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 Der Sound meines Lebens

Autoren: Jonathan Tropper
Übersetzer: Birgit Moosmüller
Verlag: Droemer

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Drew Silver ist der Inbegriff des miesen Ehemannes, unzuverlässigen Vaters und gemeinhin der eines Losers: Der Mittvierziger landete als Teil einer Band einen einzigen großen Hit und dachte, er würde nun Richtung Rockstar-Karriere durchstarten - doch das Gegenteil war der Fall. Inzwischen ist Silver, wie er von allen genannt wird, geschieden und lebt mit anderen verlassenen Männern in einem schäbigen Langzeithotel, wo die einsamen Bewohner sich abwechselnd gegenseitig aufmuntern und bemitleiden. Silvers Tochter Casey will nichts von ihm wissen und er schlägt sich mehr schlecht als recht mit kleinen Auftritten auf Hochzeiten durch.
Als bei Silver ein akutes Aneurysma im Kopf diagnostiziert wird, das ihn jede Sekunde umbringen könnte, fasst er einen drastischen Entschluss: Er wird sich nicht operieren lassen und einfach dem Tod ins Auge blicken, schließlich ist sein Leben ohnehin nicht der Rede wert. Doch dann kommt alles anders und Silver erkennt, dass er noch einmal kämpfen, sich für das Leben und seine Familie entscheiden muss - aber kämpfen ist schwer, wenn man grundsätzlich dazu neigt, seine Mitmenschen zu enttäuschen und alles falsch zu machen ...

Jonathan Troppers Betrachtung eines Mannes, der in seinem Leben jede Entscheidung falsch getroffen und jeden Menschen enttäuscht hat, der ihm etwas bedeutet, ist so mitleiderregend und gleichzeitig so hinreißend und komisch, dass der Leser sich kaum losreißen kann.
Drew Silver ist zwar grundsätzlich ein äußerst sympathischer Typ, aber wohl nur, wenn der Leser ihn als Romanfigur aus sicherer Entfernung betrachtet - wäre man selbst Silvers Frau oder Tochter und hätte die zahlreichen Enttäuschungen miterlebt, die er ihnen bereitet hat, wäre das Urteil wahrscheinlich weniger wohlwollend.
Geradezu genial ist die trostlos-skurrile Beschreibung, die Tropper von dem Hotel der Ex-Ehemänner gibt: Hier leben die Verlassenen, Enttäuschten, Verbitterten, die nicht nur einsam sind, sondern meistens auch noch völlig pleite, da sie Unterhalt für ihre Exfrauen und Kinder zahlen müssen. Hier treibt sich Silver mit seinen beiden besten Kumpels am Pool herum; die traurige Zweckgemeinschaft verbringt ihre Tage mit Bier, Geplauder und damit, die Körper der jungen Studentinnen zu begaffen, die sich am Pool räkeln. Die Szenen, die Jonathan Tropper damit vor dem inneren Auge des Lesers heraufbeschwört, sind perfekte Sinnbilder des Scheiterns und des Selbstmitleids - doch die Einsamkeit der Romanfiguren ist oft so treffend in Worte gepackt, das sie mitten ins Herz treffen.

"Trotzdem ist da noch etwas in ihm, ein kleiner Rest von Rebellion, der sich noch nicht ganz geschlagen gibt. Ein Teil von ihm glaubt nach wie vor, dass sie irgendwo dort draußen ist: die Frau, die hinter dieser wabbelnden, aus der Form geratenen Masse den Mann sieht - die Frau, die genau weiß, wie man mit dem hoffnungslosen Paradoxon eines Kamikaze-Liebenden wie ihm umgeht.
Ihm ist klar, dass speziell dieser Teil von ihm endgültig sterben muss, wenn er je wieder tief und fest schlafen will."


Drew Silver ist aber nicht nur bemitleidenswert. Er rappelt sich am Tiefpunkt seines Lebens noch einmal auf und trifft eine für ihn spektakuläre Entscheidung: Statt einer lebensrettenden Operation wählt er den fast unausweichlichen Tod. Dadurch rüttelt Silver seine Eltern, seine Exfrau und seine Tochter aus ihrem Trott auf und bringt auch deren Leben gehörig durcheinander.

Tropper hat einen guten Blick für die Absurditäten des täglichen Lebens. So ist beispielsweise der Chirurg, in dessen Hände Silver sein Leben legen würde, der zukünftige Mann seiner Exfrau Denise. Und Silvers Tochter wendet sich Hilfe suchend an ihn, nachdem sie zum ersten Mal in ihrem Leben Sex hatte - und prompt schwanger wird.
Sprachlich ist das Buch wunderbar klar und präzise auf den Punkt geschrieben: stilistisch nüchtern, aber inhaltlich emotional, bisweilen poetisch. Diese Mischung macht den Reiz von Troppers Stil aus und wendet alles ab, was kitschig oder schnulzig wirken könnte.

Ein schöner, gleichermaßen tragischer und komischer Roman mit einem scharfen Blick auf das Leben und seine kleinen traurigen Absurditäten.

Ins Buch hineinblättern kann man hier auf der Website des Verlags.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 1. April 2014 | ISBN: 978-3426281208 | Originaltitel: One last thing before I go | Preis: 19,99 Euro | 384 Seiten | Sprache: Deutsch

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