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 Das kann doch weg!

Das befreiende Gefühl, mit weniger zu leben. 55 Tipps für einen minimalistischen Lebensstil.

Autoren: Fumio Sasaki
Verlag: Integral

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Angeblich hat jeder Deutsche über 10.000 Objekte zu Hause, von denen er nur einen sehr kleinen Teil wirklich regelmäßig benötigt. Doch dieser Überfluss an Dingen macht nicht unbedingt glücklicher. Im Gegenteil, auf Dauer werden sie zur Belastung, brauchen Platz, müssen gepflegt werden und mindern so vielleicht sogar das eigene Wohlbefinden.

Seit einiger Zeit gibt es daher den Trend des Minimalismus, das heißt, sich von Dingen zu befreien und nur noch das Nötigste zu besitzen. Zu diesem Phänomen gibt es inzwischen unzählige Blogs und Bücher. Fumio Sasaki hat dazu den Bestseller in Japan geschrieben, der nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. In "Das kann doch weg!" beschreibt der Autor auf gut 250 Seiten, wie er zum Minimalisten wurde, was es mit ihm gemacht hat und gibt Tipps, wie der Leser selbst auch minimalistischer leben kann. Ergänzt wird der Text durch einige Fotografien in der Buchmitte.

Fumio Sasakis "Das kann doch weg!" weckt zunächst hohe Erwartungen. Immerhin wird das Buch damit beworben, dass es ein Bestseller in Japan war. Ein Leser, der sich bereits etwas mit Minimalismus beschäftigt hat und vielleicht schon selbst gedanklich oder auch schon praktisch auf dem Weg dahin ist, erhofft sich da natürlich einige neue Anregungen. Doch die bietet Sasaki leider kaum. Vielmehr ist es ein Buch, das sich an Menschen richtet, die noch gar nichts über Minimalismus wissen und vielleicht noch nach Gründen und Motivation suchen, etwas in ihrem Leben zu verändern.

Denn der Autor schreibt auf den 250 Seiten vor allem davon, welche positiven Effekte es hat, sich von allem Unnützen zu befreien, dabei wird sehr deutlich, dass dies für ihn vor allem therapeutische Wirkungen hatte. So geht vieles durcheinander, wenn er seitenlang davon schreibt, dass die Reduktion seines materiellen Besitzes ihm nicht nur mehr Ordnung, Freizeit und Freiheit beschert hat, sondern er mittlerweile allgemein auch produktiver, positiver und glücklicher ist.

Die ganz praktischen Wirkungen leuchten ein. Wer weniger Dinge besitzt, braucht weniger Möbel und muss schließlich weniger Zeit darauf verwenden, seine Wohnung sauber zu halten. Alles geht schneller im Haushalt. Wer öfter umzieht, braucht keine Tage mehr, sondern vielleicht sogar nur noch Minuten dafür, wie der Autor selbst. Der Minimalist ist viel freier in seinen Entscheidungen, sowohl im Alltag als auch bei Lebensumständen verändernden Entscheidungen, wenn da nicht ein großer Haufen materieller Dinge ständig gepflegt, verwahrt und transportiert werden muss. Auch spart der Minimalist indirekt Geld, wenn er eine weniger große Wohnung braucht oder auf Dinge verzichtet, die Folgekosten verursachen. Minimalismus ist kein Aussteigen aus der Gesellschaft, sondern nur ein Verzicht auf Konsum und materiellen Besitz. Möglich wird das vor allem durch Digitalisierung und öffentliche Einrichtungen. Beispiele dafür: Anstatt Bücher zu kaufen, ebooks lesen und Bibliotheken nutzen, anstatt ein eigenes Auto Bus und Bahn oder Sharing-Angebote nutzen.

All das überzeugt schon und dürfte auch erklären, warum Konsumverzicht und Minimalismus wachsende Trends sind. Für den Autor selbst ist Minimalismus aber noch mehr, was für ihn persönlich auch nachvollziehbar ist, aber eben ein individueller Aspekt ist, der nicht alle Leser gleichermaßen ansprechen dürfte. So hat der Autor den Weg zum Minimalisten für sich wohl als eine Art Therapie benutzt, um aus Depressionen heraus zu kommen. Er meint sich selbst glücklicher, steht nun morgens gerne auf, ohne noch den Wecker zu brauchen, und ist voller Energie. Alles, weil er nur eine Kiste voller Dinge besitzt …

An diesen Stellen läuft der Text Gefahr ins Esoterische abzugleiten, allerdings erwähnt Sasaki dann doch noch oft genug, dass das natürlich alles individuell ist und jeder für sich selbst entscheiden muss, warum er sich von Dingen trennt und wie weit er dabei geht. Dafür erwähnt er auch Beispiele anderer Minimalisten. Dennoch bleibt der Schwerpunkt des Buches leider zu sehr auf der individuellen Ebene des Autors. Allein die Redundanz des Textes ist dabei manchmal ermüdend für den Leser. So erwähnt Sasaki beispielsweise mindestens ein halbes Dutzend Mal seine umfangreiche Kameraausrüstung, die er ohne es sich einzugestehen eigentlich nur aus Statusgründen hatte, aber nie wirklich benutzt hatte, und schließlich für wenig Geld von heute auf morgen versteigern ließ. Ein schönes Bild, da es den Leser auch darauf hinweist, darüber nachzudenken, wie viele Dinge er eigentlich nur aus Imagegründen hat und nicht weil er sie wirklich bräuchte. Aber spätestens nach der dritten Wiederholung der Geschichte fragt der Leser sich, was soll das? Anscheinend kann auch mit Minimalismus angegeben werden.

Und selbst die 55 Tipps bieten nur wenig Neues oder Spannendes. Im Gegenteil, viele dieser Tipps, sind gar keine, sondern einfach nur noch einmal kurz formulierte Motivationshilfen, ohne praktischen Wert, die vieles wiederholen, was auf den ersten hundert Seiten schon mehrfach geschrieben wurde. Standardtipps, wie zum Beispiel einfach mal den ganzen Besitz in Kartons packen und nur behalten, was innerhalb eines Monats ausgepackt werden musste, weil es gebraucht wurde, kommen zwar auch vor, aber die sind eben auf jeden Minimalismus-Blog im Netz zu finden.

Darüber hinaus fallen dem Leser dann auch noch so manche Widersprüche auf. So geht es dem Autor viel um Konsumverzicht, auch der Umwelt wegen und Kritik an Statusdenken, gleichzeitig werden dann aber gerade Appleprodukte gelobt, weil sie rein technisch selbst minimalistisch seien. Auch funktioniert so mancher Gedanke und Hinweis nur, wenn eben andere Menschen keine Minimalisten sind. So hat der Autor selbst sein Schuljahrbuch weggeschmissen, weil er es bei alten Schulfreunden jederzeit einsehen könne, wenn ihm danach ist. Was ist, wenn andere Menschen dieses Trittbrettfahrertum nicht mitmachen oder selbst zu Minimalisten werden würden?

Leser ohne Vorkenntnisse finden viel Motivierendes in diesem Buch. Es hilft sicher den ersten Schritt zu machen, zu erfahren mit, wie wenig ein Mensch eigentlich heutzutage leben kann und welche Freiräume das schaffen kann, aber praktische und anregende Hinweise, die über das Hinausgehen, was Interessierte in jedem Blog im Netz lesen können, bietet das Buch leider wenig. Dazu geht es leider zur sehr um ihn selbst und zu wenig um die Sache.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.

Andreas Schmidt



Taschenbuch | Erschienen: 12. Februar 2018 | ISBN: 978-3778792858 | Preis: 18,00 Euro | 256 Seiten | Sprache: Deutsch

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