Spiel ist dabei in sechs Jahre mit je vier Jahreszeiten aufgeteilt – jede Jahreszeit entspricht einer Spielrunde. Gesteuert wird "Runewars" dabei durch acht Befehlskarten, die jeder Spieler besitzt und von denen man jede Runde eine ausspielt. Je nach gewählter Karte führt man in der Runde dann unterschiedliche Aktionen aus – das kann das Bewegen von und Angreifen mit Truppen sein, das Einziehen von Ressourcen, das Ausbilden neuer Truppen oder das Bauen von Festungen. Fast jede Karte hat außerdem eine attraktive Bonusfunktion, die jedoch nur dann aktiviert wird, wenn in diesem Jahr noch keine Karte eines höheren Werts gespielt wurde. Wer effizient spielen möchte, muss also gut planen.

Jeder Spieler beginnt zunächst mit zwei Drachenrunen, einer Festung und ein paar Starteinheiten in seinem Heimatreich. Dahinter tun sich neue Lande auf, die Ressourcen und Städte, aber auch feindliche Kreaturen beherbergen. Erstere bringen dem Spieler Vorteile, letztere müssen mit Waffengewalt oder silbernen Zungen zunächst eines Besseren belehrt werden. Kampf und Diplomatie werden in "Runewars" jedoch nicht durch Würfel entschieden, sondern durch einen Stapel Schicksalskarten, was im Endeffekt jedoch ähnlich funktioniert. Jede der vielen Dutzend Plastikfiguren steht auf einem dreieckigen, runden, rechteckigen oder sechseckigen Sockel, und für jede Einheit zieht man im Kampf in Reihenfolge eine Karte. Ein Symbol neben dem passenden Sockelsymbol sagt dann, ob man getroffen hat oder eine Sonderfähigkeit aktiviert. Das geht zügig und ist sehr eingängig – jedoch muss man sich mal wieder mit komplizierten Regeln für das Fliehen und Zurückziehen von Einheiten auseinandersetzen, die das Kampfsystem unnötig aufblähen.

Recht clever gelöst ist dagegen das Ressourcensystem des Spiels. Durch den Besitz von Gebieten erlangt man die Kontrolle über Nahrungs-, Holz- und Erz-Symbole. Die aktuellen Rohstoffe stellt man auf der eigenen Anzeigetafel ein. Diese wird jedoch nur dann aktualisiert, wenn man die Befehlskarte "Ernte" spielt, was man natürlich nur dann machen möchte, wenn man möglichst viel eingenommen hat. Und je mehr Ressourcen man besitzt, desto mehr Einheiten, Einflussmarker und Taktikkarten kann man einsammeln.

Neben dem militärischen und ökonomischen Aspekt des Spiels gibt es jedoch auch noch eine kleine Rollenspielkomponente. Im Sommer jedes Jahres bewegen sich nämlich die Helden der Spieler, um Questen zu erfüllen oder die Helden der anderen zu verdreschen. Für das Bestehen von Abenteuern müssen die Recken an bestimmte Orte reisen und dort Proben ablegen, die ebenfalls über die Schicksalskarten bestritten werden – bei Erfolg gibt es dann meistens eine Belohnung in Form von Gegenständen, unter denen auch Drachenrunen sein können.

So erobert, kämpft und questet man sich durch die Jahreszeiten, bis entweder sechs Jahre vorbei sind – was mitunter länger als fünf Stunden dauern kann – oder bis jemand sechs Drachenrunen kontrolliert – was wesentlich häufiger passiert und schon nach angenehmen zweieinhalb Stunden eintreten kann.

Wie die exorbitante Schachtel des Spiels andeutet, ist "Runewars" in bester Tradition des Verlags mal wieder klasse ausgestattet. Diesmal ist FFG jedoch übers Ziel hinausgeschossen, schließlich fallen neben den vielen Plastikminiaturen vor allem die vorbemalten Berge auf, die sich in die Spielplanteile integrieren lassen, letztendlich jedoch keine Funktion erfüllen, außer cool auszusehen – die unpassierbaren Grenzen, die sie darstellen, sind auch auf den Spielplan aufgedruckt. Aber auch spielerisch ist "Runewars" rundum gelungen, erinnert sogar in einigen Aspekten an das famose "Twilight Imperium", auf dem es in gewisser Weise auch basiert. Die Kämpfe gehen flott von der Hand, die Helden und besondere Ereignisse bringen laufend Abwechslung ins Spiel, ausgeglichene Partien können wahnwitzig spannend und unberechenbar sein und das komplette Szenario ist stimmig umgesetzt.

Anders als bei "Twilight Imperium" ist jedoch der Hintergrund bedeutend schwächer, die Identifikation mit dem eigenen Volk fällt schwerer. Die Kurzgeschichte zu Beginn der Regel charakterisiert nur zwei der Fraktionen bruchstückhaft – warum sich Dämonen und Elfen in den tobenden Konflikt mit einmischen, muss man sich selbst ausdenken. Nun gut, im Endeffekt erzählt das Spiel selbst die Geschichte – doch hier liegt der schwerwiegendere Fehler, dass man häufig das Gefühl hat, keinen echten Einfluss auf den Ausgang der Story nehmen zu können. Sowas wie eine Strategie braucht man in "Runewars" nicht, und nur wenige der eigenen Entscheidungen haben dank der enormen Wirkung vieler Ereignis- und Taktikkarten echte Relevanz. Es entsteht von Partie zu Partie immer mehr das Gefühl, dass man nicht das Spiel spielt, sondern dem Spiel ausgeliefert ist, selbst gespielt wird. Das ist nicht so schlimm, wie es sich anhört, denn das Chaos, das bei jeder Partie auf dem Brett herrscht, ist durchaus unterhaltsam. Wer mehr taktische Tiefe sucht oder nicht ganz so viel Zeit hat, ist bei "Chaos in der Alten Welt" aber wahrscheinlich besser aufgehoben. Nichtsdestotrotz: Fantasy-Kriegsspiele dieser Größenordnung und mit dieser Ausstattung gibt es nicht viele. Wer sich mit dem Szenario anfreunden kann und noch Platz für die große Schachtel im Spieleregal hat, der kann die Völkerschlacht um magische Drachenkiesel auf dem Spieletisch guten Gewissens ins Rollen bringen.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 21. Oktober 2010 | Originaltitel: Runewars | Preis: 65 Euro | für 2 - 4 Spieler | Sprache: Deutsch

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