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 Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und seine Territorien

Band 1: Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden 1493-1648; Band 2: Vom Westfälischen Frieden bis zur Auflösung des Reichs 1648-1806


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Wer zwei Bände mit mehr als 1600 Seiten veröffentlicht, muss entweder verrückt sein oder ein großer Meister seiner Zunft. Joachim Whaley ist wohl beides. Denn wenn ein englischer Historiker sich an ein derartig monumentales Werk macht, dann handelt es sich gewöhnlich um ein Thema, das entweder angloamerikanisch verankert ist oder globale Bedeutung hat. Nicht im vorliegenden Fall: Joachim Whaley, welcher als Professor "of German History and Thought an der Universität Cambridge" tätig ist, hat sich seit Jahren ganz der deutschen Geschichte in der Frühen Neuzeit verschrieben. Und so hat er sich aufgemacht, eine allumfassende Geschichte des "Heiligen Römischen Reiches" zu verfassen.

Band eins umfasst die Jahre 1500 bis 1648 und gliedert sich wiederum in sieben Abschnitte. Während Whaley zunächst die Situation um 1500 darlegt und dabei insbesondere auf den territorialen und politischen Status des Reiches eingeht, startet er im zweiten Abschnitt seinen chronologischen Durchgang mit den reformatorischen Bestrebungen zwischen 1490 und 1519, welche nicht nur den religiösen Bereich betrafen. Trotzdem kommt Whaley im nachfolgenden Abschnitt nicht um Martin Luther herum. Gleichwohl lässt er immer wieder aufscheinen, dass die Reformation in den 1520er Jahren auch eine soziale Bewegung war. Über die "Zähmung" der Revolution zwischen 1526 und 1555 gelangt Whaley dann zu einem vergleichsweise friedlichen Zeitraum, der mit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1618 jäh durchbrochen wurde. Whaley nutzt diese Konsolidierungsphase, um zahlreiche Einzelaspekte des Heiligen Reiches wie die Frage einer "Innenpolitik" oder die Regelung von "Finanzen, Steuern und Ständen" näher zu betrachten. Den Abschluss des ersten Bandes bildet letztlich der bereits angesprochene Dreißigjährige Krieg, welchen er in Entstehung, Verlauf und Ergebnissen beziehungsweise Folgen darlegt.

Im Gegensatz zum ersten Band, in dem zahlreiche Umbrüche beschrieben werden, ist der zweite Band und der darin behandelte Zeitraum von 1648 bis 1806 deutlich mehr von Kontinuität geprägt. Denn wie Whaley selbst bemerkt, war das Reich während dieses Zeitraums bemerkenswert stabil und musste sich nicht solch "grundstürzender Herausforderungen" erwehren wie beispielsweise im 16. Jahrhundert. Ganz in diesem Sinne stehen hier nicht epochenmachende Ereignisse im Mittelpunkt, sondern die Reichsentwicklung unter den verschiedenen Kaisern. So behandelt Whaley in den ersten beiden Abschnitten die Entwicklung des Reiches unter Ferdinand III. und Leopold I. beziehungsweise unter Joseph I. und Karl VI, thematisch umschrieben durch die Begriffe "Auferstehung", "neues Leben" und "Konsolidierung". Einzig der fehlende österreichische Thronfolger am Ende offenbart krisenhafte Züge. Ergänzend dazu geht Whaley im dritten Abschnitt auf verschiedenste Entwicklungen innerhalb der einzelnen Territorien des Reiches ein, bevor er im vierten Abschnitt die Chronologie unter dem Titel "Das Reich von Karl VII. bis Leopold II." fortsetzt. Auch hier schließt sich wiederum ein Abschnitt zu den deutschen Territorien an, in welchem die Entwicklungen nach 1760 beschrieben werden. Mit dem letzten Abschnitt wird schließlich die oben angesprochene Kontinuität des Reiches jäh durchbrochen. Denn immer mehr fand die Französische Revolution nach 1792 auch im Reich Widerhall, was letztlich in der Auflösung im Jahre 1806 gipfelte.

Abgerundet werden beide Bände mit einem umfassenden Literaturverzeichnis sowie durch ein Register. Ergänzend findet der Leser außerdem jeweils eine Karte auf den Innendeckeln, weitere Bilddokumente sind hingegen nicht enthalten.

Trotz des immensen Umfangs wirken die beiden Bände zu keiner Zeit schwerfällig, was vor allem daran liegt, dass Whaley die Inhalte gut proportioniert in kleine Kapiteleinheiten unterteilt. Dies ermöglicht dem Leser zudem, gezielt bestimmte Themen oder Zeitabschnitte anzusteuern. Hinzu kommt, dass Whaley sehr systematisch arbeitet und die komplizierte Gemengelage hervorragend aufschlüsselt. Dabei hat er nicht nur einen Blick für die politische Entwicklung, sondern bezieht immer wieder auch sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Aspekte mit ein. Er beweist dabei einen enormen Überblick. Denn eine Geschichte des Heiligen Römischen Reiches zu verfassen, bedeutet auch, die Schauplätze der Nachbarregionen und -staaten im Blick zu behalten. Und dies gelingt Whaley auf vorzügliche Weise.

Obwohl Whaleys Werk stets auf das große Ganze blickt, ist er sich nicht zu schade, die Dinge auch differenziert zu betrachten. So beschreibt er beispielsweise in Band eins präzise, aber konzise die vielfältigen Verflechtungen zwischen Stadt und Land. Hinzu kommen immer wieder problematisierende Kapitel, indem er beispielsweise danach fragt, unter "welche Art von Konflikt" sich der Dreißigjährige Krieg kategorisieren lässt. Auf diese Weise geht der Band weit über eine chronologisch geprägte Abhandlung hinaus. Vielmehr findet der Leser eine facettenreiche Annäherung an das "Reich" vor. Whaley ist dabei weniger einer angloamerikanischen populärwissenschaftlichen Erzähltradition verpflichtet, sondern reiht sich eher in die analytische Darstellungsweise der modernen deutschen Geschichtsschreibung ein. Deutlich wird dies beispielsweise auch dadurch, dass er kaum zeitgenössische Stimmen in die Darstellung mit einflicht. Dennoch sollte dies Leser, welche sich nicht professionell mit Geschichte beschäftigen, aufgrund der oben genannten Vorzüge nicht abschrecken, zu den beiden Bänden zu greifen.

FAZIT: Ein schwergewichtiges Werk, in dem der Autor einen enormen Überblick beweist und so die ganze Vielschichtigkeit und Komplexität der Reichsentwicklung auf konzise Weise aufzuschlüsseln vermag. So werden nicht nur Fachexperten zukünftig kaum um diese beiden Bände herumkommen, wenn sie sich mit dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation beschäftigen.

Weitere Informationen zum Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 1. September 2014 | ISBN: 9783805348256 | Originaltitel: Germany and the Holy Roman Empire | Preis: 129,00 Euro | 1672 Seiten | Sprache: Deutsch

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