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 Die Bestie von Paris

und andere Geschichten


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Als "Bestie von Paris" ermordete Thierry Paulin mindestens achtzehn ältere französische Damen, um sich mit ihrem Geld ein extravagantes Leben leisten zu können. Marie-Luise Scherer hat seine Geschichte und andere Pariser Begebenheiten für den Spiegel in Reportagen verarbeitet, die nun von Matthes & Seitz als Buch herausgegeben werden.

Die Bestie von Paris ist die erste der vier abgedruckten Reportagen. Thierry Paulin, ein aus familiär nicht einfachen Verhältnissen kommender junger Mann, der im Paris der achtziger Jahre als Homosexueller und Nicht-Weißer teilweise ausgegrenzt wird, beginnt zusammen mit seinem Freund eine Mordserie an älteren Frauen.
Dabei werden die Frauen auf unterschiedliche Art und Weise in ihren Wohnungen ermordet. Die Professionalität der Morde nimmt zu, und der Lebensstil Thierry wird kostspieliger. Dennoch fragt keiner seiner Bekannten, womit er sich seine nächtlichen Exzesse finanziert, bis Thierry durch die Aussagen einer Dame, die seinen Mordversuch überlebte, identifiziert und verhaftet wird. Thierry stirbt vor der Verurteilung für die von ihm freimütig zugegebenen Morde an AIDS.

Aus mehreren Interviews mit Philippe Soupault fertigt Scherer eine Abhandlung über den Surrealismus an, in dem vor allem die Charakterzüge der Protagonisten deutlich hervortreten. Insbesondere die Gruppendynamik und die teilweise starken Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb der Pariser Künstlergesellschaft werden in dieser Reportage beleuchtet.
In der dritten Reportage geht es um die Pariser Adelsgesellschaft in Paris zu Zeiten von Schlöndorffs Proust-Verfilmung "Eine Liebe von Swann", in der die adeligen Zeitgenossen Schlöndorffs, die adeligen Romanfiguren Prousts spielen. Zudem wird immer wieder auf biografische Details Prousts eingegangen und sein individueller Lebensstil vorgestellt.

Den Abschluss bildet eine Reportage über die Modenschauen in Paris.

Die Geschichte der Mordserie strotzt vor Details und genauen Beschreibungen. Wer Paris nicht kennt, kann in diesem Überfluss an Informationen untergehen, doch für alle anderen ist es dieser Detailreichtum, der den Bericht umso besser nacherlebbar macht. Die Nennung der Mordopfer bei Namen ist zudem eine nette Geste, an diese zu früh beendeten Leben zu erinnern.
In der Kaltblütigkeit, mit der der junge, sich nach Jugendlichkeit sehnende, Thierry die alten, gebrechlichen Frauen ermordet hat, liegt zudem ein diskussionswürdiger Generationenkonflikt, in der der junge Mann auf extreme Art gezeigt hat, dass er das Alter für nicht lebenswert hält.

Die Reportage über die Pariser Surrealisten erinnert in ihrem Detailreichtum die Kunstszene betreffend ein bisschen an 1913 von Florian Illies und dürfte dasselbe Publikum ansprechen. Da diese Geschichte an weniger unterschiedlichen Orten spielt, bleibt ihr Detailreichtum überschaubar und ermöglicht es jedem, in die Erzählung einzutauchen.
Ebenso gelungen ist die Vermischung des Schlöndorff'schen Filmdrehs mit der Proust'schen Biografie. Insbesondere die Art, wie die Kritik am Adel zu Prousts Zeiten mit der Nutzlosigkeit des Adels in der Moderne verbunden wird, lädt zum Nachdenken und Schmunzeln ein.

Auch wenn die vierte Reportage in ihrer Kürze und Oberflächlichkeit aus dem Rahmen, die die drei vorherigen gesteckt haben, herausfällt, so bleibt das Buch trotzdem eine unterhaltsame Lektüre.

Eine Leseprobe findet sich bei Amazon.

Sebastian Langer



Hardcover | Erschienen: 21. November 2012 | ISBN: 9783882219661 | Preis: 16,90 Euro | 151 Seiten | Sprache: deutsch

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