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 "Zu keinem ein Wort!"

Überleben im Versteck

Autoren: Lutz van Dijk
Verlag: cbt

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Eine junge deutsche Jüdin mit tschechischen Wurzeln, eine Halbwaise, muss mit ihrer kleinen Schwester Jutta in die Niederlande fliehen, die ersten Juden sind schon aus Frankfurt abgeholt worden, Deutschland ist zu unsicher geworden in diesem Jahr 1938. Cäcilie "Cilly" Levitus kommt in ein neues Land mit einer fremden Sprache in ein Kinderheim. Ihre Mutter und der kleine Bruder Jossel bleiben zurück, Hanna, die älteste von vier Kindern, darf nach Palästina ausreisen und ist als Einzige einigermaßen problemfrei versorgt. Cilly schwört der Mutter, auf Jutta aufzupassen, aber das wird gar nicht so einfach sein.

Vorerst geht es den beiden gut in Amsterdam, sie haben ein zwar recht strenges, aber erträgliches Heim, Cilly beginnt bald eine Schule in Richtung Hauswirtschaft und lernt später in der Kinderbetreuung. Aber 1940 marschieren die Deutschen in den Niederlanden ein, und langsam aber sicher wird hier alles so wie in Deutschland. Die Shouwburg, ein Theater, wird zur Sammelstelle gemacht. Der Kindergarten, in dem Cilly arbeitet, liegt dem Theater direkt gegenüber. Die Kinder wechseln plötzlich täglich, viele sind nur noch auf der Durchreise, werden den Altern beim Eintreffen an der Shouwburg abgenommen und kommen oft auf eigene Transporte ins KZ. Cilly schafft es zweimal, ihre Schwester zu retten, wenigstens sie, wo doch die Mutter eine letzte Karte vom Zug in Richtung Osten schrieb, sie wurde nie wieder gesehen. Einmal muss ihr ein SS-Mann helfen, ein kleines Wunder in dunkler Zeit.

Cilly lernt einen netten Jungen kennen, Jakov, und sie verlieben sich ineinander, mitten im Krieg, während der barbarischen Verfolgung. Er ist es auch, der ihr falsche Papiere besorgt und mithilfe ihrer ehemaligen Lehrerinnen können nicht nur Cilly und Jakov, sondern auch Jutta untertauchen. Cilly, die jetzt Berthy heißt, kommt auf dem Land unter. Zwar wird der nette Bauer, der sie aufgenommen hat, manchmal etwas zudringlich, aber für ein halbes Jahr ist sie sicher. Dann kommt das Gerücht auf, sie sei Jüdin, und wieder ist sie auf der Flucht. Eine größere Gruppe SS-Leute sieht junge Leute ein Picknick machen und niemand wird stutzig. Alles jüdische Kinder und Jugendliche, die vorgewarnt waren und nicht in dem Bauernhaus blieben, das die SS-Leute wenig später durchsuchten. Cilly überlebt, Jutta überlebt, aber die vielen, die nicht überlebten, bleiben ein Schrecken, wie ihn die Welt hoffentlich nie wieder sehen wird.

Der deutsch-niederländische Autor Lutz van Dijk hat Cillys Geschichte aufgeschrieben, hat viele Interviews mit ihr geführt, hat auch eine Menge anderer Zeugen befragt und hat die Geschichte so geschrieben, dass sie aus Cillys Mund zu kommen scheint. Das gelingt auch, das Buch bringt Einblicke in die gleiche Stadt, in der auch Anne Frank lebte, bis man sie deportierte. Um allerdings richtig zu erschüttern, bleibt das Buch doch zu distanziert. Es ist eben die Geschichte, die eine fast achtzigjährige Frau einem Mann im mittleren Alter erzählt, da ist manches unsicher in der Erinnerung, da geht eine Menge Authentizität verloren. Ansonsten ist das alles ganz nett erzählt, nur leider weder wirklich anrührend noch besonders spannend. Kein schlechtes Buch, aber auch nichts, was man gelesen haben muss. Wer aufrütteln will, sollte andere Bücher verschenken, für Leute, die die Klassiker schon durch haben, ist es durchaus eine interessante Vertiefung.

Holger Hennig



Taschenbuch | Erschienen: 01. September 2005 | ISBN: 3570303160 | Preis: 6,90 Euro | 220 Seiten

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