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 MUH!

Autoren: David Safier
Verlag: Kindler

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
So hat sich Kuh Lolle das nun wirklich nicht vorgestellt. Anstatt mit ihrem Stier Champion glücklich verliebt über die Wiesen ihres norddeutschen Bauernhofes zu grasen, erhält sie gleich zwei Hiobsbotschaften auf einmal: Nicht nur erfährt Lolle, dass ihr Herzblatt sie mit der dummen Kuh Susi betrügt, sondern, als sei das noch nicht genug, dass sie, wie alle anderen Kühe des Hofes, in nicht allzu ferner Zukunft als Burger zwischen zwei Brötchenhälften landen soll.
Ein gebrochenes Herz und akute Lebensgefahr? Was läge da näher, als die Beine zu schwingen und in Richtung einer kuhfreundlicheren Gegend aufzubrechen. Der italienische Kater Giacomo, der von Lolle vor dem verrückt gewordenen ehemaligen Hofhund gerettet wurde, hat glücklicherweise einen Lösungsvorschlag parat. Er erzählt von einem Land, in dem wahrhaft paradiesische Zustände für Kühe herrschen sollen: Indien!

Gemeinsam mit ihren beiden Freundinnen, der burschikosen, braungefleckten Hilde, dem naiven, aber treuen Radieschen und dem welterfahrenen Giacomo, der aus Dankbarkeit seine Dienste als Reiseführer anbietet, begibt sich Lolle auf eine Reise à la Bremer Stadtmusikanten nach dem Motto "etwas Besseres als den Tod findest du überall". Nur blöd, dass es sich Lolles Rivalin, die zickige Susi, partout nicht nehmen lässt, sich der kleinen Reisegruppe anzuschließen. Dies ist der Start einer Odyssee, die die kleine Gruppe nicht gerade auf dem direkten Weg ins "gelobte Land" führt.

Mit "MUH!" legt der in Bremen lebende Autor David Safier ein Jahr nach "Happy Family" seinen neuen Roman vor. Die Hauptfiguren seines Buches sind wahrhaft tierisch, denn es gibt jede Menge Kühe und einen Kater unter den handelnden Figuren. Menschen treten in der Geschichte lediglich als Randfiguren auf, als Störer eines potentiellen Idylls. Selbst solche, die auf den ersten Blick so wirken, als würden sie Lolle und ihren Freunden helfen, entpuppen sich später als absichtliche oder unabsichtliche Bedrohung.
Dass die Protagonisten keine Menschen sind, tut der Erzählung erst einmal keinen Abbruch. Dazu wirken Lolle und ihre Freundinnen viel zu menschlich mit ihren Sorgen und Problemen, was die Liebe betrifft, ihren Ängsten vor der Zukunft und ihren Überlegungen zum Thema "Familie". Eine vollständige Identifikation des Lesers mit dem Romanhelden wird allerdings aus nachvollziehbaren Gründen erschwert. Auf Dauer etwas zäh und den Fortgang der Handlung hemmend wirken die häufig eingeschobenen Erzählpassagen über Naia, das kuhliche Pendant zu der menschlichen Vorstellung eines Welterschaffers.

David Safiers Markenzeichen ist vor allem sein abgedrehter Humor, der mit viel Situationskomik und witzigen Dialogen daherkommt, die deswegen so zum Lachen anregen, weil in ihnen Gedanken und Reaktionen ausgesprochen werden, die normalerweise nur intern ablaufen, anstatt verbalisiert zu werden. Auch "MUH!" ist eine heitere, beschwingte Geschichte, die an die Vorgängerwerke des Autors anknüpft. Ein wenig wird die Lesefreude allerdings durch die Überzeugung getrübt, dass es Safier bei anderen Gelegenheiten schon besser gelungen ist, seine Stärken auszuspielen. Mit seiner Arbeit als Drehbuchautor der TV-Serie "Berlin, Berlin" beispielsweise oder mit seinem Erstlingsroman "Mieses Karma", der geradezu ein Feuerwerk von Lachsalven provoziert. Ähnlichkeiten zwischen gerade diesen beiden Werken und "MUH!" überraschen deswegen nicht wirklich, etwa die Namensgleichheit der beiden Heldinnen in "Berlin, Berlin" und "MUH!" - beide heißen Lolle -, oder auch, dass der Kater Giacomo in seinem Wesen doch sehr an den als Flugameise wiedergeborenen Casanova aus "Mieses Karma" erinnert. Es hat den Anschein, als habe David Safier sein Erfolgsrezept entdeckt und variiere nun einfach lediglich in der Ausführung ein wenig. Was vielleicht auch daran liegt, dass seine Romane seit "Plötzlich Shakespeare" mittlerweile im Jahrestakt erscheinen.

Ein Pluspunkt des Romans ist Davids Safiers unaufgeregtes Plädoyer für den Vegetarismus, das völlig ohne erhobenen Zeigefinger auskommt und stattdessen auf die Erweckung von Mitgefühl für Mitlebewesen setzt. Denn so richtig kann man es sich nach Beendigung des Romans nicht mehr vorstellen, seine gerade durch alle möglichen Widrigkeiten begleitete Heldin Lolle genüsslich zu verzehren, nur weil sie unglücklicherweise eine Kuh ist. Um das fertigzubringen, müsste der Roman vielleicht schlechter sein.

"MUH!" ist eine leicht lesbare und unterhaltsame Geschichte mit Schmunzelpotential, aber ohne große Nachhaltigkeit. Beim Lesen entsteht bestimmt keine Langeweile, aber hängen bleibt leider auch nicht wirklich etwas. Für Leser, die den Autor neu entdecken, mag die Geschichte als Einstieg funktionieren, für David-Safier-Anhänger und Liebhaber von "Berlin, Berlin" bleibt allerdings der Eindruck zurück, dass der Autor dies viel, viel besser kann.

Eine Leseprobe steht auf der Verlagsseite zur Verfügung.

Heike S. Verlinden



Hardcover | Erschienen: 9. November 2012 | ISBN: 9783463406039 | Preis: 16,95 Euro | 336 Seiten | Sprache: Deutsch

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