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 Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt

Eine heitere Historie Europas


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Über unsere europäischen Nachbarn – und auch über uns selbst – gibt es eine Menge Vorurteile, die unsere Vorstellung von Europa prägen. Da wären die versoffenen Iren, die Spanier, die wild ins Blaue bauen, Italiener, bei denen schlicht nichts funktioniert, zu den Griechen muss gar nichts mehr gesagt werden. Und so weiter.
In seinem Buch "Von Napoleon lernen, wie man sich vor dem Abwasch drückt" nimmt der Historiker Sebastian Schnoy einige bedeutende Völker Europas unter die Lupe und untersucht, was sie jeweils zum Fortschritt, ob kulturell oder technisch, beigetragen haben. Die Griechen und anschließend die Römer – als Vorläufer der Italiener – machen den Anfang. Anschließend, ab dem Mittelalter, wird die Geschichte zwangsläufig etwas allgemeiner, doch finden sich immer wieder Schwerpunkte hinsichtlich der einzelnen europäischen Völkern beziehungsweise Kulturen, später auch Nationen. Den Abschluss bilden eine Bestandsaufnahme und ein Ausblick in die Zukunft Europas.
In der Mitte des Buchs findet sich ein origineller Bilderblock, in dem humorig diverse Themen aus dem Buch aufgegriffen werden.

Kriege sollen in seinem Buch möglichst nicht vorkommen, konstatiert der Autor bereits zu Anfang, und er hält sich auch an die Prämisse, wenngleich zumindest die Weltkriege natürlich nicht gänzlich unter den Tisch fallen können. Die meisten anderen Kriege werden lediglich gestreift. Es geht eher um Kultur, um Erfindungen, um Eigenheiten. Und humorvoll soll die Geschichte betrachtet werden, nicht trocken.
Dies gelingt dem Autor denn auch, und er schafft es, auf zweihundert Seiten an die dreitausend Jahre Geschichte zusammenzufassen. Aufgrund der Prioritätensetzung mag dem an Geschichte Interessierten allerdings manches wesentliche Element fehlen. Größere Zusammenhänge erschließen sich auf diese Weise nicht, mehr als ein Überblick mit etwas willkürlich gesetzten Akzenten kann das Buch nicht sein. Dafür gibt es viel zu schmunzeln, auch wenn nicht jeder "Gag" ins Schwarze trifft.
Ungenauigkeiten sollte man ebenfalls nachsehen – zum Beispiel die Hexenverfolgungen gewissermaßen als Sinnbild des finsteren Mittelalters ziehen nicht so richtig, fanden sie doch größtenteils in der frühen Neuzeit statt. Zudem ist Napoleons angebliche Körpergröße von 153 cm mittlerweile widerlegt: Als Franzose in französischen Fuß gemessen und nicht in englischen, kommt der Kaiser auf für damalige Zeiten überdurchschnittliche 168 cm *. Dies passt nun nicht sonderlich zum Diktatoren-sind-kleine-Wichte-Schema des Autors, in dem Napoleon eine zentrale Figur darstellt. Man kann sicher auch darüber streiten, ob ein Historiker so ostentativ Werbung für eine politische Richtung (in diesem Fall links) machen sollte, wie Schnoy das tut, zieht er doch immer wieder auch ideologiefrei intelligente Schlüsse.
Aber das mag Geschmackssache sein und fällt vielleicht nur auf, wenn man zuvor lediglich "klassische" Geschichtsbücher, auch populärwissenschaftliche, gelesen hat. Nicht unter "Geschmackssache" fällt das nicht gerade sorgfältig vorgenommene oder entfallene Korrekturlesen bei einem angesehenen Verlag. Und mancher Leser mag sich wundern, dass Europa offensichtlich außer in Bezug auf Napoleons (und Hitlers) Russlandfeldzug östlich nicht über Deutschland hinausreicht. Man findet nicht einmal eine launige Fußnote zu den neueren EU-Mitgliedsländern.

Insgesamt also eine recht originelle Lektüre, die einen Überblick über die Geschichte zu geben vermag und Verächtern dicker Schinken und Hunderte Seiten langer Quellenverzeichnisse sicher entgegenkommt, doch bleibt das Buch sehr an der Oberfläche. Wer also deutlich mehr auf Unterhaltung als auf Information abzielt, mag der Bewertung gern noch ein, zwei Sterne hinzufügen.

* Nachzulesen beispielsweise hier.

Eine Leseprobe wird auf der Verlagsseite zum Buch angeboten.

Regina Károlyi



Taschenbuch | Erschienen: 1. Juni 2013 | ISBN: 9783499630170 | Preis: 8,99 Euro | 205 Seiten | Sprache: Deutsch

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