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 Serdar Somuncu liest aus dem Tagebuch eines Massenmörders - Mein Kampf.


Cover
Gesamt +++++
Aufmachung
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Ton


Darf man denn das? "Mein Kampf" vorlesen? Das ist nicht verboten? Doch, wenn man es von vorn bis hinten an einem Stück vorliest, so ist das verboten. Widersinnig? Schon, aber genau diese Widersinnigkeiten sucht Serdar Somuncu, genau hier greift er an, will den Mythos Hitler aufbrechen, ihn gewaltsam auf den Boden bringen, der ihm gebührt, zeigen, wie sehr dieser Hitler mit all seinem schlechten und dialektgeprägten Deutsch, mit all seinen perversen Ideen, mit all seinen sexuellen und anderweitigen Minderwertigkeitskomplexen, ein Mensch war, kein Mythos, ein Mensch mit einer bösen Energie vielleicht, aber ganz sicher ohne irgendetwas, dass ihn zu einem Mythos machen sollte.

Somuncu liest aus "Mein Kampf", erzählt über seinen Kampf mit dem Werk und von seinen vielen hundert Lesungen zuvor. Er erzählt von der billigen türkischen Ausgabe, auf dessen Rückseite zu lesen ist, dass es sich hierbei um ein "großes Werk anti-marxistischer Weltliteratur" handele, was genauso zu einem Lacher führt, wie die Aussage des Ku-Klux-Klans, dass schon Aristoteles und Plato Erkenntnisse über den Vorzug der Kaukasier gegenüber den Afro-Amerikanern herausgefunden hätten. Und dann erzählt er, was ein gewisser "Sascha" in ein rechtsextremes Internetforum geschrieben hat, und keiner lacht mehr. Dafür aber wieder, wenn Somuncu dessen Eintrag auseinander nimmt.

Serdar Somuncu wandelt über einen schmalen Grat, bringt sein Publikum in Lachkrämpfe, balanciert zwischen dem Bloßstellen der Widersinnigkeit und den unangenehmen Wahrheiten, die er dem Publikum eben auch serviert. Er gibt eben auch Denkanstöße, und manchmal klingt er so viel politischer in dem, was er kommentiert, als das was er vorliest je gewesen ist, denn, wie Somuncu sagt, "Mein Kampf" ist kein Parteiprogramm, sondern eine "Sammlung wirrer Sätze". Sätze, die sich über Seiten ziehen und dann mit "usw. -" abgekürzt werden. Sätze, die mitten in einer Aufzählung abbrechen. Und solche Sätze zelebriert Somuncu natürlich, und völlig zu Recht. Dass er dabei sperrig bleibt, ist sein gutes Recht.

Somuncu ist ein Schauspieler, der sehr stark körperlich arbeitet, der auch mal bis zur Ekstase vor sich hin schreiend rezitiert, und diese Ausbrüche, die Verfremdungen, die er einbaut, kommen natürlich über CD nicht so richtig rüber. Man kann auch nur erahnen, wie er mit dem Publikum spielt, das sich oft sehr hörbar einmischt. Somuncu reagiert, erzählt hier und da noch was, was ihm gerade einfällt. Diese Aufnahme ist durchaus hörbares Theater, oft sehr spontan und improvisiert, aber es ist keine Comedy, es kein Kabarett, es ist ein Theater, das die Wahrheit sagt. Somuncu live erleben ist besser, eine DVD wäre auch nicht völlig unsinnig, aber wenn das nicht geht, muss man diese CD auf jeden Fall auch empfehlen, selbst wenn sie so ähnlich abrupt endet, wie mancher HitlerÂ’sche Satz.

Holger Hennig



CD | CD-Anzahl: 1 | Erschienen: 01. Januar 2006 | ISBN: 386604156X | Preis: 15,95 Euro

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