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 Geschichte der politischen Philosophie


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John Rawls ist sicher der bekannteste Philosoph der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wenn es um Fragen der Gerechtigkeit und der politischen Philosophie geht. Seine Hauptwerke sind bereits heute Klassiker der Ideengeschichte. Nicht weniger interessant für die Philosophie und für das Verständnis seines Werkes sind natürlich seine Gedanken zu den großen Denkern der politischen Philosophie. Rawls hatte in seinem Lehrangebot stets eine Vorlesung zur Geschichte der politischen Philosophie. Diese Vorlesungen hat Suhrkamp nun auf Deutsch herausgegeben.

Das fast 700-seitige Buch bietet große Hauptteile dieser häufige gehaltenen Vorlesung. Rawls hat dabei stets mehrere Sitzungen für die aus seiner Sicht interessantesten Autoren reserviert. Das Buch ist dementsprechend gegliedert. Es finden sich jeweils drei bis fünf Vorlesungsskripte zu Hobbes, Locke, Hume, Rousseau, Mill und Marx. Im Anhang finden sich ähnlich umfangreiche Skripte zu Sidgwick und Butler.

Rawls geht mit jedem Autor gleich um. Er beschreibt zunächst die historischen Bedingungen, unter denen die Autoren schrieben. Er arbeitet heraus, welche Fragen die Leitlinien ihrer Arbeit bestimmten. Daraufhin arbeitet er sich an den wichtigsten Begriffen der jeweiligen Konzeptionen ab. Rawls legt großen Wert darauf, jeden Autor so zu lesen und vorzustellen, dass er möglichst überzeugend wirkt. Das heißt, dass bei auftauchenden Verständnisproblemen oder vermeintlichen Widersprüchen nach einer Interpretation zugunsten des jeweiligen Denkers gesucht wird. Rawls will so jedem von ihnen als großen Denker gerecht werden. In einem einleitenden Text zur politischen Philosophie erläutert Rawls diesen Ansatz ausführlich. In den Vorlesungen kommt er immer wieder darauf zurück.

Zu vielen Vorlesungen gibt es einen eigenen Anhang mit älteren oder ergänzenden Skripten zu den einzelnen Sitzungen. Da Rawls diese Vorlesung Jahrzehnte lang hielt hat sie sich stetig entwickelt und verändert. Durch diese Anhänge kann dieser Prozess teilweise vom Leser nachvollzogen werden.

Im Anhang des Buches findet sich ein Register.

John Rawls "Geschichte der politischen Philosophie" ist ohne jede Einschränkung zu empfehlen. Das Buch bietet zwei interessante Aspekte. Zum einen ist es eine leicht verständliche Einführung in die politische Philosophie, die einige der wichtigsten Autoren der europäischen Neuzeit vorstellt. Zum anderen verknüpft Rawls selbst immer wieder seine eigene Ideen mit dem Stoff und verortet so seine eigene Philosophie ideengeschichtlich.

Die leicht verständliche Sprache einer einführenden Vorlesung macht das Buch auch für Erstsemester und interessierte Laien verständlich. Rawls vermag es, weitgehend anschaulich auch komplexe Ideen dem Leser beziehungsweise Hörer zu vermitteln. Dabei sollte nur immer im Hinterkopf bleiben, dass Rawls natürlich in dieser Form keine vollständigen Überblicke über das Denken jedes angesprochenen Philosophen geben kann. Er selbst erinnert im Text immer wieder daran, dass er hier auswählt nach Kriterien, die er persönlich für die wichtigsten hält.

Rawls Konzept, die Autoren immer in ihrer überzeugendsten Lesart vorzustellen und bei Problemen immer nach Lösungen zu suchen, die ihre Ideen und Konzeptionen retten, ist didaktisch durchaus gelungen. Jeder Gedankengang der einzelnen Denker wird dadurch gewürdigt und gerade der Einsteiger in die politische Philosophie lernt dabei, wie überzeugend auch grundverschiedene und sich ausschließende Ideen und Konzepte sein können. Diese Erfahrung ist Grundlage eines kritischen Denkens, aber leider nicht mehr. Der kritische Leser fragt sich oft, ob das wirklich immer der beste Weg ist. Denn letztlich ist auch Kritik ein wichtiger Bestandteil der politischen Philosophie und in einer Vorlesung oder Einführung sollte auch dafür Platz sein. Kein Denker war jemals frei von Inkonsistenzen oder Widersprüchen. Das sollte bei aller notwendigen Würdigung auch nicht vergessen werden.

Dass daran gedacht wurde, teilweise ältere Skripte zu den Vorlesungen mit abzudrucken und so ihre Entwicklung zu dokumentieren, ist besonders für jene interessant, die sich für Rawls Denken interessieren und damit erstmals auf Deutsch Zugang zu diesen Quellen bekommen.

Jeder, der sich für politische Philosophie interessiert, sollte diese Vorlesungen lesen. Die einen, um sich mittels Rawls in die Konzepte der großen Klassiker einzulesen, die anderen, um sich mit Rawls Lesart kritisch auseinander zusetzen.

Andreas Schmidt



Taschenbuch, | Erschienen: 23. Januar 2012 | ISBN: 978-3518296226 | Preis: 22 Euro | 671 Seiten | Sprache: Deutsch

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