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 Die Katharer

Ketzer des Mittelalters

Autoren: Malcolm Barber
Übersetzer: Harald Ehrhardt
Verlag: Patmos Verlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Der deutsche Titel dieses Buches ist leider etwas sinnverfälschend. Denn es geht nicht um die Katharer allgemein, sondern überwiegend um die Albigenser, wie die südfranzösische Spielart der Katharer in Okzitanien genannt wurde. Es gibt zwar auch allgemein gehaltenere Kapitel, und auch Katharer in anderen Ländern werden vorgestellt, aber nur die in Norditalien ausführlicher. Natürlich werden die südfranzösischen Katharer im Gesamtkontext dieser Sekte betrachtet und auch die allgemein gültigen Grundsätze dieser Menschen.

Die Katharer waren eine große Herausforderung für die christliche Kirche. Sie lehnten wichtige Grundsätze dieser ab, organisatorische wie glaubenstechnische. Der Papst und die Kirche galten ihnen als Satanswerke und sie hatten sich in Südfrankreich eine starke Heimbasis geschaffen. So kam es, dass erst die Inquisitoren kamen, ihre Einrichtung wurde extra zur Untersuchung und Abwehr dieser Abweichungen geschaffen. Dann kamen im so genannten Albigenserkreuzzug die Kreuzfahrer. Starben durch die Inquisition nur Einzelpersonen oder kleine Gruppen, gab es nun ein Blutbad großen Ausmaßes.

Im Gegensatz zu seinem Buch "Die Templer" startet Barber dieses Mal mit einem Überblick, der den Einstieg in das Thema eindeutig erleichtert. Dann werden die Anfänge des Katharertums behandelt, hier wäre eine deutlichere Aufzeigung der Unterschiede zur offiziellen Kirche schön gewesen. Laien in Glaubensfragen sehen eventuell wie der Rezensent erst einmal nicht die Tragweite der Unterschiede, gerade in Bezug auf den Dualismus. Letztlich wird es aber im Laufe des Buchs klarer. Kurz gesagt bestritten die Katharer die Fleischwerdung Gottes in Christus und predigten einen anfänglich gemäßigten, später radikalen Dualismus. Die Erde und die Menschen waren Teufelswerke, nach dem Tod gingen die Seelen der Gläubigen in die gute Welt, den Himmel.
Die Ursprünge dieser Lehre sind nicht ganz geklärt, einen belegbaren Einfluss gibt es nur seitens der balkanischen Bogomilen. Die Papstkirche konstruierte eine Tradition beginnend mit dem Manichäismus, aber dafür fehlen die Beweise, auch wenn gewisse Ähnlichkeiten vorhanden sind.

Im zweiten Kapitel wird ausführlicher der Aufbau der katharischen Kirche beschrieben: Wer predigte, welche besonderen Riten gab es und welche Speisegebote, wie sah die Sexuallehre aus, worin bestand die Anziehungskraft des Katharertums und wie sah die Verankerung im einfachen Volk aus?
Ein eher trockenes Thema, das durch die Unterschiede zur offiziellen Kirche und der lokalen und geschichtlichen Gegebenheiten trotzdem interessant ist.

Kapitel Drei behandelt dann den Rückschlag der Papstkirche: Streitgesprächen und Inquisitoren folgt der Albigenserkreuzzug. Schon interessant, wer warum mal auf Seiten des Papstes stand und mal nicht. Der französische König war dann der große Nutznießer, konnte er doch die kulturellen und politischen Gegebenheiten in Okzitanien beenden und sich die Gebiete politisch einverleiben. Man kann sagen, die Einheit Frankreichs wurde damals geschaffen, mit allen Vor- und Nachteilen. Die Kultur in Südfrankreich unterschied sich stärker von der im Norden als allgemeinhin bekannt; letztlich ein trauriges Bild von Machtgelüsten und Zweckgemeinschaften, egal ob es um weltliche oder religiöse Führer geht.

Die Katharer und die Gesellschaft des Languedoc sind dann Thema des vierten Kapitels. Welche Netzwerke hatten die Katharer, wie stand der Adel zu dieser Kirche, wie das Volk? Was passierte mit der aristokratischen Gesellschaft? Was ist mit Klerus und städtischer Gesellschaft, und welche Sozialstruktur hatten die Katharer?

Der Titel des fünften Kapitels spricht für sich:"Zwischen Inquisition und Widerstand. Der Niedergang des Katharertums". Themen sind der Vertrag von Paris, die Saat der Inquisitoren, das Land in Aufruhr, der Sturm auf die Katharerburg Montségur und letztlich das Exil in Norditalien.

Das vorletzte Kapitel zeigt dann die letzten Versuche des Überlebens, es beschreibt unter anderem das Wirken der Brüder Autier. Das Wirken zu dieser Zeit war sehr schwierig und teilweise stark degeneriert. Viele Voraussetzungen hatten sich radikal geändert, so dass eigentlich das Ende der Katharer nur noch eine Frage der Zeit war.

Im letzten Kapitel geht es dann um die "Neuen Katharer" an den Beispielen Décodat Roché, Simone Weil und Otto Rahn. Mit den eigentlichen Lehren hatte das alles wenig zu tun. Die vermeintliche Ähnlichkeit zwischen Protestantismus und Katharertum wird dann noch kurz behandelt und am Ende steht eine Betrachtung der Katharer und der Identität Okzitaniens. Eine Verbindung Katharer - Templer beziehungsweise Katharer - Gral ist übrigens eine mehr als gewagte These, für die der Autor nichts übrig hat.

Das Buch besitzt Anmerkungen, Abkürzungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Personenregister, zwei Zeittafeln und drei Karten.

Das Buch richtet sich eher an den Fachmann oder den interessierten Laien. Für das schnelle Einlesen oder den schnellen Überblick ist es nichts. Aber wenn der Leser mitdenkt und eventuell nebenher Unklares recherchiert, lässt es sich ohne jegliches Vorwissen verstehen und auch historisch und religiös einordnen. Ein wirklich empfehlenswertes Buch zum Thema. Überhaupt ist es auch ein wichtiges Thema, wird es doch zum Beispiel in der Schule unter den Tisch gekehrt, obwohl die Katharer fast zwei Jahrhunderte lang Südfrankreich religiös dominierten und auch in Norditalien stark vertreten waren. Auch in Deutschland gab es Katharer, zum Beispiel in Köln.

Ein paar kleinere Änderungen und Ergänzungen hätten das Buch noch lesbarer gemacht, aber an Jahreszahlen und Namen kommt man nun einmal auch nicht ganz vorbei. So bleibt ein dank der Thematik und des überwiegend gelungenen Aufbaus ein lesbares und empfehlenswertes Buch.

Bernd Wachsmann



Hardcover | Erschienen: 01. 2007 | ISBN: 3538071640 | Originaltitel: The Cathars: Dualist Heretics in Languedoc in the High Middle Ages | Preis: 29,90 Euro | 350 Seiten | Sprache: deutsch

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