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 Charly 9


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Mitten in der Nacht wird der französische König Charles der Neunte von seiner Mutter mit einer folgenschweren Forderung konfrontiert: Er soll den Tod seines Freundes und Ratgebers Marschall de Coligny befehlen. Dieser ist nicht nur Hugenotte, sondern soll auch für einen Anschlag auf den König verantwortlich sein.
Zunächst widerstrebend gibt Charles schließlich doch den Befehl, der ein Massaker unter den Hugenotten auslöst und Frankreich in Blut taucht. Nur wenig später verzweifelt der ohnehin labile König unter den Folgen seiner Entscheidung, bis er einige Monate später, von allen verachtet, stirbt.

Kein Wunder, dass "Charly 9" für den Preis "Bestes Comicalbum 2014" auf dem Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême nominiert wurde, ist es doch der beste Beweis dafür, dass Comics weit mehr als anspruchslose Unterhaltung sind. Mit der Bartholomäusnacht hat sich Autor und Zeichner Richard Guérineau eine schwere Kost ausgesucht. Tausende Menschen fanden in einer Aktion des Irrsinns den Tod. Guérineau zeigt das in aller Deutlichkeit. Die Farbe Rot herrscht in seinen Zeichnungen vor, die Verrohung der Menschen, als Folge dieser Tat, spiegelt sich in seinem Comic wieder. Der Schwerpunkt liegt hier jedoch bei dem jungen Regenten Charles. "Er hatte einen guten Kern", so steht es flapsig in der Inhaltsangabe und das legt den Verdacht nahe, dass ein Ereignis wie der Mord an den Hugenotten eher beiläufig abgehandelt werden soll. Weit gefehlt.

Zwar beginnt die Geschichte beinahe schon unreif, als der König sich erst entsetzt abwendet und dann doch vor den immer brutaler werdenden Forderungen seiner Mutter und seiner Ratgeber einknickt und den Mord an allen Protestanten befiehlt. Wie in einem makaberen Abzählreim wird erst ein Einzelner dem Tod geweiht, dann zwei, dann zwanzig, hundert, bis es kein Halten mehr gibt.
Für den ängstlichen, von seiner Mutter abhängigen Charles ist dies der Wendepunkt. Abwechselnd entsetzt und fasziniert schreckt er zunächst vor den Folgen seines Befehls zurück, um sich dann immer mehr dem Wahnsinn hinzugeben.

In den Bildern und Texten Richard Guérineaus spiegelt sich die Talfahrt in einer unheilvollen Spirale, aus der es kein Entrinnen gibt. Ob Charles, dem Wahnsinn bereits verfallen, Damwild durch seinen Palast jagt oder in einem abgeklärten Moment seiner Mutter mitteilt, dass er bereits verdammt ist, sein Schicksal lässt die Betrachter nicht los und zwingt diese, sich mit diesem kleinen, großmäuligen und anrührenden König auseinanderzusetzen.
Richard Guérineau macht es seinen Lesern nicht einfach. Mal wechselt er für ein paar Seiten den Zeichenstil, dann wiederum wechselt er unvermittelt die Szenerie. Dies macht es unmöglich, den König eindimensional zu sehen. Sein schlechtes Gewissen, seine Zweifel stehen im krassen Gegensatz zu seinem teils ungehobelten Verhalten und seiner Brutalität. Sympathisch ist er in keinem Fall und doch schafft Guérineau Szenen, in denen es unmöglich ist, für Charles kein Mitgefühl zu empfinden. Einsam, verunsichert und tieftraurig ist ihm deutlich bewusst, dass er etwas Ungeheuerliches getan hat und alle Versuche, es wieder gut zu machen, scheitern müssen. So ist sein Untergang unvermeidlich. Bis zu seinem Ende ist Charles eine tragische Figur und zeit seines Lebens kann er seinem Schicksal nicht entrinnen.
Der Verdienst "Charly 9" ist es, die Geschichte um die Bartholomäusnacht zu erzählen, ohne sich in Effekthascherei zu verlieren oder ihr den Schrecken zu nehmen. Das ist bemerkenswert und mutig und darum hat dieser Comic seinen Platz in den Bücherregalen verdient.


Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagsseite.

Iris Jockschat



Hardcover | Erschienen: 1. Januar 2015 | ISBN: 9783958390447 | Originaltitel: Charly 9 | Preis: 19,80 Euro | 128 Seiten | Sprache: Deutsch

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