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 Die Handpuppe


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Die Gemeinschaft eines schwedischen Dorfes wird auf eine harte Probe gestellt, als die achtjährige Lynn plötzlich verschwindet. Als die Suche nach ihr erfolglos bleibt und die Polizei zu ermitteln beginnt, rückt der Lokaljournalist Mauritz Leman in den Mittelpunkt des Interesses. Warum hat Lynn, die als schwieriges Kind gilt, ihn immer wieder besucht? Und wie kommt es, dass eine Handpuppe, die er ihr geschenkt hat, wieder in seinem Besitz auftaucht?
Leman, der vor Jahren eine kurze Liebschaft mit der Mutter des Mädchens hatte, tritt beruflich auf der Stelle und steckt in einer zur Routine erstarrten Ehe ohne Höhen und Tiefen fest. Der einzige Lichtblick in seinem monotonen Leben scheint die leidenschaftliche Liebesbeziehung mit Anna zu sein, einer Zufallsbekanntschaft, von der seine Frau nichts ahnt. Das Doppelleben, das er über Monate führt, scheint von der Dorfgemeinschaft unbemerkt zu bleiben. Doch Lynn, deren unangemeldete Besuche ihn schon häufiger überrascht haben, hat Anna und Mauritz beobachtet. Hat Mauritz sie verschwinden lassen, um sie zum Schweigen zu bringen?

Inger Frimansson, die in ihrem Heimatland Schweden als Bestseller-Autorin gilt, erzählt ihre Geschichte mit viel psychologischem Fingerspitzengefühl und großer Nähe zu ihren Protagonisten. Ihre Hauptfigur, der überaus durchschnittliche, wenig ehrgeizige Mauritz Leman, versucht die Leere seines Lebens durch gelegentliche sexuelle Abenteuer zu überspielen. In seiner Liebe zu Anna findet er die Leidenschaft und Intensität, die ihn an die Möglichkeit eines Ausbruchs aus seinem erstarrten Leben glauben lässt. Die Autorin deckt sein Innenleben in einer Montage aus Rückblenden und Haupthandlung in facettenreichen Schilderungen auf, die einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt gestatten - und in die träge Dynamik eines Lebens, das wie abgespult verläuft, sich mehr von selbst zu ereignen scheint, als dass der Protagonist einen Versuch unternehmen würde, es zu gestalten. Leman ist ein zerrissener Mensch, der einerseits seine eingefahrene Ehe nicht aufgeben möchte, und andererseits auf sein zweites Leben, die intensive, rauschhafte Liebesbeziehung zu Anna, um keinen Preis verzichten will.
Seine Spannung bezieht der Roman aus dem hintergründigen Spiel mit der Vorstellungskraft des Lesers, dem es schwer fällt, diesen im Grunde friedfertigen, durchschnittlichen, passiven Mann für einen Kindesmörder zu halten. Wie weit würde Leman gehen, um sein Doppelleben aufrecht zu erhalten? Und inwieweit hat Annas Eröffnung, an einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung zu leiden, Anteil an der Zuspitzung seiner emotionalen Krise?

Frimanssons Roman hat unbestreitbar erzählerische Längen, und die ausufernde Schilderung der sexuellen Abenteuer Lemans im ersten Drittel des Buches wirkt stellenweise gewollt. Bis man die häufigen Tempuswechsel nachvollziehen kann - die Rückblenden sind im Präsens, die aktuelle Romanhandlung in der Vergangenheitsform geschrieben - findet man schwer in die Handlung. Zumindest ging es mir so. Aber die Darstellung des Dorflebens, die Enge der dörflichen Gemeinschaft, die in der Nachbarschaft grassierenden Spekulationen, die sonderbare Mischung aus Solidarität und Misstrauen, die die gemeinsame Suche nach dem Kind durchzieht, und schließlich Lemans Schwanken zwischen Routine und Euphorie, all das ist souverän und detailreich erzählt. Das Wechselspiel von Hoffnung und Enttäuschung, in dem Lemans Dilemma sich entfaltet, sein Streben nach Glück und die letztlich tragische Entwicklung der Ereignisse gehen unter die Haut.

Wer bei der Einstufung als "Psychothriller" auf eine dramatische Handlung oder nervenzerfetzende Spannung rechnet, wird enttäuscht sein; bei der "Handpuppe" handelt es sich eher um einen psychologisch orientierten, bedächtig erzählten Krimi. Wer seine Freude an fein gesponnener Psychologie und menschlichen Schicksalen hat, wird gut bedient. Ob dies "Frimanssons bester Krimi" ist, wie auf dem Buchcover eine schwedische Zeitung zitiert wird, kann ich nicht beurteilen - Klappentexte lieben Superlative. Ein gut lesbares Buch ist "Die Handpuppe" allemal, wenn auch als Psycho-Thriller nicht herausragend und sicherlich nicht der spannendste Vertreter dieses Genres.


Frank Hoese



Taschenbuch | Erschienen: 01. August 2005 | ISBN: 3442733537 | Originaltitel: Handdockan | Preis: 8,00 Euro | 254 Seiten | Sprache: Deutsch

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