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 Scheibenwelt, Band 3: Darwin und die Götter der Scheibenwelt

Scheibenwelt-Sachbuch 3


Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Mit Sorge betrachten die Zauberer der Unsichtbaren Universität das Geschehen auf der kleinen Rundwelt. Das kleine Etwas, bewohnt von menschlichen Existenzen, steuert einer Eiszeit entgegen, und dennoch versuchen diese nicht von der Rundwelt zu fliehen. Genauere Untersuchungen ergeben, dass die Rundwelt wohl in das falsche Hosenbein der Zeit geraten ist. Auf jeden Fall ist es nicht zu der erwarteten Erkenntnis über die Evolution gekommen. Die Menschen gehen von dieser als ein göttliches Phänomen aus. Für Rincewind, Stibbons und Ridcully gilt es nun, die Realität wieder gerade zu rücken und zu korrigieren.
Der berühmte Evolutionstheoretiker Darwin hat nicht "die Entstehung der Arten" sondern "die Theologie der Arten" verfasst. Vielleicht aufgrund des fehlenden Narrativums auf der kleinen Rundwelt. Die fatalen Folgen für die Menschheit bestehen darin, dass die Menschen nun wichtige technologische Fortschritte erst Jahrzehnte später machen und somit direkt in ihr Verderben laufen. Der rechtzeitige Ausweg aus einer Eiszeit und zur Bevölkerung des Weltraumes scheint verbaut zu sein.
Die Zauberer zögern nicht lang und machen sich ans Werk, Darwin in die richtige Richtung zu schubsen. Doch mit jedem Schritt, den sie tun, tauchen neue Probleme auf, die wiederum dazu führen, dass Darwin nicht die Entstehung der Arten schreibt. Etwas Mächtiges scheint den Plan der Zauberer verhindern zu wollen und legt ihnen gekonnt immer mehr Steine in den Weg. Bald scheint es unausweichlich, dass die Unsichtbare Universität all ihre Möglichkeiten einsetzt, um den einzig akzeptablen Weg der Rundwelt-Geschichte zu bestreiten, und schließlich sehen sich die Zauberer den leibhaftigen Naturgesetzen und sogar dem Gott der Evolution gegenüber.

Zum Abschluss seiner Sachbuchreihe bringt Terry Pratchett wieder den Mathematiker Ian Stewart und den Biologen Jack Cohen ins Spiel. Nach "die Gelehrten der Scheibenwelt" und "die Philosophen der Rundwelt" konzentriert man sich nun auf Darwin und seinen Einfluss bezüglich des Evolutionsverständnisses. Im Mittelpunkt stehen mathematische und physikalische, sowie natürlich auch biologische Überlegungen, die sich in der bekannten britischen Ironie Terry Pratchetts und seiner Scheibenwelterzählungen ergießen.
Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern der Scheibenwelt-Roman-Sachbücher leidet dieses Werk jedoch zu sehr unter dem wissenschaftlichen Schwerpunkt. Auf jedes Roman-Kapitel folgt ein deutlich längeres wissenschaftliches Kapitel und reißt nicht nur den Leser aus der Erzählung, sondern lässt die Geschichte in Nebensächlichkeit verschwinden.
Natürlich herrscht der gewohnte kirchen- und gesellschaftskritische Ton vor, doch kann die teils sehr amüsante Darstellung wissenschaftlicher Theorien nicht über die erdrückende Komplexität dieser Darstellungen hinwegtrösten. Neben Zeitreise-Theorien werden vor allem der Theismus und der allgemeine Glaube gegenüber der Evolution ins Lächerliche gezogen, doch kommt dieser Schwerpunkt des Werkes erst zum Schluss wirklich durch. Der Hauptteil wird von mathematischen Formeln und physikalischen Theorien über Relativität und Quantenfunktion geradezu erdrückt. Somit disqualifiziert sich das Werk nicht nur als Kinderbuch, sondern wird auch dem Akademiker ohne hinreichendes Wissen in Physik und Mathematik eine schwere Kost sein.
Die Erklärungen mögen für den gelehrten Leser belustigend und zumindest größtenteils verständlich sein, doch machen Detaildarstellungen über Alpha-hmpfoplex, Quanteneigenschaften und ERV-3- und p15E-Proteine die Lektüre langwierig und nicht gerade interessant, so man nicht der ambitionierte Mathematiker und Quantenphysiker ist.

Die Interpretation von Darwins Arbeit ist hervorragend gelungen und wird durch zahlreiche Literaturhinweise deutlich bestärkt und belegt. Von mathematischer, physischer und sogar philosophischer Seite wird dieses Thema betrachtet und untersucht. Zwar erscheinen die Schlussfolgerungen Pratchetts und seiner Mitarbeiter überzeugend, doch wirkt es eher unnötig provokant und schwach, andere Meinungen durch flache Witze ins Lächerliche ziehen zu wollen. Der Humor innerhalb der Roman-Kapitel hat im Vergleich zu anderen Pratchett-Romanen deutlich noch mehr gelitten, sodass von diesen Passagen kaum mehr etwas erwartet werden kann.
Die wissenschaftlichen Kapitel schaffen es hingegen ab und zu interessant zu sein, sollte der Leser sich mit derartigen Themen beschäftigen wollen. Zwar kann man das Werk nicht als wirkliches Sachbuch verstehen, doch ist es keinesfalls als Abendlektüre zu empfehlen, da der Leser kontinuierlich mitdenken und -rechnen muss, um den Theorien folgen zu können.
Besonders überzeugend wirkt Pratchett dabei jedoch nicht, scheint es doch etwas dünn, mathematische Herleitungen für eine theologische Diskussion zu bemühen, Erkenntnistheorien jedoch, wohl bewusst, außen vor zu lassen und philosophische Vorgehensweisen nur zuzulassen, so sie den eigenen Ansichten dienlich sind. Das Bemühen um wissenschaftliches Wirken wird damit deutlich untergraben.

Das letzte Sachbuch der Scheibenwelt-Reihe ist deutlich mathematikfixiert und bietet wohl nur für Mathematik- und Physikinteressierte eine amüsante Darstellung, die einem wirklichen Sachbuch aber nicht wirklich nahe kommt. Die Erzählung der Romangeschichte wirkt in der bemüht wissenschaftlichen Darstellung schon fast störend, ist aber auch für sich betrachtet eher flach und enttäuschend. Die Religions- und Gesellschaftskritik ist deplatziert und geht ansonsten in der erdrückenden Masse mathematischer und physikalischer Theorien und Berechnungen unter. Ein sehr unausgewogenes Werk mit interessanten Einschüben für Wissbegierige.

Markus Bug



Taschenbuch | Erschienen: 01. Februar 2006 | ISBN: 3492265936 | Originaltitel: Science of Discworld 3: Darwin´s Watch | Preis: 9,95 Euro | 384 Seiten | Sprache: Deutsch

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