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 Fantômas

Ein Zug verschwindet


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Fantômas kennen wir in Deutschland bestenfalls aus den Komödien mit Louis de Funès, in denen ein trottliger Kommissar immer wieder durch Glück die Pläne eines maskierten Meisterkriminellen vereitelt. Doch die Figur des Fantomas wurde von zwei Autoren vor dem ersten Weltkrieg erfunden. In monatlich erscheinenden Romanen haben die beiden wenig komisches geschrieben, sondern mitunter sehr brutale und skrupellose Geschichten, in denen sich das Genie Fantômas und sein Jäger, der Kommissar Juve, ein verbissenes Dauerduell liefern.

Mit dem Roman "Fantômas - Ein Zug verschwindet" wird zum ersten Mal nach langer Zeit einer der frühen Fantômas-Romane wieder auf Deutsch vermarktet. Der 400-seitige Text im Hardcover handelt von einem Versuch Fantômas', seinen Jäger in eine tödliche Falle zu locken. Hierbei laufen die Handlungsfäden mehrerer Figuren parallel, bevor sie sich schließlich in einem Wanderzirkus treffen. Neben Juve und Fantômas wird vor allem die Geschichte von Helene geschrieben, Fantômas' Tochter, die in Belgien in den Verdacht gerät, einen Doppelmord begangen zu haben und sich schließlich durch eine gewagte Flucht retten kann.

Der Roman ist wie ein Puzzle aufgebaut. Abwechselnd erfährt der Leser mehr und mehr von den Erlebnissen der Hauptfiguren, die durch halb Europa reisen. Nach und nach verweben sich die einzelnen Handlungsstränge zu einem. Den Sinn vieler Ereignisse erfährt der Leser oft erst hunderte Seiten später. So setzt sich das Ganze der Handlung erst zusammen, wenn der Leser das komplette Buch gelesen hat. Viele Querverweise auf frühere Romane sorgen darüber hinaus für eine Einordnung in die Gesamtgeschichte der Reihe.

"Fantômas - Ein Zug verschwindet" ist nicht zuletzt deswegen ein interessanter Krimi, weil er viel über die französische Trivialliteratur vor dem ersten Weltkrieg transportiert. Es ist ein Buch voller abscheulicher Verbrechen, einer Liebe zum Detail und einer Vernarrtheit in List und Dreitsigkeit, es ist auch ein Buch mit einem seltsamen Frauenbild.

Vieles von dem, was damals sicher eine erschreckende Wirkung erzielte, dürfte heute niemanden mehr groß beeindrucken. Dennoch sind manche Szenen auch heute noch wirksam, beispielsweise wenn es im Schachspiel zwischen Juve und Fantômas zu einer tragischen Szene kommt, in der eine Frau ihren Ehemann unwissend brutal erdolcht.

Am meisten muss sich der Leser sicher am Schreibstil gewöhnen. Dieser ist ungemein redundant und teilweise so einfach gehalten als wäre der Text für Kinder geschrieben. So wird oft auch das Offensichtlichste noch erklärt und benannt. Ohne diese Redundanzen und unnötigen Erklärungen wäre das Buch um einiges kürzer. Ebenfalls ist es etwas nervend, wenn Figuren durchgehend nicht namentlich, sondern durch einen Status benannt werden. So wird Helene fast immer als "Tochter von Fantômas" bezeichnet, was dazu führt, das auf manchen Seiten ein halbes Dutzend mal "Tochter von Fantômas" geschrieben steht.

Die Handlung selbst ist einem guten Krimi sicher angemessen. Rätsel, verschlungene Handlungen und viele Irrungen führen schließlich zu einer Auflösung. Dennoch handelt es sich um Trivialliteratur, die auch so hergestellt wurde: in einem Schnellverfahren. Immerhin musste jeden Monat ein Fantômasroman fertig werden. Ein literarischer Hochgenuss ist dieser Roman also nicht.

Wer Krimis mag, sich gerne in verschlungene Handlungen hineindenkt und vielleicht noch Geschmack an einem hundert Jahre alten Schreibstil findet, dem darf dieses Buch empfohlen werden. Für Leserinnen und Leser, die weniger Geschmack an Krimis finden, dürfte auch der Klassikerstatus, den die Fantômas-Romane inzwischen haben, kaum überzeugend sein.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 8. August 2011 | ISBN: 978-3905513547 | Originaltitel: Le Train Perdu | Preis: 24,90 Euro | 400 Seiten | Sprache: Deutsch

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