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 Theodor Heuss

Der Bürger als Präsident


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In dieser kurz vor dem fünfzigsten Todesjahr des ersten Bundespräsidenten herausgebrachten Biographie wird die Schaffens- und Wirkungsgeschichte Theodor Heuss' von der Jugend in Heilbronn an wiedergegeben. Nachdem er Heilbronn 1905 für eine redaktionelle Tätigkeit, die Friedrich Naumann ihm anbietet, verlässt, zieht es ihn 1912 als Chefredakteur der Neckar-Zeitung zurück in die Region, in der er sich sein Reichstagsmandat zu erlangen hofft.

Die Versuche, vor Ort die Grundlagen für eine politische Karriere im Reichstag des Deutschen Kaiserreiches zu schaffen, gelingen jedoch nicht. Als enger Vertrauter Friedrich Naumanns kann er es sich aber leisten, 1918 erneut nach Berlin zu ziehen, und von dort aus über die Württemberger Landesliste 1924 erstmalig in den 2. Reichstag der Weimarer Republik einzuziehen. Im 8. Reichstag, dem Heuss als Mitglied der Deutschen Staatspartei angehört, kommt es zur Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz. Obwohl Heuss bereits eine Rede vorbereitet hat, die seine Enthaltung vor dem Parlament rechtfertigen soll, beugt er sich dem Fraktionszwang und stimmt dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten zu.

Im Nationalsozialismus mit einem Publikationsverbot belegt, ist der Vielschreiber Heuss auf die Einkünfte seiner Frau angewiesen und verfasst Biographien, deren Erscheinen ungewiss ist. Nach dem Krieg betätigt er sich sofort wieder redaktionell und baut die Rhein-Neckar-Zeitung im amerikanisch besetzten Sektor auf. Als Bundesvorsitzender der neu gegründeten FDP zieht er in den 1. Bundestag ein, legt sein Mandat jedoch mit der Wahl zum Bundespräsidenten nieder.

Das umfassende Werk Merseburgers ist weit mehr als nur eine Biographie. Es ist ein Gemälde der liberalen Strömungen und Parteien vom Kaiserreich über die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus bis in die Bundesrepublik hinein. Die bewegte Geschichte des Liberalismus in Deutschland wird ausführlich und in ihrer gesamten Widersprüchlichkeit zwischen Kaisertreue und Demokratie, zwischen Progressivität und Antisemitismus nacherzählt. Ist Heuss anfangs noch ein junger Teilnehmer dieser historischen Vorgänge, entwickelt er sich zum Gestalter.

Merseburger räumt dem Umfeld des späteren Bundespräsidenten viel Platz in seinem Werk ein. Die zahlreichen Vereinigungen und Parteien, denen Heuss im Laufe seines Lebens angehörte, werden zwar ausführlich, aber nie langatmig dargestellt und helfen so, nicht nur Heuss, sondern auch seine Zeit besser zu verstehen.
Dabei bleibt das Individuum Heuss leider etwas zurück. Zwar wird gelegentlich aus seinen Briefen zitiert, doch wird den Gedanken Heuss, die Einschätzungen, mit denen er seine Mitstreiter und Konkurrenten bedachte, wenig Raum zugestanden. Hier wäre ein stärkerer Fokus auf die Person und den Privatmenschen Heuss wünschenswert gewesen.

Bemerkenswert ist der Schreibstil des Autors: Selbst bei dem Beschreiben von wenig spannenden Sachverhalten wie Organisationen, Statuten und Problemen - beispielsweise des Deutschen Werkbundes, dem Heuss als Geschäftsführer diente - wird der Leser mitgenommen und das Interesse bleibt an den dargebotenen Informationen bestehen.
Der für seine Biographien bekannte und geschätzte Peter Merseburger hat eine wichtige und der Person Heuss angemessene Lebensbeschreibung vorgelegt, deren Lektüre nur als Bereicherung empfunden werden kann.

Eine Leseprobe findest sich auf der Verlagsseite.

Sebastian Langer



Hardcover | Erschienen: 12. November 2012 | ISBN: 9783421044815 | Preis: 29,99 Euro | 672 Seiten | Sprache: deutsch

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