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 Die Erbin


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Clanton, Mississippi in den 1980ern: Der junge Anwalt Jack Brigance, der durch den Carl-Lee-Hailey-Fall (nachzulesen und auch aufwändig verfilmt in "Die Jury") zu einiger Berühmtheit gelangte, erhält unverhofft einen Brief mit einem handschriftlich verfassten Testament eines Mannes namens Seth Hubbard.
Hubbard, der unheilbar an Lungenkrebs litt, hat sich nur Tage zuvor das Leben genommen; nun möchte er, dass Brigance seinen letzten Willen durchsetzt. Und der hat es in sich: Mit dem handschriftlichen Dokument, das der Verstorbene offenbar kurz vor seinem Suizid anfertigte, enterbt er ausdrücklich seine Familie und spricht 90 Prozent seines Vermögens seiner schwarzen Haushälterin Lettie Lang zu.

Jack erkennt sofort die Brisanz des Testaments: Hubbards Vermögen ist schwindelerregend hoch - das Erbe umfasst mehr als 20 Millionen Dollar. Damit würde Lettie Lang, die nur drei Jahre für Seth Hubbard arbeitete, mit einem Schlag zu einem der reichsten Menschen in Mississippi werden. Ein erbitterter Kampf um das Erbe beginnt: Auf der einen Seite Jack Brigance, der Hubbards letzten Willen durchsetzen will, sodass seine Haushälterin sein Vermögen erbt, und auf der anderen Seite die enterbte Familie, die sich dies nicht bieten lassen will und hochkarätige Anwälte auffährt ...

Mit "Die Erbin" lässt Erfolgsautor John Grisham diejenigen Leser, die bereits "Die Jury" kennen, erneut in die Kleinstadt Clanton in Mississippi zurückkehren (auch ohne Kenntnis des Vorgängers kann man das Buch lesen und sich leicht hineinfinden).
Der neue Roman spielt knapp zwei Jahre nach dem Fall Carl Lee Hailey, jenem dunkelhäutigen Mann, der die beiden weißen Vergewaltiger seiner kleinen Tochter erschoss und trotz seiner Hautfarbe und wider allen Erwartungen nach einem spektakulären Prozess dank Jack Brigance - ebenfalls ein Weißer - freigesprochen wurde. Anders als in "Die Jury" dreht sich die Handlung hier aber nicht um Vergewaltigung und Mord, sondern größtenteils um einen Erbstreit. Die weiteren Zutaten sind ähnlich: die schwüle, ländlich geprägte Südstaatenatmosphäre, immer noch deutlich schwelender Rassenhass, mit allen Wassern gewaschene Anwälte, undurchsichtige Strategien und mittendrin eine völlig überforderte schwarze Frau, die in äußerst bescheidenen Verhältnissen lebt und nun ein riesiges Vermögen erben könnte.

Ein Erbstreit gehört nicht unbedingt zu den spannendsten Themen und nur dem routinierten Schreibstil von John Grisham ist es zu verdanken, dass der Leser über 700 Seiten (!) am Ball bleibt. Trotz spannender Szenen, vieler interessanter Verwicklungen und massenhaft Details aus dem Justizwesen ist das Buch aber deutlich zu lang ausgefallen. Minutiös breitet Grisham alle Aspekte des Rechtsstreits aus - Vorbereitungen, Familien- und Vermögensverhältnisse, Kräftemessen der verschiedenen Parteien, Verhandlungen mit dem Richter, Auswahl der Jury und vieles mehr. Der eigentliche Prozess beginnt erst im letzten Viertel des Buches und erst am Ende kommt die Story mit einer spektakulären Enthüllung ernsthaft in Fahrt.
Spannend bis zum Schluss bleiben für den Leser die Fragen, welche auch Jack Brigance die ganze Zeit über bewegen: Wie kommt ein Selfmade-Millionär dazu, sein ungeheures Vermögen quasi in letzter Sekunde seiner Haushälterin zu vererben? Hatten die beiden ein Verhältnis, hat sie ihn in seinen letzten, von schwerer Krankheit gezeichneten Monaten um den Finger gewickelt? Ist Lettie Lang wirklich so naiv und unschuldig, wie sie zu sein vorgibt? Und warum hat Seth Hubbard seine Familie enterbt, obwohl lange Zeit ein anders lautendes Testament existierte? Die menschlichen Verwicklungen, Zu- und Abneigungen, Abgründe und Verfehlungen der Romanfiguren lesen sich faszinierend, weil Grisham die Personen realistisch und lebensnah angelegt hat und auf Schwarz-Weiß-Zeichnungen verzichtet. Zudem ist für alle, die "Die Jury" kennen, das Wiedersehen mit Jack Brigance und seiner Familie, mit Harry Rex Vonner, Lucien Wilbanks und Richter Reuben Atlee sehr unterhaltsam zu lesen.

Fazit: Über weite Strecken recht spannender Erbstreit mit brisantem Hintergrund, ausgetragen vor der Kulisse Mississippis in den 1980ern - hätte jedoch wegen vieler Längen eine deutliche Kürzung gut vertragen. Immerhin ein erfreuliches Wiedersehen mit den Romanfiguren aus "Die Jury"! Für Fans von John Grisham auf jeden Fall spannendes - und sehr Grisham-typisches - Lesefutter.

Eine Leseprobe gibt es hier auf der Website des Verlags: Die Erbin

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 3. März 2014 | ISBN: 978-3453269101 | Originaltitel: Sycamore Row | Preis: 24,99 Euro | 704 Seiten | Sprache: Deutsch

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