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 Chez Geek: Chez Goth

Serie: Chez Geek
Autoren: Steve Jackson
Illustratoren: John Kovalic
Verlag: Pegasus Spiele GmbH

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Welcher Goth kennt das nicht? Der todesähnliche Schlaf im eigenen Sarg wird morgens durch widerlichen Sonnenschein unterbrochen - nichts ist mit Erholung! Eigentlich wollte man sich ja endlich den schicken Leichenwagen zum Freunde kutschieren kaufen, aber der eigene Job als Filmvorführer wirft einfach nicht genug ab. Immerhin kann man darüber zuhause zusammen mit seinen Freunden Herzblut über die Sache vergießen. Aber dann muss natürlich die olle Tussi von nebenan vorbeikommen und alle verjagen ...

"Chez Goth" ist ein eigenständiger Ableger des WG-Kartenspiels "Chez Geek" von Steve Jackson, der sich auch für das sehr beliebte "Munchkin" verantwortlich zeigt. Alle der oben beschriebenen Ereignisse können in diesem Spiel stattfinden, denn jeder Spieler übernimmt die Rolle eines Mitglieds in einer Gothic-WG und muss versuchen, ein bestimmtes Slack-Ziel zu erreichen, wobei Slack für die allgemeine (Un)Zufriedenheit mit dem Leben steht. Um das zu schaffen, lädt man sich Freunde ins eigene Zimmer ein und geht in seiner Freizeit Klunker und Kleidung einkaufen, fernsehen, schlafen, Schäferstündchen halten oder jammern.
Jeder Spieler hat einen Job, der ihm ein bestimmtes (gelegentlich auch variables) Einkommen, ein bisschen Freizeit und ein festes Slack-Ziel in Punkten ausweist, das er erreichen muss, um das Spiel zu gewinnen. Beispielsweise kann man als Pornoladenfuzzie arbeiten, als Künstler oder als Poet, was jedoch nur eine freundliche Umschreibung von Arbeitslosigkeit ist. Wenn man dran ist, legt man zunächst wenn nötig mit einem Würfelwurf fest, wie hoch das eigene Einkommen für diese Runde ist. Dann kann man Personen anrufen, die man auf seiner Hand hat, was ebenfalls über den Würfel funktioniert. Bei einer eins oder zwei hatte die Person keine Lust vorbeizukommen und wird abgeworfen - andernfalls kommt sie vorbei und wird auf das eigene Slack-Ziel angerechnet. Außerdem kann man jetzt anderen Spielern unbeliebte Personen wie den Frühaufsteher, der das Schlafen unmöglich macht, ins eigene Zimmer abschieben. Als nächstes kann man die Freizeit seines Jobs für beliebige Aktivitäten wie Fernsehen, in die Disco gehen oder Schlafen aus der eigenen Hand nutzen und um Shoppen zu gehen und sich allerlei Slack bringende Gegenstände wie verwelkte Schnittblumen, Eyeliner, Särge oder Sklavenhalsbänder zu kaufen, die man - genau wie Personen und Aktivitäten auch - vor sich ablegt. Außerdem kann man durch Aktivitäten wie Jammern, Husten oder theatralisches In-Ohnmacht-Fallen Herzblutmarker sammeln, die ebenfalls auf das eigene Slack-Ziel angerechnet werden - und mit je mehr Personen man sein Leid teilen kann, umso besser! Letztendlich gibt es noch Karten, die man jederzeit während des Spiels legen kann, beispielsweise um anderen Spielern ihre gekauften Sachen zu klauen, sie am Schlafen zu hindern oder ihnen einen Teil ihres Einkommens zu stibitzen.

Der Ablauf von "Chez Goth" ist sehr schnell gelernt: Karten ziehen, Würfeln, Personen anrufen, Freizeit nutzen, Karten ablegen, schon ist der nächste an der Reihe. Im Vergleich zu "Munchkin" ist das Spiel wesentlich besser und einfacher strukturiert, man findet sich sehr schnell in den Ablauf hinein. Die dabei helfende Anleitung ist zwar nicht wirklich schlecht, aber einerseits ziemlich trostlos geraten (nicht Gothic-trostlos sondern einfach nur trostlos-trostlos) und hat andererseits einige Lücken. Beispielsweise schweigt sie sich beharrlich darüber aus, ob man durch nervige Personen abzulegende Karten aus der eigenen Hand oder von den auf dem Tisch ausliegenden abwerfen muss. Die Funktion der Herzblutmarker ist auch nicht sofort klar, müssen doch zunächst mehrere Zeilen darüber geschrieben werden, welche Marker man alternativ zu den beiliegenden verwenden kann, was unnötig ist und ablenkt. Immerhin steht in der Regel genau beschrieben, wie man "Chez Goth" mit dem Originalspiel "Chez Geek" verbinden kann - eine schöne Sache, das. Aber in Sachen Marker: Die Regel empfiehlt stark, dass man Slackmarker zum Anzeigen des Punktestands holt - und diese Empfehlung macht auch eine Menge Sinn. Aber warum liegen diese Marker - und nebenbei: ein Würfel - dem Spiel nicht schon bei? Wie bereits bei "Munchkin" bekommt man das Spiel nur ohne einige notwendige Komponenten - dabei gibt es viele andere Spiele zum gleichen Preis mit wesentlich hochwertigerem Material ...
Die Karten sind dafür in tiefem Schwarz recht nett gestaltet, die Ideen der Karten und die Zeichnungen von John Kovalic sorgen häufiger mal für ein schiefes Grinsen beim Szenekenner - natürlich nur wenn niemand hinguckt. Umso blöder sind die Kommentare gelungen, die auf jeder Karte stehen, denn die sind meistens einfach nur peinlich und bemüht lustig. Die Gothic Szene wurde jedoch insgesamt recht liebevoll eingefangen. All die Stereotypen und merkwürdigen Gestalten, die man vielleicht selbst sogar kennt, finden sich auf den Spielkarten wieder. Wenn man als Szenemitglied also ein bisschen Humor und die nötige Selbstironie besitzt, hat man mit den Karten des Spiels also durchaus seine helle - Verzeihung, dunkle - Freude.

"Chez Goth" spielt sich eigentlich recht schnell und recht spaßig - ein Zug dauert nie lange, bald ist man wieder dran, durch die Jederzeit-Karten kann man stets selbst eingreifen, die Karten sorgen immer mal wieder für Erheiterung. Wenn "Chez Goth" in einer Spielerunde neu ist, wird das jedoch auch zum Problem: Am Anfang seines Zugs zieht man teilweise bis zu sechs Karten nach, und wenn man sich dann zunächst stets genau den Text auf allen durchlesen muss, nimmt das doch immer mal wieder spürbar Tempo aus dem Spiel. Stellt sich die Frage, ob "Chez Goth" wirklich gewinnt, wenn man genaue Kenntnis der Karten hat, denn der Großteil des Spaßes entsteht nunmal durch die originelle Idee und die witzigen Karten - und da ist dann irgendwann die Luft raus.
Nichtsdestotrotz ist "Chez Goth" ein recht einfaches und lustiges Kartenspiel, an dem auch Nichtkenner der schwarzen Szene schnell ihre Freude finden werden. Es hat seine Macken und ist ein bisschen teuer, bringt aber ansonsten soliden Spaß. Lediglich ein Kartenspiel für Zwischendurch darf man nicht erwarten, denn mit der Dauer von einer Stunde dauert "Chez Goth" dann doch ein bisschen lange.

Julius Kündiger



Kartenspiel | Erschienen: 01. August 2006 | FSK: 12 | ISBN: 3937826432 | Preis: 14,95 Euro

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